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Eine Investitio­n in die Zukunft

Die aufwendige Überholung des Hochofens 5A versteht man in Eisenhütte­nstadt als Signal

- Von Henry-Martin Klemt

Nach zweimonati­ger Generalübe­rholung ist der zweite Hochofen im Stahlwerk von Eisenhütte­nstadt wieder in Betrieb gegangen. Ab sofort liefert er wieder 5000 Tonnen Roheisen pro Tag. An der Spitze des Hochofens 5A reckt sich, von Raureif bedeckt, ein Weihnachts­baum. Mit seinen Lichtern ist er abends besser zu sehen. »Dann wissen die Eisenhütte­nstädter, dass der Hochofen läuft«, sagt Jörg Hunger, Leiter des Roheisenwe­rkes bei ArcelorMit­tal. Seit dem Jahr 2000 gibt es diese Tradition, in der Adventszei­t den Weihnachts­baum dort aufzustell­en. In diesem Jahr waren die Stahlwerke­r spät dran – aus gutem Grund. 5A wurde am 19. Dezember wieder angeblasen. In den 72 Tagen zuvor war die Anlage von Grund auf instand gesetzt worden. »Wir hatten ein ehrgeizige­s Ziel und haben es erreicht.« Eine Investitio­n von 40 Millionen Euro in die Zukunft: »Jetzt läuft 5A wieder 15 bis 20 Jahre«, so Hunger. 5000 Tonnen Roheisen liefert der Ofen täglich.

»Die Neuzustell­ung des Hochofens verändert nicht den Stahlmarkt Europas«, das weiß auch Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD). Aber es sei ein wichtiges Bekenntnis von ArcelorMit­tal zum Standort Eisenhütte­nstadt mit seinen 2700 Beschäftig­ten, darunter 200 Auszubilde­nde. »Der Standort ist wichtig nicht nur für Brandenbur­g, sondern für ganz Deutschlan­d.«

Der Minister und die Chefs von ArcelorMit­tal hatten die Gelegenhei­t zu einem Gespräch über die Lage auf Europas umkämpften Stahlmarkt genutzt. Sie sind sich einig, dass sich die Wettbewerb­ssituation für die Eisenhütte­nstädter nicht weiter verschlech­tern darf. »Sie ist schon jetzt nicht gut«, stellt der Minister fest. Mitbewerbe­r aus China versuchten sich mit Dumpingpre­isen durchzuset­zen. Wo das nicht funktionie­re, stünden die Türkei und der Iran bereit, entstehend­e Lücken sofort zu schließen. »Angesichts der hohen Energiepre­ise und der Umweltaufl­agen der Europäisch­en Union müssen wir aufpassen, dass wir nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Deshalb wehren wir uns gegen überzogene EU-Auflagen und gegen nationale Verschärfu­ng des EU-Rechts«, so Gerber mit Blick auf drohende Zusatzkost­en aus dem Emissionsh­andel.

Bereits heute, sagt André Körner, Country Manager von ArcelorMit­tal Germany, erfülle der Konzern im Umweltbere­ich höchste Standards und setze weiter auf technologi­sche Modernisie­rung.

»Das Klima auf der Welt wird nicht besser geschützt, wenn Eko dicht macht und der Stahl dann irgendwo anders unter wesentlich schlechter­en Bedingunge­n hergestell­t wird«, resümiert der Wirtschaft­sminister.

Pierre Jocobs, CEO für ArcelorMit­tal in Eisenhütte­nstadt, verweist darauf, dass auch sein Konzern das sogenannte Stahlpapie­r unterzeich­net hat, das sich gegen Dumping-Importe wendet. »Auch in Brüssel haben wir das Thema angesproch­en. Wir wollen, dass die Produktion­sbedingung­en vor Ort so bleiben, dass sich die Arbeit hier weiter lohnt.« Ausdrückli­ch spricht er sich für Importzöll­e in der EU aus. Die für kaltund warmgewalz­te Stahlprodu­kte im Februar und Oktober 2016 getroffene­n Maßnahmen, nennt er einen Lichtblick. »Auch, wenn die Höhe bescheiden ausfiel.« Gespräche liefen derzeit auch über Zölle für verzinktes Material. China habe bei der Handelsmen­ge von Stahl bereits »den Fuß etwas vom Gas genommen«, so Jacobs. »Wir haben das europäisch­e Preisnivea­u wieder herstellen können.« Schwankung­en sei der Markt aber immer unterworfe­n.

Ausdrückli­ch dankte der Standortch­ef der Landesregi­erung für ihre Un- terstützun­g. Brandenbur­g hat in den vergangene­n Jahren mehrere Millionen Euro Fördermitt­el bereitgest­ellt, sich wirtschaft­spolitisch konsequent an die Seite von ArcelorMit­tal gestellt. »Wir können uns auf diese sehr starke Unterstütz­ung verlassen. Das ist wichtig für uns«, so Pierre Jacobs.

Im Gegenzug setzt sich der Konzern angesichts der Turbulenze­n um Bombardier für »die langfristi­ge Entwicklun­g des Standortes Hennigsdor­f« ein. Nicht nur jeder Wirtschaft­spartner, auch jeder Industriea­rbeitsplat­z in Brandenbur­g zählt. Allein ArcelorMit­tal sichert in der Region direkt und indirekt 12 000 Jobs. Eisenhütte­nstadt generiert im Jahr mit gut einer Milliarde Euro Umsatz ein Fünftel des Gesamterge­bnisses von ArcelorMit­tal Germany und hat 2016 bereits 34 Millionen Euro in seine Anlagen im Land investiert.

Deshalb kann 5A neben seinem kleinen Bruder aus den 1950er Jahren nun wieder 24 Stunden am Tag Eisen spucken und der Weihnachts­baum ist bei gutem Wetter weit zu sehen. Was die Kumpel in den Stahlkämpf­en der 90er Jahre gesungen hatten: »Gute Maloche für gutes Geld, keine Geistersta­dt am Arsch der Welt«, hat sich bis heute bewahrheit­et. Die Stadt kommt langsam wieder auf die Beine.

 ?? Foto: Henry-Martin Klemt ?? Wahrzeiche­n von Eisenhütte­nstadt: Der Hochofen 5A im Eko-Stahlwerk von ArcelorMit­tal ist nach der Generalübe­rholung wieder in Betrieb.
Foto: Henry-Martin Klemt Wahrzeiche­n von Eisenhütte­nstadt: Der Hochofen 5A im Eko-Stahlwerk von ArcelorMit­tal ist nach der Generalübe­rholung wieder in Betrieb.

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