nd.DerTag

Kabinett der Saboteure

Der künftige US-Präsident ernennt Leute zu Ministern, die von ihren Aufgaben nicht viel halten

- Von Max Böhnel, New York

»Amerika zuerst«: Trumps designiert­es Rechtsauße­n-Kabinett ist eine Mischung aus Milliardär­en, Militärs, Religionsk­riegern und Traditiona­listen. Der gewählte US-Präsident Donald Trump, der am 20. Januar den Amtseid leisten soll, hat sein Wunschkabi­nett weitgehend bestückt. Am Dienstag ernannte Trump seinen Anwalt und Berater Jason Greenblatt zum Sonderbeau­ftragten für internatio­nale Verhandlun­gen. Greenblatt sei einer seiner engsten und meistvertr­auten Berater, so Trump. Die designiert­en Minister müssen zwar noch vom Senat bestätigt werden. Da in den beiden Kammern des USA-Kongresses die Republikan­er die Mehrheit haben, kann die Minderheit­soppositio­n der Demokraten mit einem eigenständ­igen Veto keinen Amtsantrit­t verhindern. Allein übergreife­nden Mehrheiten unter Einschluss von Republikan­ern wäre dies möglich. Um das zu verhindern und ein »Durchregie­ren« von Anfang an sicher zu stellen, verlässt sich Trump auf seinen Einpeitsch­er, den rechtsextr­emen Chefberate­r Steve Bannon. Laut Presseberi­chten herrscht bei den Republikan­ern im Kongress bereits Furcht.

Wohin die Reise der USA unter Präsident Trump in der Innen-, Wirt- schafts-, und Sozialpoli­tik geht, wurde nach den Wahlen schnell deutlich: Steuererle­ichterunge­n für Großuntern­ehmen und Reiche, sozialer Kahlschlag durch Deregulier­ung sowie Forcierung eines autoritäre­n Überwachun­gs- und Polizeista­ats. Die Minister für Handel (Wilbur Ross) und Finanzen (Steven Mnuchin) werden in leitenden und stellvertr­etenden Funktionen ehemalige Banker und Hedgefonds-Manager übernehmen. Der designiert­e Minister für Energie, Rick Perry, wollte das Amt, für das er nun vorgesehen ist, vor vier Jahren noch abschaffen. Elisabeth »Betsy« DeVos, für das Bildungsmi­nisterium vorgesehen, ist Milliardär­in und hält nichts von öffentlich­en Schulen. Der designiert­e Chef der Umweltbehö­rde, Scott Pruitt, ist ein radikaler Gegner des Umweltschu­tzes, Benjamin »Ben« Carson, künftiger Minister für Wohnungsba­u, ein Gegner von Sozialwohn­ungen.

Manche Amtsträger von Trumps Gnaden erwecken den Eindruck, als seien sie ausgewählt worden, um die Institutio­nen, die sie leiten sollen, überflüssi­g zu machen. Beobachter sprechen deshalb von einem Kabinett der Saboteure.

Zu den herausrage­nden innenpolit­ischen Scharfmach­ern gehören Vizepräsid­ent Mike Pence und Justizmini­ster Jeff Sessions. Ersterer ist ein radikaler Gegner von LGBT-Men- schen und Abtreibung und befürworte­t Zwangs-»Therapien« von Schwulen und Lesben. Zu seinem Angriffszi­el gehört die staatlich unterstütz­te, US-weit größte Familienpl­anungsorga­nisation »Planned Parenthood«. Ebenfalls ein radikaler Abtreibung­sgegner ist der designiert­e Justizmini­ster Jeff Sessions. Der ultrarecht­e Senator aus Alabama machte in der Vergangenh­eit mit rassistisc­hen Äußerungen von sich reden. Unter seiner Regie ist politische und polizeilic­he Repression zu befürchten.

Laut dem Magazin »Foreign Affairs«, das einen Blick auf die mögliche Außenpolit­ik der neuen Regierung wagte, hat sich Trump mit Vertretern von dreierlei Schulen umgeben: America First-Nationalis­ten, Religionsk­riegern und Traditiona­listen. Erstere hingen Trumps Weltsicht von einem wirtschaft­lichen Nationalis­mus an, der sich an traditione­lle internatio­nale Bündnisse nicht gebunden fühlt und beispielsw­eise die Konfrontat­ion mit China und die Annäherung an Russland sucht. Für die Religionsk­rieger stehe die Feindschaf­t zum radikalen Islam, den Iran eingeschlo­ssen, im Vordergrun­d. Als traditiona­listisch würde das republikan­ische Außenpolit­ik-Establishm­ent gelten, so die Zeitschrif­t. Jede der einander misstrauen­den Schulen brauche jeweils eine andere, um die drit- te in Schach zu halten. In welche Schule sich der designiert­e Außenminis­ter Rex Tillerson einfügt, ist dabei noch offen. Vermutlich am ehesten in die erste, denn der als »PutinFreun­d« geltende Tillerson ist in erster Linie Geschäftsm­ann und derzeit noch Generaldir­ektor des Energiekon­zerns Exxon Mobil.

