Friede den Hütten
Den rund 400 Beschäftigten des todgeweihten Nestlé-Werks in Mainz dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein, als sie am Dienstag die Ergebnisse der Sozialplanverhandlungen erfuhren. Schließlich enthalten die vereinbarten Eckpunkte relativ großzügige Ausgleichsregelungen für den Arbeitsplatzverlust. Dass sie den Weltkonzern noch einmal zum Einlenken und zur Abkehr von dem Schließungsbeschluss für das Werk bis Ende 2017 bewegen würden, hatten die Beschäftigten ohnehin nicht zu träumen gehofft.
Der Sozialplan sieht die Gründung einer Transfergesellschaft vor, die ab Januar 2018 alle Beschäftigten übernehmen soll, falls sie bis dahin keine neue Anstellung gefunden haben. Dort erhalten alle 85 Prozent des bisherigen Nettolohns, Schwerbehinderte sogar 24 Monate lang. Zu den weiteren Kernpunkten gehören relativ hohe Abfindungen mit Aufschlägen für unterhaltspflichtige Kinder und bei Schwerbehinderung. Die Höchstsumme beträgt 150 000 Euro. Beschäftigte ab 55 können Altersteilzeitregelungen in Anspruch nehmen. Wer Arbeit in anderen Nestlé-Werken aufnimmt, muss keinen Lohnverlust befürchten. Weitere Eckpunkte sehen Qualifizierungsmaßnahmen vor. »Mit Abstand der beste Sozialplan bei Nestlé«, so die Gesamtbetriebsratsvorsitzende.
Dass sich die Nestlé-Manager zu solchen Regelungen bereit erklärten, ist kein Ausdruck vorweihnachtlicher Barmherzigkeit der Schweizer Konzernzentrale. Die Nestlé-Spitze hat keinen Grund, sich als »Wohltäter« von ins Rampenlicht zu stellen. Sie kann die Zugeständnisse aus der Portokasse zahlen. Entscheidend waren der Druck der Belegschaft, öffentlich hörbare Proteste und die unkonventionelle Einmischung politischer Akteure. So machte noch am Montag kurz vor der entscheidenden Verhandlungsrunde Prominenz aus der rheinland-pfälzischen Landespolitik in einer Betriebsversammlung mit einem Appell an die »soziale Verantwortung« der Konzernlenker Druck und trug damit weiter zu einer kämpferischen Stimmung in der Firma bei.
Die Mainzer Nestlé-Beschäftigten, die die Hiobsbotschaft von der Werksschließung im Frühjahr wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hatte, haben gerade jetzt ein friedliches Weihnachtsfest verdient. Frieden stiftet Nestlé mit der willkürlichen Stilllegung eines profitablen Werks trotz des Sozialplans aber noch lange nicht. Denn das Aus für den Betrieb ist ein weiteres Stück industriellen Kahlschlags und trägt zum gesellschaftlichen Unfrieden bei.
Eine rechtliche Handhabe, um Nestlé zur Aufrechterhaltung der Produktion zu zwingen, haben Betriebsrat und Gewerkschaft im real existieren Kapitalismus nicht. In anderen Kontinenten, in denen der Konzern mit seiner aggressiven Geschäftspolitik noch negativere Schlagzeilen produziert hat, können Gewerkschaften legal nicht einmal Sozialpläne erkämpfen. Solange solche Konzerne den Globus beherrschen, wird es keinen Frieden auf Erden geben.