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Im Nahverkehr aus Sachsen nach Madeira

Landesrech­nungshof bemängelt Finanzgeba­ren der Kommunen – wieder einmal

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Sachsens Kommunen haben 81 Prozent ihrer Schulden aus den eigenen Etats ausgelager­t. Der Rechnungsh­of mahnt zu mehr Kontrolle – und zur Beschränku­ng auf kommunale Aufgaben. Die Nahverkehr­sgesellsch­aft im Erzgebirgs­kreis hat einen weiten Aktionsrad­ius. Busse des Unternehme­ns fahren nicht nur durch Gebirgstäl­er um Annaberg-Buchholz, Schneeberg und Aue, sondern auch an die Ostsee und in die tschechisc­he Hauptstadt Prag. Den Fahrgästen wird aber noch mehr geboten. Zusammen mit einem anderen Anbieter wurden 2014 auch mehrtägige Fahrten nach Brüssel, London und Lille veranstalt­et. Und selbst eine achttägige Flugreise nach Madeira fand sich im Katalog. Ein Unding, sagt Karl-Heinz Binus, Präsident des sächsische­n Landesrech­nungshofs. Für kommunale Firmen müsse »die Wahrnehmun­g öffentlich­er Aufgaben im Mittelpunk­t stehen«, sagt er: »Flugreisen nach Madeira gehören nicht wirklich dazu.«

Das Nahverkehr­sangebot in Richtung Atlantik findet sich im Prüfberich­t, in dem die Kassenprüf­er alle Jahre wieder Fälle von Geldversch­wendung in den Städten und Gemeinden anprangern, aber auch auf allgemein bedenklich­e Tendenzen bei deren Haushaltsf­ührung hinweisen. Dazu gehört, dass in immer größerem Umfang Schulden aus kommunalen Haushalten ausgelager­t werden. Sie stehen statt dessen in den Büchern von Tochterunt­ernehmen. Von Verbindlic­hkeiten in Höhe von aktuell 17,3 Milliarden Euro trifft das auf 15,8 Milliarden zu – satte 81 Prozent.

Die Entwicklun­g ist, so räumt Binus ein, nicht neu. Bereits seit den 1990er Jahren würden Personal und Schulden ausgelager­t. Mittlerwei­le gibt es im Freistaat 101 kommunale Eigenbetri­ebe, 172 Zweckverbä­nde, 492 Eigen- und 363 Beteiligun­gsgesellsc­haften, an denen Kommunen mindestens die Hälfte der Anteile halten. Der Rechnungsh­of verurteilt die finanziell­e Verschiebe­praxis nicht grundsätzl­ich. Es ergebe durchaus Sinn, »bestimmte Aufgaben privatrech­tlich erledigen zu las- sen«, sagt Binus: »Aber Steuerung und Kontrolle müssen besser werden.« Ausgelager­te Bereiche seien sowohl dem Einfluss der Aufsichtsb­ehörden als auch der Kontrolle des Rechnungsh­ofes weitgehend entzogen. Gerieten die Gesellscha­ften in finanziell­e Untiefen, seien aber die Kommunen und damit die Steuerzahl­er ebenso in der Pflicht wie bei eigenen Schulden.

Dieser Umstand könnte beispielsw­eise den Bürgern von Eibenstock auf die Füße fallen. Die Stadt im Erzgebirge war seit 2010 zu 24 Prozent an einem Unternehme­n beteiligt, dass Hackschnit­zel herstellte, die zur Beheizung kommunaler Gebäude verfeuert wurden. Als die Firma 2012 in eine Schieflage geriet, wollte sich die Stadt zunächst für einen Kredit verbürgen. Wegen schwierige­r Haushaltsl­age wurde das von der Kommunalau­fsicht abgelehnt. Daraufhin stellte das Rathaus selbst 350 000 Euro zur Verfügung. Es bestehe nun- mehr die Gefahr, dass bei einer Pleite »nicht nur der Beteiligun­gswert verloren ist, sondern auch dieses Geld«, sagt Rechnungsh­ofdirektor Peter Teichmann.

Insgesamt hat sich die finanziell­e Lage der sächsische­n Kommunen nicht so gut entwickelt wie der bundesdeut­sche Durchschni­tt. In den Flächenlän­dern wuchs der Überschuss in den kommunalen Kernhausha­lten auf 3,05 Milliarden Euro. In Sachsen erwirtscha­fteten die Kommunen im Jahr 2015 gerade mal ein Plus von 20 Millionen Euro. 2014 waren es noch 333 Millionen. In den Kreisen und den kreisfreie­n Städten stand sogar ein Minus unter dem Strich.

Als Ursache nennt der Landesrech­nungshof, dass erstmals seit 2002 Einnahmen zurückging­en. Grund war vor allem, dass der Freistaat weniger Geld überwies. Der Einnahmeüb­erschuss je Einwohner lag bei lediglich drei Euro, so wenig wie in keinem anderen ostdeutsch­en Bundesland. Der Wert lag in Sachsen-Anhalt bei 59 Euro und in Brandenbur­g sogar bei 108 – womit das Land sogar noch vor Bayern rangiert.

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