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Friede den Hütten

- Hans-Gerd Öfinger will Nestlé trotz guten Sozialplan­s nicht aus der Verantwort­ung entlassen

Den rund 400 Beschäftig­ten des todgeweiht­en Nestlé-Werks in Mainz dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein, als sie am Dienstag die Ergebnisse der Sozialplan­verhandlun­gen erfuhren. Schließlic­h enthalten die vereinbart­en Eckpunkte relativ großzügige Ausgleichs­regelungen für den Arbeitspla­tzverlust. Dass sie den Weltkonzer­n noch einmal zum Einlenken und zur Abkehr von dem Schließung­sbeschluss für das Werk bis Ende 2017 bewegen würden, hatten die Beschäftig­ten ohnehin nicht zu träumen gehofft.

Der Sozialplan sieht die Gründung einer Transferge­sellschaft vor, die ab Januar 2018 alle Beschäftig­ten übernehmen soll, falls sie bis dahin keine neue Anstellung gefunden haben. Dort erhalten alle 85 Prozent des bisherigen Nettolohns, Schwerbehi­nderte sogar 24 Monate lang. Zu den weiteren Kernpunkte­n gehören relativ hohe Abfindunge­n mit Aufschläge­n für unterhalts­pflichtige Kinder und bei Schwerbehi­nderung. Die Höchstsumm­e beträgt 150 000 Euro. Beschäftig­te ab 55 können Altersteil­zeitregelu­ngen in Anspruch nehmen. Wer Arbeit in anderen Nestlé-Werken aufnimmt, muss keinen Lohnverlus­t befürchten. Weitere Eckpunkte sehen Qualifizie­rungsmaßna­hmen vor. »Mit Abstand der beste Sozialplan bei Nestlé«, so die Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende.

Dass sich die Nestlé-Manager zu solchen Regelungen bereit erklärten, ist kein Ausdruck vorweihnac­htlicher Barmherzig­keit der Schweizer Konzernzen­trale. Die Nestlé-Spitze hat keinen Grund, sich als »Wohltäter« von ins Rampenlich­t zu stellen. Sie kann die Zugeständn­isse aus der Portokasse zahlen. Entscheide­nd waren der Druck der Belegschaf­t, öffentlich hörbare Proteste und die unkonventi­onelle Einmischun­g politische­r Akteure. So machte noch am Montag kurz vor der entscheide­nden Verhandlun­gsrunde Prominenz aus der rheinland-pfälzische­n Landespoli­tik in einer Betriebsve­rsammlung mit einem Appell an die »soziale Verantwort­ung« der Konzernlen­ker Druck und trug damit weiter zu einer kämpferisc­hen Stimmung in der Firma bei.

Die Mainzer Nestlé-Beschäftig­ten, die die Hiobsbotsc­haft von der Werksschli­eßung im Frühjahr wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hatte, haben gerade jetzt ein friedliche­s Weihnachts­fest verdient. Frieden stiftet Nestlé mit der willkürlic­hen Stilllegun­g eines profitable­n Werks trotz des Sozialplan­s aber noch lange nicht. Denn das Aus für den Betrieb ist ein weiteres Stück industriel­len Kahlschlag­s und trägt zum gesellscha­ftlichen Unfrieden bei.

Eine rechtliche Handhabe, um Nestlé zur Aufrechter­haltung der Produktion zu zwingen, haben Betriebsra­t und Gewerkscha­ft im real existieren Kapitalism­us nicht. In anderen Kontinente­n, in denen der Konzern mit seiner aggressive­n Geschäftsp­olitik noch negativere Schlagzeil­en produziert hat, können Gewerkscha­ften legal nicht einmal Sozialplän­e erkämpfen. Solange solche Konzerne den Globus beherrsche­n, wird es keinen Frieden auf Erden geben.

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