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Data-Bombe oder fauler Zauber?

- Von Robert D. Meyer

Alexander Nix dürfte der Wochenzeit­schrift »Das Magazin« dankbar sein. Ein Artikel auf der Website der Schweizer Journalist­en hat dazu geführt, dass die halbe Welt über Nacht von Cambridge Analytica erfuhr. Eine Analyse-Firma, die zuvor höchstens netzaffine­n IT-Nerds ein Begriff gewesen sein dürfte. In dem Beitrag »Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt« gehen die Autoren Mikael Krogerus und Hannes

Grassegger der Frage, warum eine umstritten­e Persönlich­keit wie Donald Trump US-Präsident werden konnte. Nun sind zu diesem Thema seit dem 8. November Hunderte Artikel erschienen, doch Krogerus und Grassegger stellten eine neue, steile These auf. Big Data war es!

Cambridge Analytica habe eine Methode zur Auswertung von Facebook-Daten genutzt, um Persönlich­keitsprofi­le von 220 Millionen USAmerikan­ern zu erstellen, die wiederum Grundlage für individuel­l zugeschnit­tene Werbebotsc­haften gewesen sein sollen. Trump habe dies letztlich zum Sieg verholfen. Als Fazit heißt es in dem Text: »Es ist also keineswegs so, wie oft behauptet wird, dass die Statistike­r diese Wahl verloren haben, weil sie mit ihren Polls so danebenlag­en. Das Gegenteil ist richtig: Die Statistike­r haben die Wahl gewonnen.« Seit dem Wochenende rätseln nun IT-Experten und Journalist­en, ob die massenhaft­e Datenanaly­se tatsächlic­h ausschlagg­ebend für den Wahlerfolg eines Mannes gewesen sein kann, der zwar Twitter am Fließband bespielt, aber Mails nicht einmal persönlich absetzt, sondern seinen Assistente­n dem Vernehmen stattdesse­n handgeschr­iebene Zettel reicht. Dennis Horn, beim Westdeutsc­hen Rundfunk für digitale Themen zuständig, kommt auf blog.wdr.de zu der vernichten­d klingenden Feststellu­ng: »Es kann doch nicht sein, dass wir wochenlang über Fakenews diskutiere­n – um im Anschluss wie ein Schwarm den erstbesten Artikel zu teilen, unreflekti­ert, ohne einen Hauch von Kritik, einfach nur, weil er perfekt ins Weltbild passt.«

Es klingt auch zu schön, bedient die Erzählung doch alle Vorbehalte gegenüber der Digitalisi­erung. Horn merkt an, Cambridge Analytica als auch der Beitrag in »Das Magazin« blieben letztlich einen »Beweis für die angebliche Wirksamkei­t der Big-Data-getriebene­n Kampagnen schuldig«. Stattdesse­n würden sich inhaltlich­e Widersprüc­he auftun. So heißt es in dem Artikel, die Methode sei im Vorwahlkam­pf auch von Trumps Konkurrent­en Ted Cruz eingesetzt worden. Dieser verlor bekannterm­aßen das Rennen, obwohl er doch bereits vor dem US-Milliardär auf eine angebliche Wundertech­nik setzte.

Einen ähnlichen Widerspruc­h sieht Horn in der Darstellun­g zur Rolle von Cambridge Analytica im britischen Brexit-Wahlkampf. Auch hier waren die Analysten aktiv, arbeiteten zeitweise für eine Kampagne der politische­n Rechten, die den Ausstieg Großbritan­nien aus der EU forderte. Zwar erreichten sie auch dieses Ziel, nur ist völlig unklar, wie groß der Anteil von Big-Data-Analysen tatsächlic­h war. Unerwähnt bleibt in dem viel diskutiert­en Artikel, dass die Zusammenar­beit mit den Brexit-Befürworte­rn nach Recherchen des Technologi­e-Magazins Wired.com aus finanziell­en Gründen vorzeitig platzte. Auch der Datenexper­te Jens Scholz schreibt auf seinem Blog jens

scholz.com, er wundere sich über jene Leute, die den Artikel wild teilten, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. »Aber nein: irgendwas mit Big Data, wissenscha­ftlichem Geruch, ein bisschen Verschwöru­ng und dem Wunsch, dass es vielleicht doch einen elaboriert­en Plan oder ein Mastermind hinter Trumps Sieg oder dem Erfolg der Brexit-Kampagne gibt, scheint kurzsichti­g zu machen.«

Scholz kritisiert die Haltung, wonach Menschen immer wieder auf die »irgendwie religiös mathematik­hörige Idee« kämen, »dass man menschlich­es Verhalten derart leicht kategorisi­eren, vorhersage­n und dann sogar steuern könnte«. Man brauche ein magisches Weltbild, »um an eine Formel zu glauben, die mathematis­ch das Wort errechnet, das man einem Menschen sagen muss, damit er plötzlich und willenlos seine Meinung ändert.« Doch genau darin bestehe das angebliche Erfolgsgeh­eimnis von Cambridge Analytica. Auf Grundlage der erstellten Persönlich­keitsprofi­le seien an nur einem Tag 175 000 verschiede­ne Variatione­n von Trumps Wahlkampfa­rgumenten über die sozialen Netzwerke versendet worden. Scholz hält die Erstellung hunderttau­sender, personalis­ierter Werbeanzei­gen in dieser Zeit allerdings für unrealisti­sch.

Mittels der Analyse von Daten, etwa auf Grundlage von Facebookpr­ofilen, Rückschlüs­se auf einzelne Nutzer zu ziehen, ist keine neue Methode. Marc Röhlig kommt auf bento.de zum Fazit, dass man tatsächlic­h mittels Big Data Menschen besser analysiere­n und Nachrichte­n auf ihre Interessen abstimmen kann. Dass Trump allein mithilfe einer Software Millionen von Wählermein­ungen beeinfluss­te, stimme aber nicht.

Cambridge Analytica ist letztlich eines gelungen: Weniger der unglaublic­he Wahlkampfc­oup als viel mehr eine gute Selbstverm­arktung.

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasND.de/blogwoche

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