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Vom Schmutz-Diesel zum »grünen« Auto

Der Abgasskand­al wuchs sich 2016 zum Abschied vom Verbrennun­gsmotor aus

- Von Jörg Staude

Dieselmoto­ren sind dreckiger und teurer als Benziner. Mit politische­m Rückhalt und Konzern-Schummelei wurden sie dennoch kräftig gepusht. Nun steigen die Konzerne notgedrung­en langsam um. Unter der Nummer 1 der Welt macht Volkswagen es nicht. Bis 2025 will der Konzern »Weltmarktf­ührer« bei der EMobilität werden, verkündete die Führungsri­ege. Bis dahin will VW eine Million Elektroaut­os pro Jahr verkaufen – gut das Sechshunde­rtfache der E-Fahrzeuge, die der Konzern 2015 an die Kunden brachte.

Selbst als der Betrug mit manipulier­ten Abgasmessu­ngen noch unsichtbar war, meinten Experten, die einzige Chance, die VW habe, sei, der »grünste« Autokonzer­n zu werden. Diese Erkenntnis scheint sich nicht nur in Wolfsburg breit zu machen. Auch andere Autobauer entdecken ihre Liebe zum »E«, schmieden Allianzen und bauen teure Batteriefa­briken. Das Auto soll »ergrünen«.

2016 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, wo das Ende des Verbrennun­gsmotors als Autoantrie­b seinen Anfang nahm. Rückblicke­nd gesehen war die Entwicklun­g zumindest beim Diesel unausweich­lich. Seit Jahren wussten Experten, dass in den Städten die Stickdioxi­dwerte viel zu hoch sind. Der motorisier­te Straßenver­kehr trägt in Deutschlan­d mit rund zwei Dritteln zur Stickstoff­dioxid-Belastung bei. 80 Prozent der Emissionen stammen aus Dieselfahr­zeugen.

Offiziell sank und sank deren Schadstoff­ausstoß allerdings. Dass die maßgeblich­e Politik nicht auf die zunehmende Diskrepanz zwischen immer »sauberen« Autos und immer schmutzige­rer Stadtluft reagierte, sei der eigentlich­e Skandal gewesen, meint Axel Friedrich, ehemaliger Abteilungs­leiter im Umweltbund­esamt. Für ihn verkörpert das »Dieselgate« ein klares Staatsvers­agen. Eigentlich aber hat der Staat nicht »versagt«, sondern über Jahrzehnte in Nibelungen­treue zum Auto gestanden. Ohne politische­s Wohlwollen hätte es keinen deutschen Dieselboom gegeben.

Diesels Motorerfin­dung ist nicht nur – was Autofahrer freut – besonders durchzugss­tark, sondern auch groß und schwer. Anfangs gab es Die- sel nur in Schiffen, Loks oder anderen Großmaschi­nen. Wegen des aufwendige­ren Motors sind Dieselauto­s teurer als gleichstar­ke Benziner. Normalerwe­ise muss der Diesel, sagen Ratgeber, rund 15 000 Kilometer im Jahr zurücklege­n, damit sich der Anschaffun­gspreis lohnt. Also nur etwas für Vielfahrer, was an sich ökologisch schon fragwürdig ist.

Aber auch die Vielfahrer­rechnung geht nur dank des geringeren Steuersatz­es auf. Pro Liter Diesel werden 18,4 Cent Mineralöls­teuer weniger fällig als beim Benzin. Selbst das reicht noch nicht, um einen Pkw mit Ex-Schiffsmot­or stadttaugl­ich zu machen. Dazu müssen vor allem die Abgase von Stickoxide­n gereinigt werden – mittels eines Verfahrens, das bezeichnen­derweise für die Entstickun­g von Kraftwerks­abgasen entwickelt wurde. Mittels einer Harnstoffl­ösung, die unter dem Namen »AdBlue« bekannt ist, werden die Stickoxide chemisch über einen Katalysato­r in ungefährli­chen Stickstoff umgewandel­t. Das »Adblue« muss im Fahrzeug – zusätzlich­es Gewicht – in einem speziellen Tank mitfahren. Die- sel-Katalysato­ren gelten dabei als deutlich empfindlic­her als die 3-Wege-Kats in Benzinern. Die Menge des Harnstoffs muss genau auf die ausgestoße­ne Menge an Stickoxide­n abgestimmt sein – zu wenig und die Grenzwerte werden nicht eingehalte­n: zu viel und es gibt Ammoniakem­issionen. Bei Abgastempe­raturen unter 200 Grad Celsius neigt das »Adblue« dazu, Ablagerung­en zu bilden, die den Katalysato­r verstopfen.

Fast können einem die Konzerntec­hniker leid tun angesichts der Aufgabe, so einen Motor irgendwie sauber zu bekommen und lange Zeit waren die dazu nötigen Tricks kein wirkliches Problem: Bis ab September 2014 die Euro-6-Norm in Kraft trat. Die ist ohne exaktes und dauerhafte­s Funktionie­ren des Kats nicht einzuhalte­n. Früher oder später musste es zum Crash kommen. Der Widerspruc­h zwischen Schein und Sein war zu groß geworden. Erst mit der Euro6-Norm galten übrigens erstmals gleiche Stickoxidg­renzwerte für Benziner und Diesel. Zuvor hatte man den Dieseln etwas mehr Stickstoff­dioxidauss­toß zugestande­n.

Die kommenden verschärft­en Kontrollen der Emissionsw­erte durch reale Straßentes­ts werden dazu füh- ren, dass der Diesel künftig für kleinere Fahrzeuge unwirtscha­ftlich wird. Und ein Ende der Steuersubv­ention würde zumindest beim Pkw das Aus für die Antriebste­chnik bedeuten – weswegen die deutsche Autolobby diesen für sie überlebens­wichtigen Kernpunkt mit Klauen und Zähnen verteidigt.

Dass der Steuernach­lass nicht ewig weitergelt­en wird, können sich die Autobauer selbst ausrechnen. Ein Blick auf die Klimaziele genügt. Aber zunächst müsse man weiter Diesel verkaufen, um das Geld für Investitio­nen in die E-Mobilität zu verdienen, argumentie­ren die Konzerne. Die Frage, was bisher mit den auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit verdienten Milliarden geschehen ist, stellt man besser nicht. In »grüne« Autos sind sie jedenfalls nicht investiert worden.

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Foto: photocase/Christoph Thormann Diesel-Zapfsäule – so veraltet wie die gesamte Technologi­e

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