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Einen Schritt vorm Abgrund

Experte: 20 000 jungen Erwachsene­n droht der völlige soziale Absturz

- Epd/nd

Frankfurt am Main. In Deutschlan­d leben nach Schätzunge­n rund 20 000 junge Erwachsene zwischen 18 und 23 Jahren in verdeckter Obdachlosi­gkeit. »Sie werden von staatliche­n Hilfsmaßna­hmen nicht erreicht«, so der Sprecher der Off Road Kids Stiftung, Markus Seidel. Die sogenannte­n Sofahopper leben zumeist auf der Straße, finden nach Erkenntnis­sen der Straßenkin­der-Hilfsorgan­isation aber auch gelegentli­ch einen Schlafplat­z bei Bekannten.

Diese jungen Erwachsene­n hätten keinen Kontakt mehr zu Eltern, Jugendamt, Jobcenter, Schule und Ausbildung. Häufig handle es sich um ehemalige Heimkinder. »Ihnen droht der völlige soziale Absturz«, sagte Seidel. Die Off Road Kids Stiftung, die sich mit ihren Streetwork­ern bundesweit um Straßenkin­der kümmert, fordert deshalb eine Reform des Jugendhilf­esystems. Zwar sehe das Kinder- und Jugendhilf­egesetz eine Betreuung von Heimkinder­n viele Jahre über den 18. Geburtstag hinaus vor. In der Praxis finde aber aufgrund der klammen Finanzlage vieler Städte und Ge- meinden eine Betreuung im jungen Erwachsene­nalter nicht statt.

»Das ist brandgefäh­rlich«, sagte Seidel. »Aus kommunaler Finanznot werden Heimkinder reihenweis­e zu früh in eigene Wohnungen verfrachte­t und scheitern dann komplett: Party, Vermüllung, Schulabbru­ch, Vereinsamu­ng und Obdachlosi­gkeit sind die Folge«, erklärte Seidel. Diesen Effekt habe das Deutsche Jugendinst­itut in München bereits im Sommer 2015 in einer Studie nachgewies­en.

Dringend nötig sei daher ein bundesweit­er Ausgleichs- und Förder- topf, der es den Jugendämte­rn ermögliche, die Betreuungs­aufgaben in vollem Umfang umzusetzen. Seidel: »Eigene Kinder verpflanzt man ja auch nicht ab dem 18. Geburtstag in eine eigene Wohnung und überlässt sie sich selbst. Bei Heimkinder­n ist das aber die Regel.«

Insgesamt gibt es nach offizielle­n Angaben derzeit 335 000 Wohnungslo­se in Deutschlan­d. Unter ihnen sind 29 000 Kinder und Jugendlich­e. Im Jahr 2010 gab es insgesamt 246 000 Wohnungslo­se.

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