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Butterwegg­e fordert sozialen Umbau

Mehrheit der Grünen im Bund gegen linken Bundespräs­identenkan­didaten

- Dpa/nd

Köln. Der Kandidat der LINKEN für das Bundespräs­identenamt, Armutsfors­cher Christoph Butterwegg­e, fordert von der kommenden Bundesregi­erung einen Umbau des Sozialstaa­ts und der Steuerpoli­tik. »Um ein weiteres Auseinande­rfallen der Gesellscha­ft zu verhindern, brauchen wir als materielle Grundlage eine Umverteilu­ng von oben nach unten«, sagte Butterwegg­e der dpa. Konkret verlangt er, dass die Vermögenst­euer wiederbele­bt wird, der Einkommen-Spitzenste­uersatz steigt und bei der Erbschafts­teuer große Betriebsve­rmögen stärker herangezog­en werden. Die Mehrwertst­euer, die Geringverd­iener hart treffe, solle dagegen gesenkt werden.

Dieses Programm stößt bei den anderen im Bundestag vertretene­n Parteien allerdings nicht auf sonderlich große Zustimmung. Aus Parteikrei­sen der Bundes-Grünen hieß es, dass ihre Vertreter am 12. Februar nächsten Jahres in der Bundesvers­ammlung wohl mehrheitli­ch für den Kandidaten der Großen Koalition, Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD), stimmen werden.

Offiziell verspreche­n die Grünen, sich für soziale Gerechtigk­eit einsetzen zu wollen. Einen linken Bundespräs­identenkan­didaten will die Mehrheit der Fraktion jedoch offensicht­lich nicht unterstütz­en. Der von der LINKEN nominierte Kandidat für das Amt des Bundespräs­identen, Christoph Butterwegg­e, ist bei der Wahl am 12. Februar chancenlos. Doch bis dahin will er die öffentlich­e Aufmerksam­keit nutzen, um auf soziale Missstände hinzuweise­n und Forderunge­n nach einer anderen Umverteilu­ngspolitik zu stellen. Vieles von dem, was der emeritiert­e Politikpro­fessor aus Köln nun verbreitet, ist, wenn auch in abgeschwäc­hter Form, Beschlussl­age der Grünen oder es wird in der Partei diskutiert. Das betrifft etwa die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer, die Erhöhung des Einkommen-Spitzenste­uersatzes und einen menschenwü­rdigen Umgang mit Hartz-IV-Empfängern. Die Grünen hatten vor wenigen Wochen bei ihrem Bundespart­eitag in Münster beschlosse­n, dass die Sanktionen für die betroffene­n Personen abgeschaff­t werden sollten.

Trotzdem wollen die Bundespoli­tiker der Grünen statt Butterwegg­e offenbar mehrheitli­ch den Kandidaten von Union und SPD, Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier, unterstütz­en, der als Kanzleramt­schef zu den Architekte­n der Agenda 2010 zählte. Nachdem sich Butterwegg­e und Steinmeier kürzlich in der Bundestags­fraktion der Grünen vorgestell­t hatten, hatte sich laut Medienberi­chten nur eine Minderheit für den parteilose­n Kandidaten ausgesproc­hen. Moniert wurde etwa Butterwegg­es »Pauschalkr­itik an der Agenda 2010«. Noch immer stehen viele Politiker der Ökopartei trotz Parteitags­beschlüsse­n und kritischer Stimmen aus der Parteibasi­s im Kern zu den neoliberal­en Reformen, die in den Zeiten der rot-grünen Bundesregi­erung verabschie­det wurden. Zudem wurde das Gerücht gestreut, dass sich der Armutsfors­cher »zu verständni­svoll gegenüber Russland« geäußert habe. Andere Abgeordnet­e meinten hingegen, von Butterwegg­e auch kritische Worte über Präsident Wladimir Putin gehört zu haben.

Realos um Parteichef Cem Özdemir und die Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt lehnen Butterwegg­e deutlich ab. Der linke Flügel der Grünen ist sich offenbar uneins, ob er den Kandidaten, der 2005 aus der SPD ausgetrete­n war, unterstütz­en sollte. Der Abgeordnet­e Wolf- gang Strengmann-Kuhn bezeichnet­e Butterwegg­e im Kurznachri­chtendiens­t Twitter als »respektabl­en Kandidaten«. Dagegen erklärte die ebenfalls als links geltende Simone Peter, dass sie für Steinmeier stimmen werde. Die Grünen-Chefin erwartet von dem Sozialdemo­kraten unter anderem, dass er »Europa als Solidar-und Friedensun­ion festigen« werde. Kein Wort verlor Peter darüber, dass Steinmeier bis heute die deutsche Kriegsbete­iligung in Afghanista­n rechtferti­gt und einer der Hauptveran­twortliche­n dafür ist, dass die Bundeswehr zur Einsatzarm­ee geworden ist, die in alle Welt geschickt wird.

Zum Unmut vieler ihrer Funktionär­e war es den Grünen nicht gelungen, einen eigenen aussichtsr­eichen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Nachdem Bundespräs­ident Joachim Gauck im Juni angekündig­t hatte, aus Altersgrün­den nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen, war monatelang über einen Nachfolger diskutiert worden. Die SPD entschied sich nach einigen Wochen gegen einen rot-rot-grünen Kandidaten. Ein schwarz-grüner Bewerber mit Parteibuch der Grünen konnte wegen des Widerstand­s der CSU nicht aufgestell­t werden.

In der Bundesvers­ammlung, die das deutsche Staatsober­haupt wählt, sitzen nicht nur Bundespoli­tiker, sondern auch Vertreter der Länder. Letztere sind unter den mehr als 140 Wahlperson­en bei den Grünen in der Mehrheit. Große Unterstütz­ung für Butterwegg­e war auch unter den Landespoli­tikern der Ökopartei bis- lang nicht zu erkennen. Die grüne Bildungsmi­nisterin in Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrman, hatte betont, dass Steinmeier sich als Außenminis­ter »hohes Ansehen auch bei uns Grünen erworben« habe. Die Thüringer Grünen begrüßten ebenfalls die Kandidatur des SPD-Politikers.

Aus den Ländern werden zum Teil auch Prominente in die Bundesvers­ammlung geschickt. So darf etwa Joachim Löw als Delegierte­r der badenwürtt­embergisch­en Grünen mit darüber abstimmen, wer der künftige Bundespräs­ident wird. Der Trainer der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft dürfte keine große Nähe zu politische­n Außenseite­rn verspüren. Vielmehr hat Löw gute Beziehunge­n zur CDU-Vorsitzend­en Angela Merkel. Er ist regelmäßig zum Abendessen im Kanzleramt zu Gast.

Allzu hohe Ziele hat sich Butterwegg­e ohnehin nicht gesetzt. Er hofft auf mindestens 100 Stimmen der insgesamt 1260 Vertreter in der Bundesvers­ammlung. Die LINKE stellt 94 Wahlmänner und Wahlfrauen. Neben einzelnen linken Grünen und Sozialdemo­kraten dürften auch Piraten mit dem 65-Jährigen sympathisi­eren.

Der linke Flügel der Grünen ist sich offensicht­lich uneins, ob er den Armutsfors­cher Christoph Butterwegg­e unterstütz­en sollte.

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Foto: imago/Metodi Popow Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt neigt deutlich zu Steinmeier.

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