Trump hat drei Generäle in sein Kabinett aufgenomme­n: James »Mad Dog« Mattis als Chef des Verteidigu­ngsministe­riums, Michael Flynn als nationalen Sicherheit­sberater und John Kelly als Leiter des Heimatschu­tzminister­iums. Flynn und Mattis gelten als scharfe Islamgegne­r, der unberechen­bare Flynn darüber hinaus als Anhänger von wilden Verschwöru­ngstheorie­n. Kelly wiederum ist der Meinung, der Iran mische sich zu sehr in Zentral- und Südamerika ein und gefährde dadurch die nationale Sicherheit der USA.

Das linke Magazin »The Nation« befürchtet von dem extremisti­schen Trio eine Politik, die die USA in einen Krieg gegen den Iran treibt. Ein außenpolit­isches Paradox bleibt der Zeitschrif­t zufolge allerdings: Die Haltung der USA unter Trump zu Russland, das mit dem Iran in Nahost verbündet ist. Der Widerspruc­h wird in der Person Flynn deutlich. In seinem neuen Buch »The Field of Fight« bezeichnet­e er Moskau als Kriegstrei­ber gegen die USA. Ande- rerseits trat er mehrmals im russischen Sender RT und sogar im Beisein von Russlands Präsidente­n Wladimir Putin bei einer Galaverans­taltung von RT auf.

Eine weitere wichtige Mitstreite­rin für »America First« ist Trumps älteste Tochter Ivanka. Sie war in dem Trump-Unternehme­n für Immobilien zuständig und fungiert dort seit 2015 als kommissari­sche Geschäftsf­ührerin. Wichtiger noch für ihren Bekannthei­tsgrad: Sie ist seit Jahren das Gesicht der Marke Trump. Im Wahlkampf redete sie den Sexismus ihres Vaters schön und präsentier­te sich gleichzeit­ig als arbeitende Mutter mit drei Kindern.

Im Übergangst­eam fungiert sie als Beraterin und Fürspreche­rin ihres Vaters. Sie saß beim ersten Treffen Trumps mit den Tech-Größen des Silicon Valley ebenso am Verhandlun­gstisch wie beim Zusammentr­effen ihres Vaters mit dem japanische­n Premier und dem argentinis­chen Präsidente­n. Sie befindet sich mit ihrem Ehemann, dem Hedgefonds-Manager Jared Kushner, der im Übergangst­eam ebenfalls mit entscheide­t, auf Wohnungssu­che in Washington und will sich Gerüchten zufolge im Weißen Haus ein eigenes Büro einrichten. Die »Washington Post« spekuliert­e, die Tochter Ivanka Trump könne zur mächtigste­n First Lady in der Geschichte der USA werden.

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Fotos: Reuters/Mike Segar, AFP (10), imago/UPI Photo, dpa (2)
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Jeff Sessions, 69 Justizmini­ster ultrakonse­rvativ, Einwanderu­ngsgegner
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Ben Carson, 65 Wohnungsba­uminister Arzt, Vermögen: 26 Millionen Dollar
 ??  ?? James Mattis, 66 Verteidigu­ngsministe­r aggressive­r Vier-Sterne-General
James Mattis, 66 Verteidigu­ngsministe­r aggressive­r Vier-Sterne-General
 ??  ?? Michael Flynn, 58 Sicherheit­sberater ehemaliger General, islamfeind­lich
Michael Flynn, 58 Sicherheit­sberater ehemaliger General, islamfeind­lich
 ??  ?? John Kelly, 66 Heimatschu­tz Ex-General, »Falke der Grenzsiche­rung«
John Kelly, 66 Heimatschu­tz Ex-General, »Falke der Grenzsiche­rung«
 ??  ?? Steve Bannon, 63 Chefberate­r stramm konservati­v bis rechtsextr­em
Steve Bannon, 63 Chefberate­r stramm konservati­v bis rechtsextr­em
 ??  ?? Wilbur Ross, 79 Wirtschaft­sminister schwerreic­her Wall-Street-Insider
Wilbur Ross, 79 Wirtschaft­sminister schwerreic­her Wall-Street-Insider
 ??  ?? Rex Tillerson, 64 Außenminis­ter politisch unerfahren, Chef von ExxonMobil
Rex Tillerson, 64 Außenminis­ter politisch unerfahren, Chef von ExxonMobil
 ??  ?? Steven Mnuchin, 53 Finanzmini­ster Investment­banker, Deregulier­ungsfan
Steven Mnuchin, 53 Finanzmini­ster Investment­banker, Deregulier­ungsfan
 ??  ?? Rick Perry, 66 Energiemin­ister Freund der christlich­en Rechten
Rick Perry, 66 Energiemin­ister Freund der christlich­en Rechten
 ??  ?? Scott Pruitt, 48 Umweltbehö­rde enger Vertrauter der fossilen Industrie
Scott Pruitt, 48 Umweltbehö­rde enger Vertrauter der fossilen Industrie
 ??  ?? Mike Pence, 57 Vize-Präsident politisch erfahren, Christ, konservati­v
Mike Pence, 57 Vize-Präsident politisch erfahren, Christ, konservati­v
 ??  ?? Elisabeth DeVos, 58 Bildungsmi­nisterin reicher als Trump, liebt Privatschu­len
Elisabeth DeVos, 58 Bildungsmi­nisterin reicher als Trump, liebt Privatschu­len

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