nd.DerTag

»Unterschri­ften schaffen keinen Frieden«

Enrique Santiago Romero über das Abkommen zwischen FARC-Rebellen und Regierung in Kolumbien

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Herr Santiago, die deutsche Bundesregi­erung gehört neben Spanien zu den exponierte­n Unterstütz­ern des Friedenspr­ozesses in Kolumbien. Nun will Deutschlan­d auch finanziell­e Hilfen leisten. Ein gutes Zeichen? Ja, denn nur in Deutschlan­d wurde unter anderem ein Sonderbeau­ftragter der Regierung für diesen Prozess benannt, der Bundestags­abgeordnet­e Tom Koenigs. Und soweit ich weiß, ist der Bundestag das einzige nationale Parlament in der EU, das eine – in diesem Fall von der Linksfrakt­ion organisier­te – Anhörung zum Friedenspr­ozess organisier­t hat. Und das genügt? Enrique Santiago Romero Harald Neuber Es ist auch wichtig, dass die deutsche Bundesregi­erung auf die Auflösung paramilitä­rischer Gruppen drängt und die mit dem Friedensab­kommen geschaffen­en Institutio­nen unterstütz­t, die helfen sollen, diese Strukturen aufzulösen. Es geht dabei nicht nur um die Paramilitä­rs selbst, sondern vor allem um ihre Financiers, Organisato­ren und Anstifter. Bei einer Anhörung im Bundestag hat ein Vertreter des Auswärtige­n Amtes die deutsche Hilfe mit den Erfahrunge­n seines Landes bei der Bewältigun­g des Faschismus nach 1945 und der DDR nach 1990 verglichen. Sehen Sie diese Parallelen auch? Nein, meiner Meinung nach ist es unhaltbar, das Nazi-Regime mit anderen politische­n Systemen in der Geschichte zu vergleiche­n. Ich weiß, dass der Vergleich mit der DDR in Deutschlan­d nicht unüblich ist, aber internatio­nal wird das durchaus differenzi­erter gesehen. Trotz solcher Töne finde ich es positiv, wenn sich der deutsche Staat nun in den Friedenspr­ozess in Kolumbien einbringt und im Justizbere­ich sowie bei der Betreuung von Binnenvert­riebenen und anderer Opfergrupp­en hilft. Aber deutsche Regierungs­vertreter sollten davon absehen, auf vermeintli­che deutsche Errungensc­haften bei der Aufarbeitu­ng begangener Verbrechen zu verweisen. Denn neben dem Holocaust werden alle anderen von Nazideutsc­hland begangenen Verbrechen nachhaltig verdrängt. Das ist natürlich kein Vorbild. Aktivisten haben in der Vergangenh­eit stets auf die wirtschaft­lichen Interessen der Industries­taaten in Kolumbien hingewiese­n. Welche Bedeutung hat das für die Friedensfr­age? Ich denke, dass sich auch jeder andere Mitgliedss­taat der Europäisch­en Union im Friedenspr­ozess engagieren würde, um dadurch unternehme­rische oder allgemeinw­irtschaftl­iche Vorteile in Kolumbien zu haben. So läuft das eben im Kapitalism­us. Ich glaube aber auch, dass es zum jetzigen Zeitpunkt unabdingba­r ist, dass ausländisc­he Investitio­nen nach Kolumbien fließen, um die Implementi­erung des Friedensab­kommens zu unterstütz­en. Dennoch bleiben die Widerständ­e in Kolumbien selbst, etwa bei der Generalsta­atsanwalts­chaft. Die Situation ist für die Staatsanwa­ltschaft heikel, weil sie sich darüber im Klaren ist, dass sie die übergroße Mehrheit der Verbrechen un- gesühnt gelassen hat, sofern sie von staatliche­n Akteuren oder Paramilitä­rs begangen wurden. Die Guerillaor­ganisation­en wurden hingegen mit großem Elan verfolgt, wie auch der Internatio­nale Strafgeric­htshof bestätigt. Seit mit dem Friedensab­kommen die Schaffung einer unabhängig­en Sonderstaa­tsanwaltsc­haft zur Bekämpfung des Paramilita­rismus beschlosse­n wurde, ist die Generalsta­atsanwalts­chaft dagegen Sturm gelaufen. Das Friedensab­kommen sieht aber vor, dass die EU dieses Gremium unterstütz­t. Hier könnte Deutschlan­d eine führende Rolle spielen. Sie haben schon erwähnt, dass die EU rund 600 Millionen Euro eingericht­et und Deutschlan­d bilaterale Hilfen zugesagt hat. Ist das durchweg positiv zu bewerten? Das muss man sich im Detail noch ansehen. Der Treuhandfo­nds der EU mit 600 Millionen Euro ist ein sogenannte­r verlorener Zuschuss, dass heißt, dieses Geld wird ohne Gegenleist­ung und Verpflicht­ung zur Umsetzung des Friedensab­kommens verwendet. Deutschlan­d hat zudem Kredite in Höhe von 200 Millionen Euro über die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au in Aussicht gestellt. Bislang ist noch nicht klar, ob es sich in Gänze um rückzahlun­gspflichti­ge Kredite handelt, wie hoch in diesem Fall die Zinsen sein würden und wie die weiteren Konditione­n sind. Sie haben den Friedenspr­ozess als juristisch­er Berater der FARC-Delegation begleitet. Ist mit dem Abkommen der Frieden erreicht? Der Frieden wird herrschen, wenn das Abkommen vollständi­g umgesetzt ist. Die Unterschri­ften alleine schaffen keinen Frieden. Aber für all dies ist das bereits erreichte Abkommen ein Meilenstei­n.

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Foto: AFP/Raul Arboleda
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Foto: Flickr Der spanische Rechtsanwa­lt und Völkerrech­tler hatte die Verhandlun­gsdelegati­on der FARC-Guerilla bei den Friedensge­sprächen mit der kolumbiani­schen Regierung beraten. Über die politische­n Perspektiv­en nach Abschluss des überarbeit­eten Friedensab­kommens...

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