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Storm-Stadt Husum hat ein Frauenprob­lem

Gericht fordert Umsetzung des Gleichstel­lungsgeset­zes

- Von Dieter Hanisch, Schleswig

Das Gleichstel­lungsgeset­z in Schleswig-Holstein soll die Abbildung der Bevölkerun­gsparität sichern – und nicht die von Mehrheiten oder irgendeine­m Proporz in gewählten politische­n Gremien. Das hat das Verwaltung­sgericht in Schleswig aus Anlass eines kommunalen Streits in Husum (Kreis Nordfriesl­and) nun noch einmal herausgest­ellt.

Das Gesetz gibt es seit 1994, genauso lange wird allerdings kontinuier­lich gegen den darin enthaltene­n Paragrafen 15 und die vorgeschri­ebene Frauenquot­e von 50 Prozent verstoßen. Nach über 20 Jahren wurde ein Verstoß gegen die kommunale Frauenquot­e nun aber erstmals Gegenstand vor Gericht. Die Hauptprota­gonisten des aktuellen Streits kommen dabei aus Husum und sind Männer. In der Geburtssta­dt von Theodor Storm betreiben Bürgermeis­ter Uwe Schmitz (parteilos) und Bürgervors­teher Uwe Empen (SPD) eigentlich weitgehend einvernehm­lich Kommunalpo­litik. Im Schleswige­r Gericht saßen beide mit ihren Rechtsbeis­tänden als Widersache­r vor dem vorsitzend­en Richter der 6. Kammer, Dr. Hartwig Martensen – Schmitz als beklagter Verwaltung­schef, Empen als klagender Vertreter der Stadtvertr­etung.

Der Grund: Die Stadt Husum besetzt im neunköpfig­en Aufsichtsr­at der Tourismus- und Marketing GmbH fünf Plätze. Bei der 2015 anstehende­n Neubesetzu­ng dieser Plätze benannte das Stadtparla­ment vier Männer und eine Frau aus den drei stärksten Fraktionen CDU, SPD und Wählergeme­inschaft für das Gremium. Dagegen intervenie­rte der Bürgermeis­ter unter Hinweis auf das Gleichstel­lungsgeset­z und holte sich dabei die Rückendeck­ung der Kommunalau­fsicht aus dem Kieler Innenminis­terium. Das Nein des Verwaltung­schefs in dieser Frage führte schließlic­h zur Klage gegen ihn.

Der Verstoß gegen das Gleichstel­lungsgeset­z wurde quasi sehenden Auges in Kauf genommen, denn zwei Frauen von Bündnis 90/Grüne hatten sich bereit erklärt, für den Aufsichtsr­at zur Verfügung zu stehen – nur hätte deren Benennung eben nicht den Stärke-Proporz der Fraktionen widergespi­egelt. Darauf komme es aber eben gar nicht an, stellte das Verwaltung­sgericht klar. Die juristisch­e Frage, wie exakt zu verfahren ist, wenn nicht genügend Frauen bereit stehen, bleibt zunächst noch einmal unbeantwor­tet. Gerade wegen solcher Beispiele in der Praxis bezeichnen Kritiker das Gesetz als untauglich. Aber viele Stadtparla­mentarier wehren sich auch dagegen, weil sie die vorgeschri­ebene Quote als einen Eingriff in die kommunale Selbstverw­altung betrachten.

Schleswig-Holsteins Gleichstel­lungsminis­terin Kristin Alheit (SPD) begrüßte das Schleswige­r Urteil genau wie Britta Rudolph, Gleichstel­lungsbeauf­tragte in Husum. Die dortige Stadtveror­dnetenvers­ammlung muss nun die fünf zu besetzende­n Posten des Aufsichtsr­ats neu wählen – es sei denn, die juristisch­e Auseinande­rsetzung geht in die nächste Instanz zum Oberverwal­tungsgeric­ht. Ob die unterlegen­e Seite das anstrebt, wollte sie unmittelba­r nach der Verhandlun­g noch nicht sagen.

Die Umsetzung der Frauenquot­e über das besagte Gleichstel­lungsgeset­z lässt in SchleswigH­olstein aber gleichwohl noch reichlich Spielraum nach oben. In etlichen Kreisen und kreisfreie­n Städten liegt die Erfüllung der gesetzlich­en Vorgabe bei der Besetzung von Aufsichtsr­äten – beispielsw­eise bei Energiever­sorgern oder Krankenhäu­sern – gerade einmal bei ungefähr 30 Prozent, mancherort­s auch weit darunter.

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