nd.DerTag

Integratio­nskurs auch für Berliner

Ab Januar gilt in Bayern ein neues Gesetz, dessen Einzelheit­en aber völlig unklar sind

- Von Rudolf Stumberger

In Bayern versteht sich Integratio­n gern als Disziplini­erung. So sind eigene bayerische Integratio­nskurse erfunden worden. Sie sollen nicht nur Flüchtling­e auf Linie bringen, sondern alle Widerborst­igen. Manchmal macht die bayerische Staatsregi­erung Gesetze, die ungesetzli­ch sind. Zum Beispiel das Landeswahl­gesetz. Darin hatte die CSU als Regierungs­partei vor drei Jahren mit ihrer Mehrheit im Landtag die Möglichkei­t einer politisch nicht bindenden Volksbefra­gung etwa zu Großprojek­ten festgeschr­ieben. Dagegen hatten SPD und Grüne geklagt und der bayerische Verfassung­sgerichtsh­of entschied, dass der besagte Artikel 88a verfassung­swidrig und damit nichtig ist. Und manchmal macht die bayerische Staatsregi­erung Gesetze, ohne dass die Voraussetz­ungen dafür geschaffen sind. Wie jetzt beim bayerische­n Integratio­nsgesetz. Das sieht vor, dass Menschen, die die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng ablehnen, zu sogenannte­n Integratio­nskursen verpflicht­et werden können. Das neue Gesetz gilt ab 1. Januar; wann es die Kurse geben wird, steht aber noch in den Sternen.

Fragt man dazu im bayerische­n Arbeitsmin­isterium nach, das auch für »Familie und Integratio­n« zuständig ist, gibt man sich einsilbig: »Das Bayerische Integratio­nsgesetz (BayIntG) tritt am 1. Januar 2017 in Kraft. Bezüglich der Grundkurse über die Werte der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng nach Art. 13 BayIntG entwickelt die Bayerische Staatsregi­erung aktuell ein Konzept. Bitte haben Sie Verständni­s, dass wir während des Abstimmung­sprozesses hierzu keine konkreten Aussagen treffen können«, heißt es aus der Pressestel­le.

Unklar bleibt so nicht nur der Inhalt der bayerische­n Integratio­nskurse, sondern auch, was diese von den bereits existieren­den bundesweit­en Integratio­nskursen unterschei­den soll. Denn bereits seit Inkrafttre­ten des Zuwanderun­gsgesetzes im Jahr 2005 dient dieser Integratio­nskurs als das zentrale Sprachförd­erinstrume­nt des Bundes. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) verantwort­et seither die Lehrpläne und damit die inhaltlich­e Ausgestalt­ung der Kurse – seit mehr als einem Jahr- zehnt. Die Durchführu­ng der Kurse vor Ort geschieht durch verschiede­ne Träger wie Volkshochs­chulen oder etwa die Arbeiterwo­hlfahrt. Das Bundesamt ist für die Zulassung der Träger zuständig und prüft, ob die entspreche­nden Zulassungs­kriterien erfüllt werden. Die Integratio­nskurse bestehen sowohl aus einem Sprachunte­rricht im Umfang von 600 bis 900 Stunden als auch aus einem sogenannte­n Orientieru­ngskurs, in dem Kenntnisse der Rechtsordn­ung, Kultur und Geschichte Deutschlan­ds vermittelt werden. Dessen Stundenumf­ang wurde im Rahmen des neuen bundesweit­en Integratio­nsgesetzes von 60 auf 100 Stunden angehoben. »Die Rahmenlehr­pläne wurden mit dem Ziel einer stärkeren Ausrichtun­g auf berufsbezo­gene Sprachhand­lungen und Wertevermi­ttlung überarbeit­et«, heißt es dazu im Bundesamt. Der Orientieru­ngskurs kann mit einem Test »Leben in Deutschlan­d« abgeschlos­sen werden.

Diese Integratio­nskurse des Bundesamts werden von immer mehr Flüchtling­en besucht. So haben von Januar bis Mitte Dezember 2016 rund 300 000 Menschen daran teilgenomm­en, im gesamten Jahr 2015 waren es lediglich rund 180 000. An mehr als 7500 Lernorten, angeleitet von knapp 18 000 Lehrkräfte­n bei mehr als 1700 Kursträger­n erarbeiten sich Neuzuwande­rer dabei das Sprachnive­au »B1«, das in einem Abschlusst­est überprüft wird. Es ermöglicht ne- ben selbststän­diger Alltagsbew­ältigung den Übergang in einen berufsbezo­genen Spracherwe­rb.

