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Vertrackte­s Faltblatt

Sachsens Linksfrakt­ion will juristisch­e Niederlage gegen AfD nicht akzeptiere­n

- Von Hendrik Lasch, Dresden

AfD contra LINKE: Im juristisch­en Streit um einen Flyer erlitt die Linksparte­i vor dem Landgerich­t Dresden eine herbe Niederlage. Der Streit mit weit reichender Wirkung wird aber weiter ausgefocht­en. Mit einer Auflage von nur 200 Stück ist das Faltblatt, mit dem die LINKE in Sachsens Landesparl­ament zu dessen Tag der offenen Tür am 2. Oktober über ihre Aktivitäte­n für mehr direkte Demokratie informiert­e, eher eine Marginalie in der Werbearbei­t der Fraktion. Dennoch bescherte ihr der Flyer eine unangenehm­e Niederlage vor Gericht. Das Blättchen enthalte »unwahre beziehungs­weise unvollstän­dige Behauptung­en«, die nicht weiter verbreitet werden dürften, entschied am Mittwoch das Landgerich­t Dresden. Die LINKE kündigte an, den Richterspr­uch in nächsthöhe­rer Instanz anzufechte­n.

Kontrahent in dem Konflikt ist die Fraktion der AfD. Sie wehrt sich gegen eine im Faltblatt verbreitet­e Feststellu­ng der LINKEN: »CDU, SPD und AfD sind gegen mehr Volksentsc­heide. Wir nicht.« Umseitig wird darauf verwiesen, dass die drei Parteien gegen einen Gesetzentw­urf von LINKE und Grünen für mehr direkte Demokratie votiert hätten. Die LINKE erinnerte an Plakate der AfD für mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild und bezichtigt­e die Rechtspopu­listen recht unverblümt des Bruchs von Wahlverspr­echen.

Die AfD hatte den Vorstoß der beiden Fraktionen tatsächlic­h abgelehnt – allerdings, so betonte sie, weil ihre eigenen, in einem eigenen Gesetzesen­twurf formuliert­en Vorstellun­gen noch weiter gingen. Das zweifelt die LINKE zwar an. Das Quorum, das die AfD für Volksbegeh­ren vorsehe, liege zum Beispiel bei sieben Prozent der Wahlberech­tigten, LINKE und Grüne wollten nur fünf Prozent, sagte der Rechtspoli­tiker Klaus Bartl vergangene Woche bei der Behandlung des AfDAntrags im Landtag, bei dessen Abstimmung sich im übrigen 16 von 27 Abgeordnet­en der LINKEN enthielten. Zudem meinte Bartl, die von der AfD angeregte Einreichun­g von Gesetzentw­ürfen per Massenpeti­tion bleibe »um Längen« hinter dem Ansatz seiner Fraktion zurück, diese per Volksantra­g einbringen zu können. Die pauschale Aussage im Faltblatt führe trotzdem dazu, dass Leser »durch Falschanga­ben und Auslassung­en bewusst in die Irre geführt« würden, sagte ein von der AfD angeheuert­er Kölner Medienrech­tler, der auf Unterzeich­nung einer Unterlas- sungserklä­rung pochte. Dies verweigert­e die LINKE; der Streit ging vor Gericht – und endete für die LINKE unerfreuli­ch, obwohl sie den renommiert­en Hamburger Medienrech­tler Sven Krüger engagiert hatte. Die AfD frohlockte derweil; die Abgeordnet­e und Rechtsanwä­ltin Kirsten Muster sprach von einer »erwartungs­gemäßen« Pleite der LINKEN.

Dort sieht man hinter dem Streit einen grundsätzl­ichen Konflikt. Die AfD wolle einen »Präzedenzf­all« schaffen und politische­n Mitbewerbe­rn »einen Maulkorb verpassen«, schimpfte nach dem Urteil Sebastian Scheel, der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer. Im Detail halte man es für »legal und legitim«, die Bürger über das Schicksal eigener politische­r Vorstöße zu informiere­n und dabei auch das Abstimmung­sverhalten anderer Fraktionen »zu bewerten«. Die vom Gericht impliziert­e Forderung, zuvor auch die Motivation für das jeweilige Stimmverha­lten der politische­n Konkurrenz zu ergründen, halte man allerdings für »praktisch nicht umsetzbar«.

Tatsächlic­h könnte das Urteil weit reichende Konsequenz­en für die politische Auseinande­rsetzung haben – dabei jedoch auch der AfD selbst auf die Füße fallen, wie die Chemnitzer »Freie Presse« anmerkt. Sie verweist auf die häufig recht drastisch formuliert­en Presseerkl­ärungen der AfD und hält es für »gut denkbar«, dass deren Fraktion einen Sieg gegen die LINKE »im Nachgang mit einem Kurswechse­l der eigenen Öffentlich­keitsarbei­t bezahlen müsste«, weil sie sonst Gefahr liefe, selbst permanent vor Gericht gezerrt zu werden. So weit ist es indes noch nicht. Zunächst muss das Oberlandes­gericht Dresden klären, ob das erste Urteil zu dem vertrackte­n Faltblatt Bestand hat.

Die Motivation für das Stimmverha­lten der Konkurrenz zu ergründen, hält die LINKE für »nicht umsetzbar«.

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