Welt der 32 Kriege und Konflikte
Hamburger Friedensforscher: Naher und Mittlerer Osten am stärksten betroffene Region
32 Kriege und bewaffnete Konflikte hat die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) an der Universität Hamburg 2016 erfasst und untersucht, einen weniger als im Vorjahr. Zehn türkische Soldaten und über 130 Dschihadisten des Islamischen Staats (IS), die bei den bisher schwersten Gefechten in Nordsyrien sterben; elf Tote bei einem Taliban-Überfall auf Parlamentarier in Kabul; ein junger Palästinenser, der von israelischen Soldaten erschossen wird; IS-Terroristen, die im Kampf um die nordirakische Stadt Mossul gezielt Zivilisten mit Granaten und Sprengstoff angreifen und flüchtende Bewohner beschießen – all das sind Meldungen über Kriege und bewaffnete Konflikte allein aus den vergangenen beiden Tagen.
32 andauernde und organisierte gewaltsame Massenkonflikte hat die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) an der Hamburger Universität im ablaufenden Jahr registriert und jetzt ihre aktuelle Studie vorgelegt. In der Datenbank der Wissenschaftler sind rund 250 Kriege und bewaffnete Konflikte seit 1945 erfasst. Da sind es schon gute Nachrichten, wenn 2016 eine dieser massiven Auseinandersetzungen weniger als im Vorjahr gezählt wurde und erstmals seit einigen Jahren kein neuer kriegerischer Konflikt ausgebrochen ist. Beendet wurde lediglich der erst 2015 erneut eskalierte bewaffnete Kampf im Bundesstaat Manipur im Nordosten Indiens.
Mit zwölf toben die meisten Kriege und Konflikte laut AKUF-Studie erneut im Nahen und Mittleren Osten, gefolgt von Afrika (zehn) und Asien (acht). Zwei Kriege in Afrika stechen dabei durch ihre territoriale Ausweitung hervor. Sowohl im Falle Nigerias als auch Somalias seien mittlerweile auch Teile der Nachbarländer Tschad und Kamerun einerseits und Kenia andererseits regelmäßig von schweren Kampfhandlungen betroffen.
Nur jeweils ein Krieg wurde in diesem Jahr in Lateinamerika und in Europa (Ukraine) registriert, wobei vor allem die Entwicklung in Kolumbien als Beispiel für mögliche Deseskalierungen Hoffnung macht. Obwohl der Friedensvertrag in einem Referendum abgelehnt worden sei, bestünden hier gute Aussichten, dass die überarbeitete Vereinbarung den über 50 Jahre währenden Krieg des kolumbianischen Staates mit den FARCRebellen beenden kann, so die Einschätzung der Konfliktforscher.
AKUF-Leiter Wolfgang Schreiber verweist darauf, dass bis 1989, also während des Ost-West-Konflikts, meist der militärische Sieg vorherrschend gewesen sei. »Nach 1989 waren es eher Verhandlungslösungen, die zu einem Frieden geführt haben«, wobei diese dauerhafter seien, »wenn sie nicht nur durch externen Druck zustande gekommen sind«, so Schreiber.
Die mit Abstand meisten Todesopfer habe 2016 erneut der Krieg in Syrien gefordert, heißt es in der Untersuchung. Nach UN-Angaben wurden in fast sechs Jahren etwa 400 000 Menschen getötet. Das UN-Nothilfebüro OCHA spricht von 4,8 Millionen Syrern, die ins Ausland geflohen seien, und 6,3 Millionen, die man im eigenen Land vertrieben habe. Eine »humanitäre Katastrophe durch Zusammenbrechen der Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischen Diensten« sei 2016 vor allem auch in Jemen zu verzeichnen gewesen. Dort kämpft die Regierung mit Unterstützung einer von Saudi-Arabien geführten Koalition gegen die sogenannten Huthi-Rebellen. Auch in Südsudan wurde die humanitäre Situation aufgrund des dortigen Krieges häufiger thematisiert.
Weniger berichtet worden sei in diesem Jahr über zwei weitere Zentren des Kriegsgeschehens: Afghanistan und Irak. Selbst die Rückeroberung der unter Kontrolle des sogenannten Islamischen Staates stehenden Millionenstadt Mossul sei nach den ersten Kampfhandlungen wieder weitgehend aus den Medien verschwunden.