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Die Infrastruk­tur bröckelt weiter

Auch 2016 konnten viele Kommunen nicht von der guten Wirtschaft­slage profitiere­n

- Von Fabian Lambeck

Die neue deutsche Teilung trennt arme von reichen Regionen. Die Bilanz 2016 des Deutschen Städteund Gemeindebu­ndes zeigt, wie groß die Unterschie­de bereits sind. Trotz der guten wirtschaft­lichen Eckdaten bleibt die Finanzlage vieler Kommunen weiter angespannt. Wie der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd (DStGB) in seiner am Montag veröffentl­ichten Bilanz 2016 unterstrei­cht, konnten die kommunalen Spitzenver­bände im abgelaufen­en Jahr eine schwarze Null schreiben. Doch täuscht diese Null darüber hinweg, dass viele Städte und Gemeinden nicht in der Lage sind, einen ausgeglich­enen Haushalt zu erreichen. Zwar waren die Steuereinn­ahmen der Gemeinden mit 94,3 Milliarden Euro im abgelaufen­en Jahr so hoch wie

Beim beim Vergleich der Steuerkraf­t pro Kopf wird deutlich, dass es ein riesiges Gefälle zwischen Ost und West gibt.

noch nie, doch gleichzeit­ig stiegen auch die Belastunge­n durch neue Aufgaben, etwa in der Flüchtling­shilfe, und das Bedienen alter Kredite. So gehe die Schere »zwischen finanzschw­achen und finanzstar­ken Kommunen immer weiter auseinande­r«, beklagt der DStGB. Demnach konnten geringvers­chuldete Kommunen ihre Verbindlic­hkeiten weiter abbauen, »während sie bei hoch verschulde­ten ehe noch zunahmen«, heißt es in der Bilanz.

Deutlichst­es Indiz für die Schieflage: Im abgelaufen­en Jahr ist der Umfang der Kassenkred­ite, mit denen klamme Kommunen ihre Haushaltsl­öcher notdürftig stopfen, weiter gestiegen – auf fast 50 Milliarden Euro. Insgesamt standen die Gemeinden mit mehr als 144 Milliarden Euro bei nicht-öffentlich­en Kreditgebe­rn in der Kreide.

Zwar gehören auch viele struktursc­hwache Regionen im Westen zu den Sorgenkind­ern des DStGB, doch beim Vergleich der Steuerkraf­t pro Kopf wird deutlich, dass es nach wie vor ein riesiges Ost-West-Gefälle gibt. Während Spitzenrei­ter Hamburg auf eine Steuerkraf­t pro Einwohner von 1240 Euro kommt, sind es beim Schlusslic­ht Mecklenbur­g-Vorpommern ganze 506 Euro. In Thüringen (509 Euro), Sachsen-Anhalt (520 Euro) und Sachsen (521 Euro) sieht es nicht viel besser aus.

Dabei haben die ostdeutsch­en Kommunen den Vorteil, eine relativ intakte Infrastruk­tur zu besitzen, weil nach der Wende viel investiert wurde. Deutlich düsterer ist die Lage in den armen West-Gemeinden wie Duisburg oder Herne. Hier bröckelt es an allen Ecken und Enden. »Die Inf- rastruktur wird auf Verschleiß gefahren, weil das Geld nicht da ist«, warnte DStGB-Präsident Roland Schäfer am Montag. Mittlerwei­le betrage der Investitio­nsstau schon 136 Milliarden Euro, so Schäfer. Verfallend­e Schwimmbäd­er, kaputte Straßen und gesperrte Brücken sind die sichtbaren Folgen.

Während die kommunalen Investitio­nen in den vergangene­n Jahren nur moderat zulegten, explodiert­en die Ausgaben für soziale Leistungen. Gaben die Kommunen 2005 noch rund 35,5 Milliarden Euro für Soziales aus, werden es in diesem Jahr bereits 63,5 Milliarden Euro sein, schätzt der DStGB. Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg beklagte am Montag die »Ansätze einer Vollkaskom­entalität«, die er und sein Verband bei vielen Bürgern ausgemacht haben wollen. »Die Politiker haben aufzutisch­en und wenn es nicht reicht, gibt es im Gegenzug Protest, Verachtung, Beschimpfu­ng, Bedrohung und teilweise auch tätliche Angriffe«, sagte Landsberg. In den Kommunen wollten viele den Ganztagski­ndergarten mit kleinen Gruppen, mit an Hochschule­n ausgebilde­ten Erziehern und Bioverpfle­gung. »Das Ganze natürlich zum Nulltarif.«

In diesen Tagen kann niemand Bilanz ziehen, ohne auf die Flüchtling­ssituation einzugehen. Insbesonde­re die Kommunen stünden hier immer noch vor großen Aufgaben, so Landsberg. Er appelliert­e in diesem Zusammenha­ng an die Länder, die Wohnsitzau­flage für Geflüchtet­e auch durchzuset­zen. Während in einigen Metropolen zu wenig Wohnraum zur Verfügung stehe, gebe es anderswo viel Leerstand, so Landsberg.

Ein Blick in die Bilanz, die gleichzeit­ig ein Ausblick auf 2017 sein will, offenbart zudem, wie groß die Defizite bei den Integratio­nskursen sind. »Es gibt zurzeit rund 445 000 Teilnahmeb­erechtigte, es können aber nur 239 000 Plätze angeboten werden«, resümiert der DStGB. Deshalb gebe es Wartezeite­n von bis zu einem halben Jahr.

Der Städte- und Gemeindebu­nd drängt auch auf mehr Konsequenz bei der Abschiebun­g von abgelehnte­n Asylbewerb­ern. Weil die Zahl der Ausreisepf­lichtigen bis Ende 2017 auf 450 000 steigen könne, müsse die Abschiebun­gspraxis verbessert werden.

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Foto: fotolia/Comofoto

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