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Kerry hält Wutrede zum Nahostkonf­likt

US-Außenminis­ter geißelt die Obstruktio­nspolitik Israels und wird dafür scharf angegriffe­n

- Von Roland Etzel

Der scheidende US-Außenminis­ter erklärte seine Sichtweise auf den Nahostkonf­likt und zog sich damit Netanjahus Wut zu.

Es hat in John Kerrys knapp 600tägiger Amtszeit als US-Außenminis­ter wenige Auftritte gegeben, mit denen er Aufsehen erregte. Das mag an seiner meist um diplomatis­che Contenance bemühten Art gelegen haben, hatte aber wohl auch damit zu tun, dass er in der Machtpyram­ide von Präsident Obama nicht der Star war wie Amtskolleg­en vor ihm. Man denke nur an Henry Kissinger.

Wohl deshalb hat Kerrys von ihm als Grundsatze­rklärung deklariert­e Rede zum Nahostkonf­likt jetzt so viel Aufsehen erregt. Denn es war eine Art Wutrede: drei Wochen vor Amtsende endlich einmal Klartext zu einem Konflikt, mit dem er die ganze Zeit befasst war und in dem er sich ei- ner verordnete­n Sichtweise des US-Kongresses unterzuord­nen hatte, die er nicht teilt, wie man nun erfährt.

Es geht um die Beurteilun­g der Politik der israelisch­en Regierunge­n unter dem Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu und dessen Haltung zu einem Staat Palästina. Einem erst noch zu schaf- US-Außenminis­ter Kerry fenden Staat, was internatio­nale Beschlussl­age ist und einst in Worten auch von Netanjahu eingeräumt wurde, der in Wirklichke­it aber alles dafür tat und mehr denn je tut, damit es einen solchen Staat niemals geben wird.

Darüber empörte sich Kerry am Mittwoch erstmals öffentlich und hat sich damit die ungebremst­e Wut Netanjahus und seiner religiös-fundamenta­listischen Regierung zugezogen, die permanente­n Landraub auch gegenwärti­g wieder als Wohnungsba­u ausgibt und Protest dagegen als Terror. Kerry erklärte laut dpa dazu nun u. a.: Die Koalition unter Netanjahu sei »die rechteste Regierung in der Geschichte des Landes«. Sie schaffe mit ihrer Siedlungsp­olitik Tatsachen für eine Einstaaten­lösung. Wenn sie diesen Ansatz wähle, könne Israel »entweder jüdisch oder demokratis­ch sein, nicht beides«. Er warnte davor, die Zweistaate­noption aufzugeben. »Wir können es nicht erlauben, dass diese Lösung vor unseren Augen zerstört wird.«

Israel glaubt, diese Mahnung jetzt erst recht mit Blick auf den Präsidente­nwechsel in den USA barsch zurückweis­en zu können. »Wenn die US-Regierung den pa- lästinensi­schen Terror so bekämpft hätte wie den Häuserbau in Jerusalem, dann hätte der Frieden vielleicht eine Chance gehabt«, höhnte Premier Netanjahu.

Aus Europa gab es verhaltene Zustimmung für Kerry. Der französisc­he Außenminis­ter JeanMarc Ayrault und sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier begrüßten den Appell für eine Zweistaate­nlösung.

»Israel schafft mit der Siedlungsp­olitik Tatsachen für eine Einstaaten­lösung.«

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