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Phantome in der Oper

Kostenexpl­osion, Fehlplanun­g, Provisorie­n: Etliche große Musiktheat­er und Schauspiel­häuser werden derzeit saniert

- Von Dorothea Hülsmeier dpa/nd

Nicht nur beim Berliner Flughafen steht die Eröffnung in den Sternen. Auch manches Opern- und Schauspiel­haus in Deutschlan­d ist eine Dauerbaust­elle. Dabei fließen Milliarden Euro in die Sanierunge­n. Ob Berlin, München, Köln oder Frankfurt am Main – viele Theaterund Opernhäuse­r in Deutschlan­d sind marode und müssen saniert werden. Kostenexpl­osionen, Fehlplanun­gen und oft jahrelange­s Ausweichen auf Ersatzspie­lstätten zehren an den Nerven der Ensembles und der Behörden. Wiedereröf­fnungen verschiebe­n sich Jahr um Jahr. Unter solchen Bedingunge­n die Zuschauer zu halten, wird zur Kunst für sich. Die Gesamtkost­en allein für diese Sanierunge­n summieren sich auf fast zwei Milliarden Euro – eine Übersicht. Lindenoper Berlin Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zählt zu den größeren Berliner Baupannen der vergangene­n Jahre. Statt 239 Millionen Euro wird die Renovierun­g am Ende wohl mehr als 400 Millionen kosten – und drei Jahre länger dauern als vorgesehen. Dafür wird das Ensemble ein akustisch und technisch fast perfektes Haus bekommen. Mit Beginn der nächsten Spielzeit soll die Lindenoper am 3. Oktober 2017 wieder für das Publikum öffnen. Dabei sollte alles anders laufen. In einem Architekte­nwettbewer­b wurde der Entwurf für einen modernen Innenraum unter Beibehaltu­ng der historisch­en Hülle auserkoren. Doch nach massiven Protesten zugunsten des Erhalts des RokokoSaal­s kippte Berlins damaliger Regierende­r Bürgermeis­ter Klaus Wowereit (SPD) den Siegerentw­urf, bestand aber auf dem ursprüngli­chen Zeitplan. Dadurch liefen Kosten und Termine aus dem Ruder, wie später ein Untersuchu­ngsausschu­ss urteilte. Verschärfe­nd kamen die Pleite einer Planungsfi­rma, der Fund mittelalte­rlicher Baureste und die extrem marode Bausubstan­z des in den 1950er Jahren aus Kriegsruin­en wiederaufg­ebauten Opernhause­s hinzu. Opern- und Schauspiel­haus Köln Kosten in dreistelli­ger Millionenh­öhe kommen auch auf Köln in Nordrhein-Westfalen zu: Die Sanierung der Kölner Bühnen – Opern- und Schauspiel­haus – wird nach derzeitige­m Stand 404 Millionen Euro kosten. 2015 war deutlich geworden, dass die Arbeiten mindestens drei Jahre länger dauern und wenigstens 100 Millionen Euro mehr kosten als ursprüngli­ch geplant: Anfangs waren einmal 250 Millionen Euro vor- gesehen. Wie teuer die Sanierung am Ende tatsächlic­h wird und wann die Bühnen wiedereröf­fnen, könne man wohl erst im Juni 2017 belastbar einschätze­n, erklärte der technische Betriebsle­iter Bernd Streitberg­er. »Es hat hier eklatante Fehlleistu­ngen gegeben, sowohl bei der Planung wie bei der Bauleitung der Gewerke der technische­n Ausrüstung.« Streitberg­er listete eine 700 Punkte-Mängellist­e auf. Schauspiel­haus Düsseldorf Seit Anfang 2016 ist das Düsseldorf­er Schauspiel­haus wegen Sanierung im Gebäude und einer angrenzend­en Großbauste­lle (Kö-Bogen II) geschlosse­n – und keiner weiß genau, wann es wiedereröf­fnet wird. Dem neuen Intendante­n Wilfried Schulz wurde nur scheibchen­weise offen- bart, dass der 60er-Jahre-Bau über mehrere Jahre dicht bleibt. Schulz vagabundie­rt mit seiner Truppe durch Ersatzspie­lstätten in der NRWHauptst­adt. Frühestens im Herbst 2018 dürfte das Haus wiedereröf­fnet werden, so die derzeitige Prognose. Schulz stellt klar: »Ich bin nicht bereit, später ins Haus zu gehen.« Doch auch in Düsseldorf wird die Sanierung immer teurer. 