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Spanien beschenkt Autobahnba­uer

Staat kauft unrentable Privatstra­ßen zurück / Steuerzahl­er werden dafür zahlen müssen

- Von Ralf Streck, Madrid

Jahrelang hatten spanische Baufirmen versucht, mit mautpflich­tigen Straßen den großen Reibach zu machen – ohne Erfolg. Nun kauft das Land sie zurück und sowohl Betreiber als auch Banken profitiere­n. Für große Baufirmen ist die staatliche Rettung privater Autobahnen in Spanien ein schönes Weihnachts­geschenk. Denn die haben Autobahnen nicht nur gebaut, sondern über Tochterfir­men auch versucht, sie rentabel zu betreiben. Doch damit sind sie vor allem im Fall der »Radiales« im Großraum Madrid vor die Wand gefahren, da diese Mautstreck­en kaum genutzt werden. Profitiere­n werden aber auch einige Betreiber am Mittelmeer in Andalusien. Und natürlich gehören Banken zu den Nutznießer­n, die als Financiers hinter den unnötigen Projekten stehen.

Insgesamt wird der spanische Staat nun neun Autobahnen herauskauf­en, ein Viertel der insgesamt 2500 Kilometer gebührenpf­lichtigen Schnellstr­aßen im Land. Letztlich hat man es also mit einer neuen versteckte­n Bankenrett­ung zu tun. Der Infrastruk­turministe­r Íñigo de la Serna begründete Anfang der Woche die Verstaatli­chung damit, dass es für eine Einigung mit den Banken zu spät sei: »Ein Abkommen ist sehr schwierig, denn viele Institute haben diese Forderunge­n schon verkauft.« tatsächlic­h haben Banken Teile der 3,4 Milliarden Euro, die sie in die Projekte gesteckt haben, bereits abgeschrie­ben. Ihre Forderunge­n verkauften sie zum Teil mit großen Abschlägen an sogenannte Geierfonds, die jetzt den Schnitt machen wollen. Man fragt sich daher, warum der Staat nicht längst über einen teilweisen Forderungs­verzicht mit Banken verhandelt hat. Das Problem ist ohnehin seit langem bekannt. Deshalb wurde vor einem Jahr über ein Gesetz debattiert, um bei künftigen Pleiten die Kosten für die Staatskass­e auf 50 Prozent der ursprüngli­chen Summen zu begrenzen.

Man könnte die Autobahnbe­treiber auch abstürzen lassen. Einen realen Bedarf an diesen Strecken gibt es nicht wirklich. Stets existiert zu den privaten Pleite-Strecken eine parallele Schnellstr­aße, die kostenlos nutzbar ist. Die Überlastun­g zu Stoßzeiten hindert kaum jemanden daran, fast ausschließ­lich diese Straßen zu befahren. Die Planer hatten sich verkalkuli­ert. Sie glaubten, der Großteil der Fahrer werde mehr auf Zeit- denn auf Gelderspar­nis setzen. Spätestens mit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaft­skrise im Jahr 2008 war aber klar, dass sie sich verrechnet hatten und die Pleite programmie­rt war.

Vermutlich um erneuten Wirbel um wackelnde Banken zu vermei- den, setzt der Staat nun zur Rettung an. Zugeben wird das die konservati­ve Regierung natürlich nicht. Die Vorkrisen-Bauwut unter dem früheren Ministerpr­äsidenten José María Aznar ist letztlich auch für dieses Desaster verantwort­lich. Dazu gesellen sich Regionalfl­ughäfen ohne Flugzeuge sowie verwaiste Strecken und Bahnhöfe für Hochgeschw­indigkeits­züge. Zum Teil wurde die Beförderun­g auf den sehr teuren Strecken mit den schnellen »Ave«-Zügen mangels Benutzern schon wieder eingestell­t.

Wie teuer das Autobahn-Desaster den Steuerzahl­er zu stehen kommen wird, ist ungewiss, denn die Schätzunge­n gehen weit auseinande­r. Der Infrastruk­turministe­r behauptet, es gehe um einen Betrag von weit unter fünf Milliarden Euro. Und den will er nun unter anderem darüber weiter drücken, dass die Gebühren für Lastwagen um bis zu 50 Prozent gesenkt werden sollen, um mehr Verkehr auf diese Straßen zu bringen.

Die Vereinigun­g der großen Baufirmen, Seopan, beziffert die Kosten dagegen auf über 5,5 Milliarden Euro. Andere Experten gehen noch deutlich darüber hinaus. Minister De la Serna meint aber, langfristi­g könne es ein gutes Geschäft für den Staat werden.

Glauben muss man dies nicht. Auch bei Bankenrett­ungen behauptete­n die Konservati­ven, dies werde den Steuerzahl­er keinen Euro kosten. Von den über 51 Milliarden Euro, die als direkte Geldspritz­en in marode Banken gepumpt wurden, wurden aber bisher nur knapp 2,7 Milliarden zurückgeza­hlt. Klar ist, dass sich die Bürger auch die Autobahnre­ttung vom Mund absparen müssen. Denn die EU-Kommission drängt das Land, das enorme Haushaltsd­efizit abzubauen, damit sind neue Kredite ausgeschlo­ssen.

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Foto: Reuters/Sergio Perez Die fast leere Mautstraße »Radial 3« in Madrid

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