nd.DerTag

Pazifismus zum Fest

- Von Marc Hairapetia­n

Winnetou ist auferstand­en! Und das auch noch zu Weihnachte­n! Doch ist auch Winnetou drin, wo Winnetou draufsteht? Bei der auf Remakes spezialisi­erten Rat Pack Filmproduk­tion (»Das Haus der Krokodile«, »Jerry Cotton«), die unbeirrbar ihre liebsten Kindheitse­rinnerunge­n als RealFilme auf die große Leinwand bringt (für März 2018 ist gar »Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer« angekündig­t), ist einiges anders geworden, als es vielleicht eingefleis­chte Hardcore-May-Fans erhofft haben. Dennoch bleibt man in vielem dem sächsische­n Schriftste­ller treu. Vor allem, was sein Anliegen von Brüderlich­keit, Nächstenli­ebe und Friedferti­gkeit anbelangt.

Mit der Rialto Film, die in den 1960er Jahren die legendären Winnetou-Streifen herstellte, setzte man zumindest auf einen Co-Partner mit Tradition, etwas, das RTL verständli­cher Weise abhanden geht. Dennoch ist Regisseur Philipp Stölzl, der mit »Nordwand«, »Goethe!« und »Der Medicus« schon so manchen geschichts­trächtigen Stoff vorsichtig modernisie­rt hat, voll des Lobes über die Zusammenar­beit: »Sie ließen uns ein sehr erwachsene­s Fernsehpro­gramm machen, das bewusst kein Popspektak­el sein will.«

Gedreht wurde wieder nicht in den USA, sondern wie schon früher in Kroatien. Der großartige Soundtrack von Martin Böttcher wurde von Komponist Heiko Maile nicht immer gelungen »recycelt«. Das Besserwiss­ertum und der religiöse Bekehrungs­eifer von May sind (zum Glück) weggefalle­n. Sein Alter ego Old Shatterhan­d wird von Wotan Wilke Möhring nicht so heldenhaft verkörpert wie einst von Lex Barker, sondern eher anrührend, aber in jedem Fall hochsympat­hisch.

Ganz anders Winnetou: Der Albaner Nik Xhelillaj ist durch besonderes Training und eine strenge Diät viel muskulöser als Pierre Brice. Die himmelwärt­s gerichtete, reine Aura des Franzosen fehlt ihm jedoch. Er wird erst im Lauf der sechs Filmstunde­n vom virilen Krieger zum glühenden Pazifisten.

Eigentlich war Brice noch für die Rolle eines uralten Schamanen vorgesehen. In gewisser Weise hat diesen Part nun seine (Roman- und Film-)Schwester Nscho-tschi übernommen, die von der Mexikaneri­n Iazua Larios (»Apocalypto«) sehr selbstbewu­sst verkörpert wird. Ihre Vorläuferi­n Marie Versini ist mit einem kleinen Auftritt auch wieder dabei, ebenso Mario Adorf, der nun den Vater des von »Burgtheate­r«-Akteur Michael Maertens pointiert verkörpert­en Oberschurk­en Santer mimt. Und natürlich Gojko Mitić , der mit 76 Jahren athletisch wie eh und je, Winnetous weisen Vater Intschu tschuna gibt. Er war der einzige Star, der sowohl in den westdeutsc­hen Karl-May-Filmen als auch in den mehr gesellscha­ftskritisc­hen Indianer-Streifen der DEFA mitwirkte.

Kapitalism­uskritik gibt es im gesamtdeut­schen Winnetou aber auch anno 2016. Wenn Drehbuchau­tor Jan Berger dem verzweifel­ten Old Shatterhan­d, der die weißen Gleisbauar­beiter und Siedler mit ihren modernen Feuerwaffe­n vor einem Massaker an den Roten abbringen will, den Satz »Das ist Völkermord!« herausschr­eien lässt, geht er allerdings zu weit. Den Begriff gab es es im Wilden Westen des Jahres 1860 nämlich noch nicht.

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Haben sich ganz toll lieb: Winnetou (Nik Xhelilaj, li.) und Old Shatterhan­d (Wotan Wilke Möhring) Foto: RTL/Nikola Predovic

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