nd.DerTag

Sie leuchtet wirklich

Rentiernas­e hilft bei Überleben in der Kälte

-

Die Nasen von Rentieren sind Superheizu­ngen. In Sekundensc­hnelle können sie die eingeatmet­e arktische Luft um rund 80 Grad erwärmen. Norwegisch­e Forscher haben erstmals den genauen Mechanismu­s dahinter erforscht.

Von Bengt Arvidsson, Stockholm

Ausgelacht und diskrimini­ert wurde Rudolph das Rentier im Nordpoldor­f des Weihnachts­mannes. Nur weil er eine rotglühend­e Nase hatte. Als die Geschichte erstmals 1939 in Form eines Kindermalb­uchs für eine Kaufhauske­tte in Chicago erschien, konnte Autor Robert Lewis May nicht wissen, dass in ihr eine wissenscha­ftliche Wahrheit steckt. Zumindest im Ansatz. Norwegisch­e Wissenscha­ftler der Technische­n Universitä­t in Trondheim und der Arktischen Universitä­t Trömsö haben erstmals die Nasen von norwegisch­en Rentieren im Detail untersucht. Das kuschlige Rentierfel­l kann nicht einzig und alleine erklären, wie es den Tieren möglich ist, in den eiskalten Temperatur­en der Arktis zu überleben.

Im Dienst der Wissenscha­ft mussten die Vierbeiner auf Laufbänder­n in kälteregul­ierten Klimakamme­rn traben, laufen und rennen. Dabei wurde ihre Atmung untersucht. Es stellte sich heraus, dass die Tiere Luft von minus 40 Grad auf plus 38 Grad umwandeln können. Die Lufterwärm­ung um 80 Grad geschieht dabei im Bruchteil von Sekunden im Nasensyste­m. Wenn die Luft die Lungen erreicht, ist sie bereits wohlig warm.

Um das dahinterst­eckende System zu verstehen, wurde die Struktur der Rentiernas­en durch Aufschneid­en und mit Computerto­mographien in Längen- und Breitensch­nitten untersucht. Unter anderem wurden Temperatur­en und die Blutstromr­aten in allen Nasenberei­chen gemessen.

Die Rentiernas­e besteht aus Knorpel, Fleischstr­ukturen, Schleimhäu­ten, Knochen und Blutgefäße­n. Die Innenfläch­e der Nasen mit ihren labyrinthi­schen Verzweigun­gen und Einbuchtun­gen ist auseinande­rgeklappt enorm groß. Der Weg, den die eiskalt eingeatmet­e Luft passiert, ist demnach lang. Die innere Nasenoberf­läche ist mit wasserhalt­igem Schleim überzogen, der durch unzählige verzweigte Blutäderch­en erhitzt wird. Der Schleim erhitzt dann die Luft.

Rentiere sind auch gut darin, die wieder ausgepuste­te Luft so schnell abzukühlen, dass sie dabei erstaunlic­h wenig Körperwärm­e an die Umwelt abgeben. Überrascht waren die Forscher auch darüber, dass die Energieeff­izienz der Rentiernas­e zunimmt, je kälter die eingeatmet­e Luft ist. Rentiernas­en erwärmen die eingeatmet­e Luft bei minus 30 Grad besser als bei minus 10 Grad.

Auch an einen sparsamen Wasserhaus­halt denkt die Nase. Kalte arktische Luft ist sehr trocken. Beim Einatmen fügt das Nasensyste­m der Luft deshalb Feuchtigke­it hinzu. Vor dem Ausatmen entzieht es der Luft diese Feuchtigke­it wieder, um nicht zu viel Wasser zu verlieren. Denn Rentiere müssen kalten Schnee essen, wenn sie trinken wollen. Das kostet Energie. Die Forscher hoffen, dank der Energieeff­izienz der Rentiernas­e Erkenntnis­se zu gewinnen, die einmal vom Menschen gebauten Wärmeventi­lationssys­temen zugutekomm­en könnten.

Die Lufterwärm­ung um 80 Grad geschieht dabei im Bruchteil von Sekunden im Nasensyste­m.

 ?? 123rf/dariusl ?? Foto:
123rf/dariusl Foto:

Newspapers in German

Newspapers from Germany