Blick zurück
Peter Dohertys zweites Soloalbum »Hamburg Demonstrations«
Wann wird Peter Doherty das nächste Mal an der Straße parkende Autos mit der Eisenstange bearbeiten? So wie vor ein paar Jahren nach einem Rausschmiss aus einer Kreuzberger Absturzkneipe (die Polizei stand direkt daneben und beobachtete das Geschehen mit einigem Interesse). Wann folgt der nächste Einbruchdiebstahl, der nächste Knastaufenthalt, das nächste vergeigte Konzert? Und wann der nächste Schuss?
Clean soll er sein, nach einem Entzug in Thailand, der Sänger und Gitarrist der retroselig The Jam und Small Faces zitierenden Libertines und Babyshambles. Clean – da lacht der Boulevard. Und verweist auf Johnny Thunders, Richey Edwards und Amy Winehouse, auf süchtig herumstrauchelnde und nach der guten alten Sensationslogik umso lebensprallere Geschichten erzählende Musiker. Und gerade hat Doherty sein zweites Soloalbum eingespielt, ein sympathisches kleines, bittersüßes Indiefolkrock-Ding mit leichtem Glam-Appeal namens »Hamburg Demonstrations«. Ein lässiges, nur scheinbar hingeschludertes Album der Läuterung, Selbsttherapie und des Abschiednehmens, das nicht zu knapp vom Charme Dohertys verpeilt-brüchiger Jungsstimme lebt, die man wie immer sofort erkennt. Schon poppt die anekdotensatte Künstler-Drogen-Biografie des 1979 geborenen Musikers auf. Auch die Wiederholung fremder Absturzgeschichten bietet dem nostalgischen Blick prima Reflexionsflächen: Er schon wieder, immer noch, gibt’s doch gar nicht, weißt du noch?
Die Musik ist in solchen Fällen nicht unbedingt zu bedauern. Zwar muss sie sich die Aufmerksamkeit mit allerlei Nichtmusikalischem teilen, allerdings würde sie ohne die Pop- boulevardgeschichten der strauchelnden oder gefallenen Berühmtheit womöglich kein Schwein hören: zu langweilig. Was tut Doherty? Er macht das Beste aus diesem Popprinzip, indem er in dem Song »Flags from the old Regime« den Faden aufnimmt und in seinem Sinne weiterspinnt. Eine sanft vor sich hinpluckernde Beinaheballade mit einer niedlichen, beim zweiten Hören verfangenden Melodie ist dieses Stück, ein Requiem für Dohertys 2011 an einer Alkoholvergiftung gestorbenen Freundin Amy Winehouse, deren tragischen Karriereweg aus Druck, Ruhm, Sucht und Depressionen der Sänger skizziert, um am Ende bei sich zu landen: »I don’t wanna die anymore«, singt er da.
Entstanden sind die Songs auf »Hamburg Demonstrations« während Dohertys dreimonatigem Aufenthalt dort im Jahr 2014. Die Demos bearbeitete der Produzent Johann Scheerer in seinem Studio mit »Bass, Banjo and God knows what«. Aufgeräumt-melancholisch klingt Doherty, durchaus entspannt. In »Down for the Outing« spricht er zu seinen Eltern: »Sorry for all the good things that I’ve done / Gave you hope when there was none«. Keine schlechte Idee, der selbstironische Spiegelblick in die problematische Vergangenheit. Aber Doherty ist ja auch Brite. Briten können so was.