Im Nahverkehr aus Sachsen nach Madeira
Landesrechnungshof bemängelt Finanzgebaren der Kommunen – wieder einmal
Sachsens Kommunen haben 81 Prozent ihrer Schulden aus den eigenen Etats ausgelagert. Der Rechnungshof mahnt zu mehr Kontrolle – und zur Beschränkung auf kommunale Aufgaben. Die Nahverkehrsgesellschaft im Erzgebirgskreis hat einen weiten Aktionsradius. Busse des Unternehmens fahren nicht nur durch Gebirgstäler um Annaberg-Buchholz, Schneeberg und Aue, sondern auch an die Ostsee und in die tschechische Hauptstadt Prag. Den Fahrgästen wird aber noch mehr geboten. Zusammen mit einem anderen Anbieter wurden 2014 auch mehrtägige Fahrten nach Brüssel, London und Lille veranstaltet. Und selbst eine achttägige Flugreise nach Madeira fand sich im Katalog. Ein Unding, sagt Karl-Heinz Binus, Präsident des sächsischen Landesrechnungshofs. Für kommunale Firmen müsse »die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Mittelpunkt stehen«, sagt er: »Flugreisen nach Madeira gehören nicht wirklich dazu.«
Das Nahverkehrsangebot in Richtung Atlantik findet sich im Prüfbericht, in dem die Kassenprüfer alle Jahre wieder Fälle von Geldverschwendung in den Städten und Gemeinden anprangern, aber auch auf allgemein bedenkliche Tendenzen bei deren Haushaltsführung hinweisen. Dazu gehört, dass in immer größerem Umfang Schulden aus kommunalen Haushalten ausgelagert werden. Sie stehen statt dessen in den Büchern von Tochterunternehmen. Von Verbindlichkeiten in Höhe von aktuell 17,3 Milliarden Euro trifft das auf 15,8 Milliarden zu – satte 81 Prozent.
Die Entwicklung ist, so räumt Binus ein, nicht neu. Bereits seit den 1990er Jahren würden Personal und Schulden ausgelagert. Mittlerweile gibt es im Freistaat 101 kommunale Eigenbetriebe, 172 Zweckverbände, 492 Eigen- und 363 Beteiligungsgesellschaften, an denen Kommunen mindestens die Hälfte der Anteile halten. Der Rechnungshof verurteilt die finanzielle Verschiebepraxis nicht grundsätzlich. Es ergebe durchaus Sinn, »bestimmte Aufgaben privatrechtlich erledigen zu las- sen«, sagt Binus: »Aber Steuerung und Kontrolle müssen besser werden.« Ausgelagerte Bereiche seien sowohl dem Einfluss der Aufsichtsbehörden als auch der Kontrolle des Rechnungshofes weitgehend entzogen. Gerieten die Gesellschaften in finanzielle Untiefen, seien aber die Kommunen und damit die Steuerzahler ebenso in der Pflicht wie bei eigenen Schulden.
Dieser Umstand könnte beispielsweise den Bürgern von Eibenstock auf die Füße fallen. Die Stadt im Erzgebirge war seit 2010 zu 24 Prozent an einem Unternehmen beteiligt, dass Hackschnitzel herstellte, die zur Beheizung kommunaler Gebäude verfeuert wurden. Als die Firma 2012 in eine Schieflage geriet, wollte sich die Stadt zunächst für einen Kredit verbürgen. Wegen schwieriger Haushaltslage wurde das von der Kommunalaufsicht abgelehnt. Daraufhin stellte das Rathaus selbst 350 000 Euro zur Verfügung. Es bestehe nun- mehr die Gefahr, dass bei einer Pleite »nicht nur der Beteiligungswert verloren ist, sondern auch dieses Geld«, sagt Rechnungshofdirektor Peter Teichmann.
Insgesamt hat sich die finanzielle Lage der sächsischen Kommunen nicht so gut entwickelt wie der bundesdeutsche Durchschnitt. In den Flächenländern wuchs der Überschuss in den kommunalen Kernhaushalten auf 3,05 Milliarden Euro. In Sachsen erwirtschafteten die Kommunen im Jahr 2015 gerade mal ein Plus von 20 Millionen Euro. 2014 waren es noch 333 Millionen. In den Kreisen und den kreisfreien Städten stand sogar ein Minus unter dem Strich.
Als Ursache nennt der Landesrechnungshof, dass erstmals seit 2002 Einnahmen zurückgingen. Grund war vor allem, dass der Freistaat weniger Geld überwies. Der Einnahmeüberschuss je Einwohner lag bei lediglich drei Euro, so wenig wie in keinem anderen ostdeutschen Bundesland. Der Wert lag in Sachsen-Anhalt bei 59 Euro und in Brandenburg sogar bei 108 – womit das Land sogar noch vor Bayern rangiert.