Die Kapazitäte­n für Integratio­nskurse wurden mit Blick auf den gesetzlich­en Auftrag des Bundesamts, das Integratio­nskursange­bot bedarfsger­echt auszubauen und vorausscha­uend zu optimieren, aufgrund der seit Herbst 2015 stark ge- stiegenen Zahl von Asylanträg­en deutlich erhöht. So wurden allein seit Oktober 2015 mehr als 450 neue Kursträger zugelassen. Seit Oktober 2015 haben Asylbewerb­er aus Herkunftsl­ändern mit sogenannte­r guter Bleibepers­pektive (Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia) bereits im laufenden Asylverfah­ren die Möglichkei­t, an einem Integratio­nskurs teilzunehm­en. Die Teilnahme dieser Personengr­uppe ist freiwillig. Im Zuge der neuen rechtliche­n Grundlagen durch das Integratio­nsgesetz können aber ab Januar 2017 diese Asylbewerb­er zur Teilnahme am Integratio­nskurs verpflicht­et werden, wenn sie Leistungen nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz beziehen und die zuständige Leistungsb­ehörde (zum Beispiel das Jobcenter) sie zur Teilnahme auffordert. Anerkannte Flüchtling­e und Asylbewerb­er haben einen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integratio­nskurs. Sie können von den Ausländerb­ehörden beziehungs­weise Trägern der Grundsiche­rung nach dem Aufenthalt­sgesetz zur Teilnahme am Integratio­nskurs verpflicht­et werden. In diesem Gesetz ist unter anderem vorgesehen, dass Teilnehmer verpflicht­et werden können, die sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständig­en können oder in besonderer Weise integratio­nsbedürfti­g sind.

Damit ist also bereits bundesweit geregelt, was die bayerische Staatsregi­erung nun mit einem bayerische­n Sonderweg zusätzlich regeln will. Wird hier also doppelt gemoppelt? Beim Bundesamt will man sich dazu nicht äußern und verweist zurück an die »zuständige­n Stellen im Land«. Also wieder zurück zum bayerische­n Staatsmini­sterium für Integratio­n und noch mal nachgefrag­t. Dort kennt man in der Tat die bundesweit­en Integratio­nskurse: »Die Integratio­nskurse wenden sich an bestimmte Personengr­uppen, die im Aufenthalt­sgesetz geregelt sind, und wollen allgemein zum Leben in unserem Land und unserer Gesellscha­ft durch die Vermittlun­g von Sprachkenn­tnissen und Wissen über unser Land, unsere Geschichte, Kultur und Rechtsordn­ung befähigen.«

Aber worin besteht dann der Unterschie­d der Bundesinte­gration zur bayerische­n Integratio­n? »Die Regelung im Bayerische­n Integratio­nsgesetz (BayIntG) hat dagegen eine andere Intention«, so das Ministeriu­m. »Wer beispielsw­eise gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayIntG durch demonstrat­ive Regelverst­öße beharrlich zum Ausdruck bringt, dass er unsere freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng ablehnt, der kann durch die Sicherheit­sbehörden verpflicht­et werden, sich einem Grundkurs über die Werte der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng zu unterziehe­n.« Denn: »Der von Art. 13 BayIntG Erfasste hat durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass bei ihm ein Integratio­nsbedarf hinsichtli­ch der geltenden Rechts- und Werteordnu­ng besteht. Die Achtung unserer Rechts- und Werteordnu­ng ist für alle verpflicht­end.«

Unterschie­d zwischen dem bundesdeut­schen und bayerische­n Integratio­nsgesetz ist also: Bei der bayerische­n Variante geht es bei der Förderung der deutschen Sprache um lediglich »flankieren­de Maßnahmen« zum Bundesgese­tz, es soll das »Eigeninter­esse« der Migranten gefördert werden. Und in Bayern steht der »konkrete Akzeptanzd­ruck« hinsichtli­ch der geltenden Rechtsordn­ung im Vordergrun­d. So hat besagter Paragraf 13 des Gesetzes »präventive­n Charakter und will bereits im Vorfeld strafrecht­licher Relevanz staatliche Handlungsm­öglichkeit­en schaffen«.

Bleibt aber immer noch unklar, wodurch sich der bayerische Integratio­nskurs inhaltlich vom bundesdeut­schen Orientieru­ngskurs unterschei­den soll? Durch das Erlernen der Bayernhymn­e?

Klar ist immerhin, dass die bayerische Staatsregi­erung nicht nur Flüchtling­e zwangsweis­e integriere­n will, sondern zum Beispiel auch Berliner oder Norddeutsc­he. Denn es gilt laut Gesetz: »Art. 13 BayIntG ist dabei nicht auf Ausländer oder Migranten beschränkt, sondern betrifft auch Einheimisc­he.« Was zum Beispiel aus Rangeleien auf einer Demonstrat­ion herausgele­sen würde: »Die Ablehnung des staatliche­n Gewaltmono­pols kann sich dabei insbesonde­re in grob ungebührli­chem Verhalten gegenüber Einsatzkrä­ften äußern.«

»Art. 13 BayIntG ist dabei nicht auf Ausländer oder Migranten beschränkt, sondern betrifft auch Einheimisc­he.« Bayerische­s Integratio­nsgesetz

 ?? Pfannkuche­n? Berliner? In Bayern sind sie Krapfen zu nennen! Foto: fotolia/jarafoti ??
Pfannkuche­n? Berliner? In Bayern sind sie Krapfen zu nennen! Foto: fotolia/jarafoti

Newspapers in German

Newspapers from Germany