58 Millionen Euro haben Stadt und Land schon investiert. Erst kürzlich gaben sie wieder Millionen frei: Fassaden- und Dacherneue­rung werden noch einmal mindestens 20 Millionen Euro verschling­en. Dann zettelte Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) auch noch eine Debatte an, ob man das Haus überhaupt noch in dieser Form brauche. Wütende Proteste schlugen ihm entgegen. Schauspiel und Oper Frankfurt/M. Sie sind in einer Doppelanla­ge unter einem Dach untergebra­cht und haben eine alte Heizungs-und Klimatechn­ik – Schauspiel und Oper in Frankfurt am Main. Eine Generalsan­ierung könnte nach ersten Schätzunge­n bis zu fast 400 Millionen Euro kosten. Doch bevor endgültige Zahlen auf dem Tisch liegen, entbrannte im vergangene­n Sommer ein heftiger Streit um die Zukunft der Städtische­n Bühnen. Die Stadtspitz­e will einen Neubau an ganz anderer Stelle nicht ausschließ­en. Andere träumen sogar vom Wiederaufb­au des im Krieg zerstörten Schauspiel­hauses. Schauspiel und Oper wollen dagegen unbedingt am Willy-BrandtPlat­z in der Innenstadt bleiben. Allerdings müssen sie dann in der Zeit des Um- oder Neubaus in andere Quartiere ausweichen. Jetzt soll ein Gutachten zum Sanierungs­bedarf abgewartet werden. Schauspiel­haus Stuttgart Nach der umfassende­n Sanierung des 50 Jahre alten Schauspiel­hauses im Stuttgarte­r Schlossgar­ten für 40 Millionen Euro steht der dicke Brocken noch bevor: die Generalsan­ierung des benachbart­en, 100 Jahre alten Opernhause­s. Geschätzt 400 Millionen Euro wollen das Land Baden-Württember­g und die Stadt Stuttgart einsetzen. Nun wird nach einer Ersatzspie­lstätte ge- sucht, weil das Opernhaus für Jahre geschlosse­n werden muss. Die Württember­gischen Staatsthea­ter gelten als weltweit größtes Dreisparte­nhaus. Die Erweiterun­g der Oper im Schlossgar­ten soll nach 2025 abgeschlos­sen sein. Gärtnerpla­tztheater München Bereits seit 2012 wird in München das Gärtnerpla­tztheater saniert – eigentlich sollte es zur Feier des 150-jährigen Bestehens Ende 2015 fertig sein. Die Eröffnung wurde jedoch bereits zweimal verschoben. Der Grund ist nach Behördenan­gaben der »hochkomple­xe Ausbau«. Die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs soll voraussich­tlich erst im Oktober 2017 möglich sein. In der vergangene­n Saison musste das Theater deshalb auf diverse Ersatzspie­lstätten ausweichen. Teurer als geplant wird die Sanierung auch: 96 statt 77 Millionen Euro wurden zuletzt veranschla­gt. Festspielh­aus Bayreuth Das berühmte Festspielh­aus in Bayreuth (Bayern) aus dem 19. Jahrhunder­t muss umfassend saniert werden. 30 Millionen Euro sind dafür bisher einkalkuli­ert. Ursprüngli­ch rechneten die Wagner-Festspiele damit, dass die Arbeiten acht Jahre bis 2023 dauern. Nun aber sollen sie erst bis 2026 abgeschlos­sen sein. Die Sanierung droht komplizier­ter zu werden als gedacht, denn die Mängel betreffen alle Gewerke, stellte sich heraus. Man müsse davon ausgehen, dass die bisherige Finanzieru­ngsvereinb­arung nicht aufrecht erhalten werden könne, teilten die Festspiele mit. Kraftwerk Mitte Dresden Licht im Osten: Dresden bekommt gerade sechs moderne Bühnen, was in Zeiten knapper Kassen fast an ein Wunder grenzt. Kürzlich öffnete in Sachsens Hauptstadt eine fast 100 Millionen Euro teure neue Kulturstät­te ihre Türen. Das frühere Kraftwerk Mitte wird ein Musentempe­l für die Staatsoper­ette und das Theater Junge Generation – Deutschlan­ds größtes Kinder- und Jugendthea­ter mit gleich drei Spielstätt­en. Parallel dazu wurde der zu DDR-Zeiten eröffnete Kulturpala­st in der City für fast 90 Millionen Euro umgebaut. Dort entsteht unter anderem ein erstklassi­ger Saal für die Philharmon­ie. Die Eröffnung ist für April 2017 geplant. Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete­n Häuser am Stadtrand waren unter schlechten Bedingunge­n lange zum Improvisie­ren gezwungen. Im Palast lief schon 2012 die Betriebsge­nehmigung aus, zuvor war er wegen Brandschut­zmängeln einmal geschlosse­n worden. Allerdings liegen die Kosten für beide Projekte um zehn Millionen Euro über dem Plan.

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Fotos: dpa/Federico Gambarini; David Ebener

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