Zentralstadion bleibt voll
RB Leipzig kauft lieber die alte Arena, als eine neue zu bauen.
Zu Tausenden beschweren sich die Menschen über Paketzusteller, allen voran kurz vor Weihnachten. Die Verbraucherzentrale stimmt in den Kanon ein und dokumentiert die vermeintliche Schlamperei. Ton und Maß der Kritik an den Beschäftigten gleicht dabei dem Gejammer wilhelminischer Herrschaften über ihr unzuverlässiges Gesinde.
Natürlich habe ich auch schon mal so ein Kärtchen im Briefkasten vorgefunden. Darauf zu lesen stand, dass ich zu Hause nicht anzutreffen war, ich solle mein Paket deswegen am nächsten Werktag in der Filiale abholen. Komisch an der Sache war nur, dass ich den ganzen Tag daheim war, ein Klingelzeichen und ich hätte die Haustüre geöffnet. Hätte ich gewusst, dass es da ein Beschwerdeportal namens »Paket-Ärger« von der Verbraucherzentrale gibt, ich hätte dort schon gelegentlich was melden können. Aber manchmal ist es gut, wenn man solche Einrichtungen nicht kennt. Sonst notiert man dort als Kurzschlussreaktion, was einem später wahrscheinlich leid tut. Denn seien wir doch mal ehrlich: Die Meldung dort dient der Anschwärzerei; da werden die Lieferanten in die Pfanne gehauen. Dabei trifft sie doch nicht die Schuld. Selbst dann nicht, wenn sie es sich im Arbeitsalltag mit Aktionen wie der eben mal eingeworfenen Abholungsbenachrichtigung ein bisschen einfacher machen.
Paketzusteller, das ist schon so ein Knochenjob geworden in den letzten Jahren: Gut bezahlt war er nie, körperlicher Kraftakt hingegen immer. Altbauten ohne Lift, sich Zeit lassende Kunden, überall steht man mit seinem Kleinlaster im Weg oder Halteverbot. Jahr für Jahr bestellen die Leute mehr im Internet und damit wächst auch die Arbeit der Zusteller. Vor einiger Zeit hat Günter Wallraff mal verdeckt bei GLS als Zusteller gearbeitet. Was man da sah, hat alle bis dato kursierenden Gerüchte bestätigt. Als Zusteller ist man nicht selten zehn oder zwölf Stunden am Tag im Einsatz. Zur Weihnachtszeit ohnehin. Ständig ist man dem Druck des Vorgesetzten und der Kunden ausgesetzt, nie ist man schnell, freundlich oder gründlich genug. Und am Monatsende wird die Rechnung serviert: als Lohnabrechnung.
Bei DHL mag manches nicht ganz so drastisch sein wie bei der Konkurrenz, aber der Druck und das kaum mehr zu bändigende Pensum überfordern auch hier. So gibt die Post jedes Jahr eine Garantie an ihre Kunden heraus: Jedes Paket, das bis zum 23. Dezember um 10 Uhr in der Filiale ist, kommt noch an Heiligabend beim Empfänger an. Das bringt die Zusteller unter Zugzwang, überlastet sie und zwingt ihnen Überstunden dort ab, wo andere schon die besinnlichen Tage planen. DHL könnte ja auch einfach die Kunden an die rechtzeitige Abgabe erinnern, das tut das Unternehmen aber nicht. Es setzt lieber die Belegschaft mit schier unrealistischen Garantien unter Druck.
6500 Beschwerden hat die Verbraucherzentrale auf ihrem Portal registriert und sie dann innerhalb von 14 Tagen den Dienstleistern vorgelegt. So möchte man die Rechte der Empfänger stärken. Denn der Empfänger, so glaubt die Zentrale, sei gemeinhin »in der schwächsten Position«. Letzteres stimmt nicht ganz. In der Hierarchie der Verlierer steht der angestellte Zusteller höher. Oder tiefer, je nachdem, wie man es aufstellen möchte. Das geht schon damit los, dass der Empfänger jetzt mittels Beschwerdeportal den Fehler des Zustellers weitergeben kann und so den Beschäftigten in die Bredouille bringt. Dabei sind die Strukturen das Problem – das der Branche wie das des Arbeitsmarktes generell.
Denn Pakete auszuliefern, ist einer jener Jobs, die im Niedriglohnsektor angesiedelt sind. In jenem Bereich, auf den sich die politischen Eliten hierzulande etwas einbilden. Dort, wo Menschen günstig und teils entrechtet arbeiten. Wo Austerität nicht bloß eine Disziplin abstrakter Staatshaushalte ist, sondern die betriebswirtschaftliche Leitlinie, die zulasten der Angestellten geht. Da wurde ein Sektor für Gesinde geschaffen, das beinahe wie zu Kaisers Zeiten gehalten wird. Und weil die in Notwehr mal tricksen, meldet man sie?
Wer die Situation um Zustellungen wirklich verbessern will, der muss es politisch fordern und nicht in Portalen. Der muss bessere Arbeitnehmerrechte und Überstundenverbote für diese Arbeitstiere der Treppenhäuser verlangen. Alles andere ist dekadentes Gejammer.