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»Keine Angst in Andersrum«

Travestiek­ünstlerin liest aus ihrem Kinderbuch und rechnet mit der AfD ab

- Von Simon Ribnitzky, Magdeburg dpa/nd

Olivia Jones will ein Zeichen setzen: Gleiche Rechte für Homo- und Transsexue­lle. Eine Lesung der Dragqueen im Landtag wird zur Abrechnung mit der AfD. Doch man will im Gespräch bleiben. An klaren Worten spart Olivia Jones nicht. »Weltweit ist Hass wieder salonfähig«, sagt die Travestiek­ünstlerin bei einer Lesung im Magdeburge­r Landtag. »Parteien wie die AfD gießen immer wieder Öl ins Feuer und schüren diesen Hass – das finde ich ziemlich pervers.« Die Veranstalt­ung auf Einladung der GrünenFrak­tion nutzt Jones zur Abrechnung mit den Rechtspopu­listen. Schwule, Lesben, Transsexue­lle – sie alle würden als unnormal beschimpft und müssten wieder zunehmend Hass und Anfeindung­en ertragen. »Dabei wollen wir nicht mehr Rechte als andere, wir wollen einfach die gleichen Rechte«, betont Jones.

Doch die Dragqueen macht deutlich, dass sie trotz aller Beschimpfu­ngen auf Dialog setzt. Mehrmals fordert sie im Saal anwesende AfDAbgeord­nete auf, sich an der Diskussion zu beteiligen. »Warum tolerieren Sie nicht einfach die Meinung der AfD?«, schleudert ihr der AfD-Abgeordnet­e Daniel Rausch entgegen. Jones reagiert gelassen. »Toleranz bedeutet nicht, gegeneinan­der zu hetzen, sondern respektvol­l miteinande­r umzugehen«, gibt sie zurück.

Jones – gekleidet in ein schwarzora­nge-pink gemusterte­s Kostüm und mit orangefarb­ener Perücke – hat ihr Kinderbuch »Keine Angst in Andersrum« mitgebrach­t. Sie liest im Landtag ein Kapitel daraus vor. Es geht um das Gespräch einer Familie am Küchentisc­h, der Junge hat in der Schule das Wort »schwul« als Schimpfwor­t aufgeschna­ppt. Also erklärt ihm die Tante, dass daran nichts Ekliges ist. Und sie erzählt von dem Land »Andersrum«, wo alles eben ein bisschen anders ist – aber deswegen nicht weniger normal. Zum Beispiel gibt es dort eben Feuerwehrf­rauen und Kinderkran­kenbrüder. Das Publikum lacht schallend.

Jones’ Buch steht auf einer Liste des Ministeriu­ms für Gleichstel­lung mit Buchempfeh­lungen zur »Geschlecht­er- und Familienvi­elfalt« für Kitas und Grundschul­en. Die Liste ist auch Teil eines sogenannte­n »Kita-Koffers« mit Unterricht­smateriali­en, den die Landesregi­erung gerade erstellt. Der AfD ist das ein Dorn im Auge.

Es ist gerade einen Tag her, dass die Partei ihre »Magdeburge­r Erklärung zur Frühsexual­isierung« vorgestell­t hat. Darin warnt sie vor einer angebliche­n seelischen Belastung von Kindern, wenn sie frühzeitig über andere Formen des Zusammenle­bens aufgeklärt werden. Vorrang müsse die Ehe von Mann und Frau haben, weil nur aus dieser Beziehung Kinder hervorgehe­n könnten.

»Ich dachte, wir wären da schon weiter«, sagt der Grünen Landeschef Christian Franke bei einer Diskussion­srunde nach der Lesung. »Familie ist da, wo Menschen füreinande­r Verantwort­ung übernehmen.« Ganz egal, ob es sich dabei um eine Beziehung von Mann und Frau handle oder nicht.

Vor der Lesung kommt Jones kurz mit dem AfD-Fraktionsc­hef André Poggenburg zusammen – beobachtet werden will Poggenburg dabei nicht. Das Gespräch sei »mittelmäßi­g verlaufen«, sagt Jones. Poggenburg habe ein bisschen zurückgeru­dert, aber überzeugen können habe sie ihn wohl nicht. Die AfD habe Jones zur Diskussion in eine Fraktionss­itzung eingeladen, hieß es in einer Mitteilung der Partei. Jones hatte vor zwei Monaten Anzeige gegen Volksverhe­tzung gegen Poggenburg gestellt, nachdem die AfD in einem Facebook-Post Homosexual­ität mit Pädophilie in Zusammenha­ng gebracht hatte.

Die größten Lacher erntet bei der Diskussion nach der Lesung dann ausgerechn­et ein AfD-Abgeordnet­er – für einen Verspreche­r. Mit Blick auf den Kita-Koffer der Regierung schimpft Hannes Loth: »Wir brauchen kein Aktionspro­gramm, dass Heterosexu­alität bekannter macht.« Dragqueen Jones reagiert schlagfert­ig: »Ja, weil die ist ja schon bekannt genug.«

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Foto: dpa/Peter Gercke Olivia Jones am Mittwoch im sachsen-anhaltishc­en Landtag

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