Schwierigkeiten mit der Wahrheit
DOSB-Präsident Alfons Hörmann steht vor der Mitgliederversammlung in der Kritik.
Fast auf den Tag genau drei Jahre ist Alfons Hörmann schon Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). An diesem Wochenende soll die Mitgliederversammlung des DOSB in Magdeburg nun das Vorhaben durchwinken, mit dem der 56-jährige Allgäuer endlich die erste echte Erfolgsgeschichte in seiner Ära an der Spitze des deutschen Sportdachverbandes schreiben will: »Die Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung«, die der DOSB gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium und der Sportministerkonferenz der Länder konzipiert hat.
Vieles in dem 49-seitigen Papier ist noch nebulös: Es geht um Zentralisierung, mehr Effizienz und ein Computerprogramm, das sich »Potenzialanalysesystem« (PotAS) nennt. PotAS soll nach der Eingabe von reichlich Daten (von »20 Kriterien« und »59 Attributen« ist die Rede) angeblich erkennen können, welche Sportart welches Potenzial für kommende Medaillen birgt. Olympiastützpunkte sollen reduziert werden, Bundesstützpunkte ebenfalls, weswegen im deutschen Sport in den vergangenen Monaten reichlich Unruhe herrschte: Wer kriegt fortan welchen Anteil von den Fördermillionen des BMI – für 2017 immerhin 167 Millionen Euro?
Bei allem Respekt vor der schweren Aufgabe, den deutschen Spitzensport umzukrempeln: Wer Hörmann in seinen drei Jahren im Amt erlebt hat, kann im Nebulösen durchaus System erkennen. Der Mann mit dem CSU-Parteibuch spricht bevorzugt in langen, verschachtelten Sätzen, in die er derart viele gefällige Begriffe einbaut, dass dem Gegenüber die Widerrede schwer wird: Gut zu beobachten neulich bei seinem Auftritt im ZDF-Sportstudio, als er sich vor der Aussage drücken wollte, dass Athleten in nicht förderwürdig eingestuften Sportarten künftig kein Geld mehr bekommen könnten: »Wir reden über potenzialorientierte Fördersystematik von bestimmten Disziplinen, also geht’s auch gar nicht nur um den Einzelsportler, sondern wir reden über die Disziplin in ihrer Gesamtheit.«
Als Hörmann im Dezember 2013 an die Spitze des DOSB gewählt wurde, galt der damalige Präsident des Deutschen Skiverbandes als Wunschkandidat der olympischen Spitzenverbände. Ohne Gegenkandidat gelangte der Manager in das Ehrenamt an der DOSB-Spitze. Anno 2016 ist die Begeisterung zurückgegangen: Anfang dieser Woche wurde ein Protestbrief bekannt, in dem sich die Sprechergruppe der Spitzensportverbände von Hörmanns Agieren in Sachen DOSB-Trainerakademie Köln »distanziert«. Hörmann soll einen Streit um den Posten des Vorstandsvorsitzenden des Trägervereins der Akademie begonnen haben, indem er angeblich ohne Rücksprache seinen DOSB-Sportvorstand Dirk Schimmel- pfennig für den bisher amtierenden Thomas Weikert einsetzen wollte – so jedenfalls schilderte es Weikert gegenüber dem »Sportinformationsdienst«. Weikert amtiert seit 2008 in Köln und gilt als einer der profiliertesten Sportfunktionäre: Er ist Präsident des Welttischtennisverbandes. Dass Hörmann außerdem kurz vor Bekanntwerden des Protestschreibens behauptet hatte, die Spitzensportverbände hätten sich »gar nicht« in Sachen Trainerakademie geäußert, sorgte zumindest hinter den Kulissen für Empörung.
Bei Hörmanns Wechsel vom Skiverband in die DOSB-Zentrale hatte er eine ausgiebige Erkundung des deutschen Sports an seiner Basis versprochen. Ein Jahr später konstatierte er auf der Mitgliederversammlung stolz: »100 Veranstaltungstage, 1000 Gespräche und 100 000 Reisekilome- ter« seien die Bilanz seines Sportjahres 2014.
In jener bewegten Zeit führte Hörmann auch die Geschäfte beim Automobilzulieferer »Hörmann Holding« im bayerischen Kirchseeon, der nur zufällig den gleichen Namen trägt. Wie die »Wirtschaftswoche« im Mai berichtete, kündigte die Firma ihrem Geschäftsführer Hörmann im Februar 2016 und ein zweites Mal im April, nachdem eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag des Unternehmens Kalender ausgewertet hätte. Laut Prüfung soll der Ex-Geschäftsführer 2014 an 128 Wochentagen »ausschließlich Termine den Sport betreffend« wahrgenommen haben. Hörmanns Anwälte hatten gegenüber der »Wirtschaftswoche« bereits im März mitgeteilt, ihr Mandant habe DOSB-Reisen nie als Dienstreisen abgerechnet. Hörmann klagte gegen die Kündigung, im September einigten sich Firma und Sportfunktionär einvernehmlich: Die »Wirtschaftswoche« berichtete von einer Zahlung von 1,5 Millionen Euro an den Ex-Manager.
Vor seinem Engagement bei der gleichnamigen Holding war Hörmann Vorstandsvorsitzender der Creaton AG, dem deutschen Marktführer bei Dachziegeln. Wegen illegaler Preisabsprachen hatte das Bundeskartellamt schon 2008 Bußgelder in Höhe von 150 000 Euro gegen Hörmann und 66 Millionen Euro gegen die Creaton AG verhängt. Hörmann widersprach, zog aber 2015 seinen Widerspruch zurück und zahlte. Auch Creaton überwies schließlich 39,3 Millionen Euro.
»Mit der Zahlung des Betrages ist das Verfahren gegen mich ohne Feststellung der Schuld durch ein Gericht beendet«, sagte Hörmann der »FAZ«. In einem Brief an die DOSB-Gremien räumte er immerhin ein, dass sein »damaliges Vorgehen eine schwer einzuschätzende Gratwanderung war. Möglicherweise habe ich nicht vorsichtig genug agiert und muss bei selbstkritischer Betrachtung einen Fehler eingestehen.«
Wer Hörmann in seinen drei Jahren im Amt erlebt hat, kann im Nebulösen durchaus System erkennen. Der Mann mit dem CSU-Parteibuch spricht bevorzugt in langen, verschachtelten Sätzen, in die er derart viele gefällige Begriffe einbaut, dass dem Gegenüber die Widerrede schwer wird.