nd.DerTag

Regierung interpreti­ert Mindestloh­n

Opposition kritisiert mögliche Ausnahmen für Flüchtling­e

- AFP/nd

Berlin. Opposition­spolitiker und Gewerkscha­fter kritisiere­n die Auslegung der Bundesregi­erung zum Mindestloh­n bei Flüchtling­en und Zuwanderer­n. Diese müssen demnach keinen Mindestloh­n bekommen, wenn sie für die Anerkennun­g ihres Berufsabsc­hlusses noch Praxiserfa­hrung oder andere Qualifikat­ionen brauchen. Hier gehe es nicht um eine Ausnahme vom Mindestloh­ngesetz, sondern darum, Menschen bestmöglic­h in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n, sagte ein Sprecher des Bundesarbe­itsministe­riums am Montag.

Es sei ein neues Phänomen, »dass viele Menschen zu uns kommen« mit einer im Herkunftsl­and erworbenen Berufsausb­ildung, sagte der Ministeriu­mssprecher in Berlin. Ihnen fehlten zum Teil Fähigkeite­n für die Anerkennun­g eines Abschlusse­s, etwa Praxiserfa­hrung. Die Zeit, in der sie dies nachholen, sei »mindestloh­nfrei« zu stellen. Es sei nie umstritten gewesen, dass Ausbildung­sgänge mindestloh­nfrei seien, fuhr der Sprecher fort. Insofern werde es auch keine Änderungen am Mindestloh­ngesetz geben, sondern »Klarstellu­ngen«. Angaben, wie viele Flüchtling­e und Zuwanderer

Der Mindestloh­n war zum Jahreswech­sel erstmals seit seiner Einführung 2015 angehoben worden, und zwar von 8,50 Euro auf 8,84 Euro pro Stunde.

betroffen sind, kann die Regierung laut dem Ministeriu­mssprecher nicht machen.

Die Grünen-Sprecherin für Arbeitsmar­ktpolitik, Brigitte Pothmer, kündigte eine juristisch­e Überprüfun­g dazu an, ob die »Interpreta­tionen« der Bundesregi­erung tatsächlic­h vom Mindestloh­ngesetz gedeckt seien. Sonderausl­egungen des Mindestloh­ngesetzes für Zuwanderer und Geflüchtet­e dürfe es nicht geben, erklärte sie. Es müssten dieselben Regeln für alle gelten.

LINKE-Chef Bernd Riexinger erklärte, der »ohnehin schon zu niedrige und von Ausnahmen durchlöche­rte Mindestloh­n« dürfe nicht noch weiter ausgehöhlt werden. Die Regierung spiele so Flüchtling­e gegen die Menschen aus, die auf den Mindestloh­n angewiesen seien. »Das spielt nur den Rechtspopu­listen in die Hände«. Die Linksparte­i fordert einen flächendec­kenden Mindestloh­n ohne Ausnahmen in Höhe von zwölf Euro. Der Mindestloh­n war zum Jahreswech­sel erstmals seit seiner Einführung 2015 angehoben worden, und zwar von 8,50 Euro auf 8,84 Euro pro Stunde.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) befürchtet von den »Klarstellu­ngen« der Bundesregi­erung, »dass klassische Einarbeitu­ngsphasen zu monatelang­en betrieblic­hen Qualifizie­rungsphase­n und die Beschäftig­ten zu Pflicht-Praktikant­en umdeklarie­rt werden«, wie Vorstandsm­itglied Stefan Körzell der »Süddeutsch­en Zeitung« sagte. Schon jetzt würden Unternehme­n »Flüchtling­e, die sich mit ihren Rechten noch nicht auskennen, als billige Arbeitskrä­fte ausnutzen«.

Die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände wies die Kritik im Gespräch mit der »SZ« zurück. Es gehe um ausbildung­sähnliche Qualifizie­rungen, die nicht unter den Mindestloh­n fielen. Würden dafür die 8,84 Euro gelten, würde dies die Bereitscha­ft der Betriebe bremsen, solche Angebote zu machen. »Für die Betroffene­n würde der Weg in Ausbildung und Beschäftig­ung dadurch erschwert.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany