China kauft den Fußball auf
Immer mehr Profispieler wechseln für Millionengehälter in das Reich der Mitte – Europäische Klubs fühlen sich dadurch bedroht
Erst der bestbezahlte Spieler der Welt, dann der bisher teuerste Wintertransfer. Mit astronomischen Summen lockt Chinas Super League immer mehr Stars nach Fernost. Westliche Vereine schlagen Alarm.
Was verschlägt einen Fußballstar wie den Argentinier Ezequiel Ivan Lavezzi in die ostchinesische Küstenstadt Qinghuangdao? Die Schwerindustrie sowie der größte Kohlehafen des Landes machen die Stadt nicht gerade zu einem Luftkurort. Immer wieder erreicht der offizielle Smogindex ungesunde Werte. Auch der Startpunkt der Chinesischen Mauer, der in der Nähe besichtigt werden kann, oder gebratene Garnelen, für die Qinghuangdao auch bekannt ist, werden wohl nicht der Grund für Lavezzis Lust auf China sein.
Aber vielleicht das schwindelerregende Gehalt, das sein Verein Hebei Fortune dem 31-Jährigen seit seinem Wechsel im Februar von Paris SaintGermain angeblich zahlt. Laut Medienberichten, zu denen sich Hebei Fortune nicht äußern will, verdient Lavezzi jetzt in China pro Woche 578 000 Euro, 150 000 Euro mehr als das kolportiere Salär von Cristiano Ronaldo. Damit wäre der Argentinier – 2014 Finalverlierer gegen die deutschen Weltmeister – einer der bestbezahltesten Spieler der Welt.
Und Lavezzi ist in guter Gesellschaft. Mehr als vier Milliarden Yuan (540 Millionen Euro) zahlten chinesische Klubs in diesem Jahr für 95 ausländische Spieler, wie Chinas »Volkszeitung« berichtet. Neue, lukrative Fernsehverträge sowie zah- lungskräftige Konzerne als Sponsoren sorgen dafür, dass Chinas Vereine so aberwitzige Summen für ausländisches Fußball-Know-how zahlen können.
Erst vergangene Woche folgte der brasilianische Nationalspieler Oscar dem Lockruf des großen Geldes aus Fernost: Der 25-Jährige soll ab Januar bei Shanghai SIPG mehr als 21 Millionen Euro im Jahr kassieren. Der FC Chelsea soll dafür mehr als 70 Millionen Euro Ablöse erhalten haben – der bislang teuerste Wintertransfer. Alex Teixeira, Ramires, der Ivorer Gervinho. Sie alle spielen mittlerweile in China – die Liste lässt sich noch lange fortsetzen.
Auch Lavezzis Landsmann Carlos Tevez wechselt nach Fernost. Der Klub Shanghai Shenhua verpflichtete den 32-Jährigen für eine Ablösesumme von elf Millionen Dollar von den Boca Juniors aus Buenos Aires. Auch er soll in China ein Gehalt in zweistelliger Millionenhöhe pro Saison kassieren. Zu den Umworbenen gehört Berichten zufolge auch Lukas Podolski von Galatasaray Istanbul.
Die neue Finanzkraft der Super League sei potenziell eine »globale Gefahr« für den Fußball, warnte Chelsea-Coach Antonio Conte nachdem er Oscar ziehen lassen musste. Ausgerechnet die mit Geld um sich werfenden Premier-League-Klubs fühlen sich von den ebenfalls finanzstarken Nebenbuhlern bedroht.
»Chinesische Fans verfolgen schon lange den internationalen Fußball und verlangen ein ähnliches Niveau auch für die eigene Liga«, entgegnet Wang Huyuan, Sportjournalist der Staatszeitung »Global Times«. Mehr Stars würden für die Vereine auch mehr Fans bedeuten. Und auch für Trainer ist der Markt lukrativ: Marcello Lippi, Felipe Luiz Scolari, Felix Magath folgten dem Ruf aus Fernost.
Allerdings gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Millionen künftig zumindest dosierter fließen werden. Chinas Präsident Xi Jinping ist zwar selbst ein großer Fußballfan und träumt von einem WM-Titel für sein Land. Gegen überzogene Gehälter und Ablösesummen für Stars aus dem Ausland will die Regierung nun aber offenbar trotzdem vorgehen.
In einem Kommentar schrieb das Parteiorgan »Volkszeitung« kürzlich, dass die Millionen für ausländische Stars eine echte »Graswurzelbewegung« in Chinas Fußball verhindern würden. Die Qualifikation für die WM 2018 ist praktisch schon passé. Zeitgleich kündigte Chinas Fußballverband eine Regeländerung an: Künftig sollen nur noch drei statt wie bisher vier ausländische Spieler pro Verein gleichzeitig auf dem Platz stehen dürfen.