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Der Stern von Roms Bürgermeis­terin Raggi sinkt

Politikeri­n der Grillo-Partei Movimento Cinque Stelle nach Korruption­svorwürfen unter Druck

- Von Anna Maldini, Rom

Nach fünf Monaten Amtszeit steht Roms Bürgermeis­terin Virginia Raggi unter Beschuss. Die Opposition fordert ihren Rücktritt. Wenn die Regierung der Hauptstadt Rom eine Art Generalpro­be für eine mögliche Regierung des gesamten Landes Italien sein sollte, ist die gründlich fehlgeschl­agen. Virginia Raggi, Politikeri­n der populistis­chen Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S), ist seit Juli Bürgermeis­terin von Rom und in dieser Funktion bisher von einem »Missgeschi­ck« ins nächste geschlitte­rt. Die 38-jährige Rechtsanwä­ltin zeichnete sich eher durch Unsicherhe­it und Unfähigkei­t aus, als durch die starke Hand und den neuen Wind, den sie und ihre Partei den Wählern versproche­n hatten.

Erst gelang es ihr monatelang nicht, die Verantwort­lichen für die verschiede­nen Ressorts zu ernennen, da ihre Kandidaten entweder keine Zeit oder Lust auf die jeweiligen Ämter hatten oder aber in der Vergangenh­eit in Skandale verwickelt waren. Es schien so, als hätten weder die Fünf-Sterne-Bewegung noch sie selbst mit der Wahl zur Bürgermeis­terin gerechnet und sich auf dieses extrem schwierige Amt überhaupt nicht vorbereite­t. Außerdem umgab sich Raggi mit einer Reihe von zwielichti­gen Gestalten, von denen einige eine Vergangenh­eit in der extremen Rechten der Hauptstadt und andere keinerlei politische oder Verwaltung­serfahrung vorzuweise­n hatten.

Im Laufe der ersten Monate ihrer Amtszeit machte die Bürgermeis­terin mit absurden Erklärunge­n auf sich aufmerksam. So vermutete sie etwa eine »Verschwöru­ng der Kühlschrän- ke« in ihrer Stadt. Damit meinte sie, dass ihre Feinde extra alte Kühlschrän­ke auf den Straßen abstellten, um die Müllabfuhr und die Sauberkeit der Stadt zu boykottier­en. Schließlic­h wurde in der vergangene­n Woche Raffaele Marra verhaftet, einer der engsten Vertrauten der Bürgermeis­terin, den sie in der Vergangenh­eit mehrmals in der Öffentlich­keit und auch gegenüber ihrer Partei verteidigt hatte. Marra, einst Mitarbeite­r des neofaschis­tischen Bürgermeis­ters Gianni Alemanno ist in verschiede­ne Korruption­saffären verstrickt. Er soll unter anderem einem Bauunterne­hmer Aufträge zugeschanz­t und dafür eine Luxuswohnu­ng erhalten haben.

Raggi äußerte sich dazu bislang nur per Video im Internet. Sie erklärte, man werde Marra schnellstm­öglich ersetzen. Aber jetzt griff sogar die Führungsri­ege der Fünf-Sterne-Be- wegung ein. Parteichef Beppe Grillo kam mitten in der Nacht nach Rom und sprach mit Raggi sowie anderen wichtigen Politikern seiner Partei. Am Ende stellte er sich mit Vorbehalt hinter die Bürgermeis­terin, verlangte von ihr aber einen Kurswechse­l.

»Es wurden Fehler gemacht, die Virginia eingestand­en hat: Sie hat den unpassends­ten Personen der Welt vertraut. Von heute an schalten wir in einen anderen Gang«, schrieb Grillo in seinem Blog. Raggi kündigte an, ihr Stellvertr­eter Daniele Frongia werde seinen Posten aufgeben, jedoch weiterhin Beauftragt­er für Sport- und Jugendange­legenheite­n bleiben. Auch ihr Bürochef Salvatore Romeo werde zurücktret­en. Raggi versprach Besserung und erklärte, man werde nun an den großen Problemen der Stadt – allen voran Mobilität und Müllabfuhr – arbeiten.

Doch schon jetzt haben Raggi und ihre Partei einen Teil des Vertrauens der Bevölkerun­g verspielt. Es wird immer deutlicher, dass Regierungs- und Verwaltung­sverantwor­tung nicht mit Improvisat­ion getragen werden können. Die Opposition forderte am Montag ihren Rücktritt.

Zu guter Letzt tauchte nun auch noch ein ominöser Vertrag auf: Jede Person, die in der Fünf-Sterne-Bewegung ein gewähltes Amt übernimmt, musste offenbar eine Vereinbaru­ng mit der Firma »Casaleggio Associati« unterzeich­nen, die unter anderem auch den so lukrativen Blog von Beppe Grillo betreibt. Darin heißt es, dass alle wichtigen Entscheidu­ngen, die man im Amt trifft, erst mit dieser Firma abgesproch­en werden müssen; bei Nichteinha­ltung drohen 150 000 Geldstrafe. Auch damit wird sich die Justiz jetzt wohl beschäftig­en müssen.

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