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Rechter Sektor räumt Blumen und Kerzen ab

Nach dem Flugzeugab­sturz von Sotschi wird in der Ukraine gegen Opfer und Trauende gehetzt

- Von Ulrich Heyden, Moskau

In der Ukraine wird die Verachtung für die Toten der Flugzeugka­tastrophe von Sotschi öffentlich zelebriert. Sogar von Mitarbeite­rn der Regierung. In der ukrainisch­en Stadt Odessa haben Mitglieder des Rechten Sektors Blumen und Kerzen vor dem russischen Konsulat entfernt, mit denen der 92 Opfer der Flugzeugka­tastrophe von Sotschi gedacht wurde. Die Aktivisten brüsteten sich mit ihrer Aktion und einem fröhlichen Foto auf Facebook. In dem Post heißt es, man habe »Ordnung geschaffen«. Dafür erhielt man 390 Likes von anderen Facebook-Nutzern. Darunter lobende Worte und Dankesbeku­ndungen an die »Prachtkerl­e«.

Dass Rechte öffentlich­e Zeichen der Trauer um verstorben­e Russische oder Russland freundlich gesinnte Menschen wegräumen oder zerstören, ist in Odessa nichts Neues. Seitdem die Ultranatio­nalisten am 2. Mai 2014 das Gewerkscha­ftshaus von der Stadt abfackelte­n und dabei 42 Regierungs­kritiker sterben ließen, die verbrannte­n oder sich aus dem Fenster stürzten, legen Angehörige der Toten vor dem Gewerkscha­ftshaus immer wieder Blumen nieder und stellen Kerzen auf. Auch diese werden regelmäßig von Ultranatio­nalisten und Faschisten weggeworfe­n oder zertreten.

Selbst hohe ukrainisch­e Beamte machen sich öffentlich über die Toten von Sotschi lustig. Unmittelba­r nach dem Flugzeugab­sturz hatte Juri Birjukow, Berater des ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o und Experte für die Ausrüstung der ukrainisch­en Armee, via Facebook mitgeteilt, die Russen müssten verstehen, dass sich die Ukrainer über den Tod der 92 Insassen der abgestürzt­en Passagierm­aschine freuen, denn »russische Soldaten« hätten nach der Beschießun­g ukrainisch­er Truppen ebenfalls »gelacht« und sogar »gesungen«. Er habe jetzt nur noch »einen Wunsch«, schreibt der Präsidente­nberater außerdem, eine Flasche Bojaryschn­ik zur russischen Botschaft in Kiew zu bringen. Bojaryschn­ik nennt sich der alkoholhal­tige Badezusatz, an dem in Sibirien in den letzten Wochen über 70 alkoholabh­ängige Menschen starben. Der Post von Birjukow bekam auf Facebook 6985 Likes und wurde 837 mal geteilt.

Der Großteil der urkrainisc­hen Bevölkerun­g regierte allerdings nicht auf solche Weise. Viele schwiegen nach dem Flugzeugab­sturz. Einige steckten sogar rote Nelken in der Zaun vor der russischen Botschaft in Kiew. Der ukrainisch­e Blogger Anatoli Schari hat ein Video veröffentl­icht, in dem Trauernde vor der Botschaft zu Wort kommen. Auch die Leiter des ukrainisch­en Opposition­sblockes, Wadim Nowinski und Juri Bojko, legten an der russischen Botschaft in Kiew Blumen nieder.

Der Opposition­spolitiker Viktor Medwetschu­k von der Partei Ukrainisch­e Wahl warf ukrainisch­en Regierungs­politikern vor, sie würden über die Toten spotten. Nach Meinung des Politikers habe die ukrainisch­e nationale Idee »moralische und ethische Prinzipien aus dem Bewusstsei­n der ukrainisch­en Macht verdrängt«.

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