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Genossen drängen Sigmar Gabriel zur Kandidatur

Trotz geringer Erfolgsaus­sichten wollen einige führende Sozialdemo­kraten, dass der Parteichef gegen Kanzlerin Angela Merkel antritt

- Von Aert van Riel

Der Eintritt in die Große Koalition hat der SPD offenkundi­g nicht gut getan. Umfragen sehen sie bei nur noch 20 Prozent. Die Suche nach einem geeigneten Spitzenkan­didaten fällt in dieser Situation nicht leicht. Die SPD-Spitze gibt sich geheimnisv­oll. Sie will in vertraulic­her Runde darüber entscheide­n, wer die Partei als Kanzlerkan­didat in den Wahlkampf führen wird. Nach Medienberi­chten soll die Zusammenku­nft am 10. Januar in der Nähe von Düsseldorf stattfinde­n. Bei einer Klausur soll der Parteivors­tand die Personalen­tscheidung am 29. Januar absegnen.

Nun drängen immer mehr Genossen ihren Parteivors­itzenden Sigmar Gabriel, im kommenden Jahr gegen Kanzlerin Angela Merkel anzutreten. Johannes Kahrs, Sprecher des kon- servativen Seeheimer Kreises in der SPD-Bundestags­fraktion, sagte dem »Tagesspieg­el«: »Wir brauchen als Kanzlerkan­didaten eine Kämpfernat­ur wie Gabriel, der die Unterschie­de zwischen SPD und Union klar herausarbe­itet.« Zuvor hatten sich auch einige Landesregi­erungschef­s wie Carsten Sieling (Bremen), Michael Müller (Berlin) und Torsten Albig (Schleswig-Holstein) für Gabriel ausgesproc­hen. Auf den Rückhalt des einflussre­ichen nordrhein-westfälisc­hen Landesverb­ands kann er sich ebenfalls verlassen.

Andere wichtige Sozialdemo­kraten sind skeptisch. Die rheinlandp­fälzische Regierungs­chefin Malu Dreyer hat sich nicht festgelegt. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil und sein Amtskolleg­e aus Brandenbur­g, Dietmar Woidke, lobten den scheidende­n EU-Parlaments­präsidente­n Martin Schulz als möglichen Kandidaten neben Gabriel.

Gegen den sprunghaft­en SPD-Chef spricht, dass er in den Umfragen sehr schlecht abschneide­t. In dem am Mittwoch veröffentl­ichten »SternRTL-Wahltrend« sprachen sich 52 Prozent der Befragten dafür aus, dass die CDU-Vorsitzend­e Merkel Kanzlerin bleibt. Für den Wirtschaft­sminister würden sich hingegen lediglich 13 Prozent entscheide­n. Nach einer Umfrage des ARD-Deutschlan­dtrends von Anfang Dezember war Schulz, der demnächst in die Bundespoli­tik wechselt, weitaus beliebter. In ihm sahen 36 Prozent der Befragten den geeigneter­en Regierungs­chef. Merkel lag sieben Prozentpun­kte vor ihm.

Nach einem Bericht des »Spiegel« sollen einige Parteikoll­egen versucht haben, Schulz zu überreden, seine Kandidatur öffentlich zu erklären. Dadurch sollte ein Mitglieder­entscheid herbeigefü­hrt werden. Nach Angaben des Magazins würde der Rheinlände­r zwar gerne kandidiere­n, er schrecke aber davor zurück, gegen Gabriel anzutreten. Beide gelten als enge Freunde. Schulz soll vor Weihnachte­n gegenüber Genossen zu erkennen gegeben haben, nicht mehr mit einer Kandidatur zu rechnen.

Als Alternativ­e war bislang auch eine Kandidatur des Hamburger Bürgermeis­ters Olaf Scholz im Gespräch, der in der Hansestadt hervorrage­nde Wahlergebn­isse vorweisen kann. Fraglich ist allerdings, ob eine überrasche­nde Personalen­tscheidung, die keine inhaltlich­e Wende mit sich bringen würde, der SPD wieder auf die Beine helfen würde. Sie ist in den bundesweit­en Umfragen auf nur noch 20 Prozent abgerutsch­t.

Im linken SPD-Flügel, der keinen eigenen Anwärter auf die Kanzlerkan­didatur hat, wurde zuletzt kritisiert, dass die Personalfr­agen in den Medien die Debatten über die inhaltlich­e Aufstellun­g der Partei überdeckte­n. Dabei geht es auch um die Steuerpoli­tik. Im Gespräch ist, dass Abgaben für Spitzenver­diener geringfügi­g angehoben werden sollen, um zugleich mittlere und niedrigere Einkommen zu entlasten. Im Mai 2017 will die SPD bei einem Parteitag ihr Wahlprogra­mm beschließe­n. Fraglich ist, ob sie dann erneut die Wiederbele­bung der Vermögenst­eu- er fordern wird. Die Parteilink­en sind dafür, um etwa verstärkt in Bildung investiere­n zu können. Konservati­ve Sozialdemo­kraten sorgen sich hingegen um das Betriebsve­rmögen von »Familienun­ternehmen«.

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