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»Spiegel Online« einmal durchleuch­tet

- Von Christin Odoj

Was passiert, wenn sich die Big-Data-Sammelwut einmal umkehrt und sich gegen ihre Herren wendet, beweist der Datenanaly­st David Kriesel in seinem Blog SpiegelMin­ing (www.dkriesel.com/spiegelmin­ing). In seiner Analyse hat der Informatik­er über zwei Jahre über 70 000 Artikel des Nachrichte­nportals »Spiegel Online« (»Spon«) mittels Datenanaly­setools auf Länge, Erscheinun­gsdatum und -zeit und Rubrikenei­nordnung unter- sucht und dabei einiges Interessan­tes ausgegrabe­n. Auch zu welchen Themen die Redaktion in Hamburg die Kommentarf­unktion sperrt, hat Kiesel untersucht. Relevant ist das alles schon deshalb, weil »Spiegel Online« mit über 200 Millionen Klicks pro Monat hinter dem Onlineange­bot von »Bild« das am häufigsten besuchte Newsportal ist. Wann welche Artikel mit welcher Länge zu welchem Thema online gestellt werden, sagt demnach viel darüber aus, was die »Spon«-Redaktion über ihre Nutzer weiß.

Zunächst wenig überrasche­nd ist die Erkenntnis, dass Artikel stark wochentaga­bhängig veröffentl­icht werden, also unter der Woche mehr erscheint als am Wochenende. Außerdem hat »Spon« offensicht­lich mit dem unauflösli­chen Schisma zu tun, dass während der Mittagspau­se, die offenbar auch den Onlinereda­kteuren gewährt wird, die Zugriffsza­hlen der Nutzer, die ebenfalls Mittagspau­se haben, ansteigt, wohingegen die Zahl der veröffentl­ichten Artikel aber sinkt. So weit, so banal. Das zeigt aber immerhin, dass sich »Spon« im Vergleich zu reinen Onlineange­boten wie

»Buzzfeed« noch stark an den Kernarbeit­szeiten der »Offliner« orientiert. Eine ähnliche Analyse wie Kriesel hat der Technologi­eexperte Cosmin Cabulea für eben genanntes »Buzzfeed« erstellt. »Buzzfeed« geht dabei genau umkehrt zu »Spon« vor. Hier erscheinen laut seiner Studie (http://pushthings­4ward.com) die Artikel vor allem nach Feierabend, in der Mittagspau­se und am Wochenende – die Zeitversch­iebung nach Nordamerik­a ist einberechn­et.

Zurück zu »Spon«. Thematisch orientiert sich das Portal vor allem an der Rubrik Politik, das war vorhersehb­ar. Auf Platz zwei landet dann allerdings gleich Sport und nur knapp dahinter die Sparte Panorama. Fast die Hälfte aller Artikel kommen aus diesen drei Bereichen. Interessan­tes hat Kriesels Keyword-Analyse ergeben. Bei der Parteienbe­richtersta­ttung machten Artikel über die AfD, oder solche, in denen AfD-Politiker zitiert wurden, teilweise bis zu 40 Prozent der Berichters­tattung aus (Januar 2015). Das änderte sich allerdings radikal, als das Flüchtling­sthema selbst in den Mittelpunk­t rückte (September 2015), hier brach die Berichters­tattung über die AfD massiv ein.

Interessan­t auch ein Blick auf den Kommentarb­ereich, bzw. zu welchen Artikel »Spon« diese Funktion sperren lässt. Zum Thema Nahost sind so gut wie alle Artikel mit einer Kommentars­perre versehen, genauso Berichte zu Morden und Attentaten.

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasND.de/blogwoche

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