Eine Investition in die Zukunft
Die aufwendige Überholung des Hochofens 5A versteht man in Eisenhüttenstadt als Signal
Nach zweimonatiger Generalüberholung ist der zweite Hochofen im Stahlwerk von Eisenhüttenstadt wieder in Betrieb gegangen. Ab sofort liefert er wieder 5000 Tonnen Roheisen pro Tag. An der Spitze des Hochofens 5A reckt sich, von Raureif bedeckt, ein Weihnachtsbaum. Mit seinen Lichtern ist er abends besser zu sehen. »Dann wissen die Eisenhüttenstädter, dass der Hochofen läuft«, sagt Jörg Hunger, Leiter des Roheisenwerkes bei ArcelorMittal. Seit dem Jahr 2000 gibt es diese Tradition, in der Adventszeit den Weihnachtsbaum dort aufzustellen. In diesem Jahr waren die Stahlwerker spät dran – aus gutem Grund. 5A wurde am 19. Dezember wieder angeblasen. In den 72 Tagen zuvor war die Anlage von Grund auf instand gesetzt worden. »Wir hatten ein ehrgeiziges Ziel und haben es erreicht.« Eine Investition von 40 Millionen Euro in die Zukunft: »Jetzt läuft 5A wieder 15 bis 20 Jahre«, so Hunger. 5000 Tonnen Roheisen liefert der Ofen täglich.
»Die Neuzustellung des Hochofens verändert nicht den Stahlmarkt Europas«, das weiß auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Aber es sei ein wichtiges Bekenntnis von ArcelorMittal zum Standort Eisenhüttenstadt mit seinen 2700 Beschäftigten, darunter 200 Auszubildende. »Der Standort ist wichtig nicht nur für Brandenburg, sondern für ganz Deutschland.«
Der Minister und die Chefs von ArcelorMittal hatten die Gelegenheit zu einem Gespräch über die Lage auf Europas umkämpften Stahlmarkt genutzt. Sie sind sich einig, dass sich die Wettbewerbssituation für die Eisenhüttenstädter nicht weiter verschlechtern darf. »Sie ist schon jetzt nicht gut«, stellt der Minister fest. Mitbewerber aus China versuchten sich mit Dumpingpreisen durchzusetzen. Wo das nicht funktioniere, stünden die Türkei und der Iran bereit, entstehende Lücken sofort zu schließen. »Angesichts der hohen Energiepreise und der Umweltauflagen der Europäischen Union müssen wir aufpassen, dass wir nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Deshalb wehren wir uns gegen überzogene EU-Auflagen und gegen nationale Verschärfung des EU-Rechts«, so Gerber mit Blick auf drohende Zusatzkosten aus dem Emissionshandel.
Bereits heute, sagt André Körner, Country Manager von ArcelorMittal Germany, erfülle der Konzern im Umweltbereich höchste Standards und setze weiter auf technologische Modernisierung.
»Das Klima auf der Welt wird nicht besser geschützt, wenn Eko dicht macht und der Stahl dann irgendwo anders unter wesentlich schlechteren Bedingungen hergestellt wird«, resümiert der Wirtschaftsminister.
Pierre Jocobs, CEO für ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt, verweist darauf, dass auch sein Konzern das sogenannte Stahlpapier unterzeichnet hat, das sich gegen Dumping-Importe wendet. »Auch in Brüssel haben wir das Thema angesprochen. Wir wollen, dass die Produktionsbedingungen vor Ort so bleiben, dass sich die Arbeit hier weiter lohnt.« Ausdrücklich spricht er sich für Importzölle in der EU aus. Die für kaltund warmgewalzte Stahlprodukte im Februar und Oktober 2016 getroffenen Maßnahmen, nennt er einen Lichtblick. »Auch, wenn die Höhe bescheiden ausfiel.« Gespräche liefen derzeit auch über Zölle für verzinktes Material. China habe bei der Handelsmenge von Stahl bereits »den Fuß etwas vom Gas genommen«, so Jacobs. »Wir haben das europäische Preisniveau wieder herstellen können.« Schwankungen sei der Markt aber immer unterworfen.
Ausdrücklich dankte der Standortchef der Landesregierung für ihre Un- terstützung. Brandenburg hat in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Euro Fördermittel bereitgestellt, sich wirtschaftspolitisch konsequent an die Seite von ArcelorMittal gestellt. »Wir können uns auf diese sehr starke Unterstützung verlassen. Das ist wichtig für uns«, so Pierre Jacobs.
Im Gegenzug setzt sich der Konzern angesichts der Turbulenzen um Bombardier für »die langfristige Entwicklung des Standortes Hennigsdorf« ein. Nicht nur jeder Wirtschaftspartner, auch jeder Industriearbeitsplatz in Brandenburg zählt. Allein ArcelorMittal sichert in der Region direkt und indirekt 12 000 Jobs. Eisenhüttenstadt generiert im Jahr mit gut einer Milliarde Euro Umsatz ein Fünftel des Gesamtergebnisses von ArcelorMittal Germany und hat 2016 bereits 34 Millionen Euro in seine Anlagen im Land investiert.
Deshalb kann 5A neben seinem kleinen Bruder aus den 1950er Jahren nun wieder 24 Stunden am Tag Eisen spucken und der Weihnachtsbaum ist bei gutem Wetter weit zu sehen. Was die Kumpel in den Stahlkämpfen der 90er Jahre gesungen hatten: »Gute Maloche für gutes Geld, keine Geisterstadt am Arsch der Welt«, hat sich bis heute bewahrheitet. Die Stadt kommt langsam wieder auf die Beine.