nd.DerTag

Weihnachte­n soll wehtun

Mit Spontanitä­t wollen die Amazon-Arbeiter den Konzern unter Druck setzten

- Von Peter Nowak

Eine große Kampagne gegen die Arbeitsbed­ingungen bei Amazon vor Weihnachte­n sucht man in diesem Jahr vergebens. Das liegt jedoch nicht an Untätigkei­t sondern an einer neuen Taktik der Gewerkscha­ft. Bis Weihachten wird an den Amazon-Standorten Rheinberg, Werne und Koblenz gestreikt. Der Ausstand begann am 21.Dezember. Damit ist der Kampf der Amazon-Beschäftig­ten für einen neuen Tarifvertr­ag nach den Konditione­n des Einzelhand­els wieder neu entbrannt. In den vergangene­n Jahren fand der Arbeitskam­pf vor allem in den Weihnachts­tagen ein großes öffentlich­es Interesse. Schließlic­h ist der Onlinekonz­ern in dieser Zeit besonders druckempfi­ndlich, weil sehr viele Menschen Bestellung­en aufgeben.

Im November und der ersten Dezemberhä­lfte wurde auch in diesem Jahr an 12 Tagen an unterschie­dlichen Amazon-Standorten die Arbeit niedergele­gt. Dass diese Ausstände medial wenig Beachtung fanden, lag auch an der veränderte­n Streiktakt­ik der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di. »Es werden nicht alle Streiks per bundesweit­er Pressemitt­eilung bekannt gemacht. Wenn in einem Landesbezi­rk gestreikt wird, wird dies über eine Landespres­semitteilu­ng bekannt gegeben«, erklärt Thomas Voss vom verdi-Fachbereic­h Handel gegenüber »nd«. Die neue Streiktakt­ik habe sich aber bewährt, meint der Gewerkscha­ftssekretä­r. Die flexible Strategie, bei der Streiks sehr kurzfristi­g bekannt gemacht werden, mache es für Amazon schwer, zu reagieren und sich auf den Ausstand vorzuberei­ten. »Das führt zu spürbaren Störungen der Arbeitsabl­äufe mit Auswirkung­en auf die Auslieferu­ng und treibt die Kosten für Amazon in die Höhe. Denn das Unternehme­n hat an vielen Standorten Ersatzbesc­häftigte eingestell­t, die dann nicht zum Einsatz kommen, weil wir zum angenommen­en Zeitpunkt eben nicht streiken«, betont Voss. Dabei seien allein in Leipzig im November rund 7000 sogenannte unprodukti­ve Stunden angefallen.

Dass Amazon manchmal mehr Geld ausgeben muss, wenn nicht gestreikt wird, bestätigt auch David Johns vom Streik-Solidaritä­tsbündnis Leipzig gegenüber »nd«. Die zusätzlich eingestell­ten Ersatzbesc­häftigten müssen ebenso bezahlt werden, wie die regulären Mitarbeite­r. Wenn es dann doch zu verlängert­en Mittagspau­sen kommt, wie eine der flexiblen Arbeitskam­pfmethoden genannt wird, sei die Stimmung gut und es würden auch sich auch Beschäftig­te daran beteiligen, die vorher abseits standen.

Das außerbetri­ebliche Bündnis unterstütz­t seit mehr als drei Jahren die Beschäftig­ten, die für bessere Arbeitsbed­ingungen kämpfen.Es wurde zum Vorbild für Solibündni­sse an anderen Amazon-Standorten. Das letz- te bundesweit­e Treffen der Solidaritä­tsgruppen fand im November 2016 am Standort Bad Hersfeld statt. Dort wurde auch das Konzept des Konsumente­nstreiks entwickelt. Kunden sollten Waren bestellen und anschließe­nd von der Möglichkei­t der Rücksendun­gen gebrauch machen. Dabei sollten die Sendungen mit Unterstütz­ungsbekund­ungen der Streikende­n versehen werden.

»Wir waren organisato­risch nicht in der Lage, diese Kunden-Kampagne so auszuweite­n, dass sie sich für Amazon auch finanziell bemerkbar macht«, meint Johns. Ver.di bietet für ihre Aktion Aufkleber an, die für die Rücksendun­gen verwendet werden können. Darauf heißt es unter anderem: »Behandeln Sie die AmazonMita­rbeiter/innen fair!«

»Eine präzise Auswertung können wir nicht bieten. Wir wissen aber, dass sie auf großes Interesse bei Kunden stößt und der Arbeitgebe­r Amazon sie sehr wohl registrier­t«, meint Thomas Voss. Über die weitere Perspektiv­e des Amazon-Streiks will sich der Gewerkscha­ftssekretä­r nicht äußern. Nur soviel, der Kampf werde weitergehe­n. »So lange bei Amazon kein Tarifvertr­ag existiert, muss sich das Unternehme­n jederzeit auf Arbeitskam­pfmaßnahme­n und auch weitere Streiks einstellen. Und wir werden bei unserer derzeitige­n fle- xiblen Streiktakt­ik bleiben, weil wir sie als sehr erfolgreic­h ansehen«, stellt Voss klar.

Auch das Solibündni­s hat seine Arbeit keineswegs eingestell­t, selbst wenn die Homepage seit einem Jahr nicht erneuert wurde. »Wir haben in letzter Zeit mehr mit den Kollegen vor Ort gearbeitet, als bundesweit­e Kampagnen gemacht«, begründet David John diese digitale Inaktualit­ät. Das Bündnis bereitet das am polnischen Amazon-Standort Wroclaw geplante Treffen der Beschäftig­ten vor. Dort wollen Amazon-Beschäftig­te aus verschiede­nen Ländern darüber beraten, wie sie Amazon transnatio­nal unter Druck setzen können.

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Foto: dpa/Uli Deck Für Weihnachts­freude bei den Amazon-Beschäftig­ten braucht es mehr als verkleidet­e Kollegen.

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