»Spiegel Online« einmal durchleuchtet
Was passiert, wenn sich die Big-Data-Sammelwut einmal umkehrt und sich gegen ihre Herren wendet, beweist der Datenanalyst David Kriesel in seinem Blog SpiegelMining (www.dkriesel.com/spiegelmining). In seiner Analyse hat der Informatiker über zwei Jahre über 70 000 Artikel des Nachrichtenportals »Spiegel Online« (»Spon«) mittels Datenanalysetools auf Länge, Erscheinungsdatum und -zeit und Rubrikeneinordnung unter- sucht und dabei einiges Interessantes ausgegraben. Auch zu welchen Themen die Redaktion in Hamburg die Kommentarfunktion sperrt, hat Kiesel untersucht. Relevant ist das alles schon deshalb, weil »Spiegel Online« mit über 200 Millionen Klicks pro Monat hinter dem Onlineangebot von »Bild« das am häufigsten besuchte Newsportal ist. Wann welche Artikel mit welcher Länge zu welchem Thema online gestellt werden, sagt demnach viel darüber aus, was die »Spon«-Redaktion über ihre Nutzer weiß.
Zunächst wenig überraschend ist die Erkenntnis, dass Artikel stark wochentagabhängig veröffentlicht werden, also unter der Woche mehr erscheint als am Wochenende. Außerdem hat »Spon« offensichtlich mit dem unauflöslichen Schisma zu tun, dass während der Mittagspause, die offenbar auch den Onlineredakteuren gewährt wird, die Zugriffszahlen der Nutzer, die ebenfalls Mittagspause haben, ansteigt, wohingegen die Zahl der veröffentlichten Artikel aber sinkt. So weit, so banal. Das zeigt aber immerhin, dass sich »Spon« im Vergleich zu reinen Onlineangeboten wie
»Buzzfeed« noch stark an den Kernarbeitszeiten der »Offliner« orientiert. Eine ähnliche Analyse wie Kriesel hat der Technologieexperte Cosmin Cabulea für eben genanntes »Buzzfeed« erstellt. »Buzzfeed« geht dabei genau umkehrt zu »Spon« vor. Hier erscheinen laut seiner Studie (http://pushthings4ward.com) die Artikel vor allem nach Feierabend, in der Mittagspause und am Wochenende – die Zeitverschiebung nach Nordamerika ist einberechnet.
Zurück zu »Spon«. Thematisch orientiert sich das Portal vor allem an der Rubrik Politik, das war vorhersehbar. Auf Platz zwei landet dann allerdings gleich Sport und nur knapp dahinter die Sparte Panorama. Fast die Hälfte aller Artikel kommen aus diesen drei Bereichen. Interessantes hat Kriesels Keyword-Analyse ergeben. Bei der Parteienberichterstattung machten Artikel über die AfD, oder solche, in denen AfD-Politiker zitiert wurden, teilweise bis zu 40 Prozent der Berichterstattung aus (Januar 2015). Das änderte sich allerdings radikal, als das Flüchtlingsthema selbst in den Mittelpunkt rückte (September 2015), hier brach die Berichterstattung über die AfD massiv ein.
Interessant auch ein Blick auf den Kommentarbereich, bzw. zu welchen Artikel »Spon« diese Funktion sperren lässt. Zum Thema Nahost sind so gut wie alle Artikel mit einer Kommentarsperre versehen, genauso Berichte zu Morden und Attentaten.