Skandalvideo belegt Rohingya-Jagd in Myanmar
Untersuchungen angekündigt / Friedensnobelpreisträgerin und faktische Staatschefin Aung San Suu Kyi bleibt schweigsam
Myanmar beginnt mit Ermittlungen, nachdem ein Video das brutale Vorgehen seiner Sicherheitskräfte gegen Rohingya zeigt. Es ist ein verstörender Anblick: Ein junger Rohingya wird von Sicherheitskräften in Myanmar mit Schlä- gen und Tritten durch ein Dorf getrieben. Als er schließlich in eine Reihe Dutzender festgenommener Männer niedergedrückt wird, schlagen die schwer bewaffneten Peiniger weiter auf ihn ein. Gelegentlich sieht man das Gesicht des Polizisten, der das Geschehen im Selfie-Stil aufnimmt, und dabei eine Zigarette raucht.
Das am Wochenende aufgetauchte Video führte unter Aktivisten zu Aufregung – und die blieb nicht folgenlos. Man werde eine Untersuchung zu dem Material einleiten, teilte das Büro der De-Facto-Staatschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi mit. »Diejenigen, die sofort identifiziert werden konnten, wurden festgenommen«, heißt es in einer Mitteilung. Nach weiteren Schuldigen werde gesucht.
Dass die Regierung auf das Video so reagiert, ist bemerkenswert. Zwar gibt es zahlreiche Berichte über Vergehen an der muslimischen Minderheit in Myanmar. In der Regel werden diese von Myanmars Führung jedoch als Falschmeldungen abgetan. Zu dem Bundesstaat Rakhaing im Nordosten des Landes, wo der Konflikt ausgetragen wird, verwehrt die Regierung Journalisten und Nichtregierungsorganisationen den Zutritt.
Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass die nun gestarteten Ermittlungen ein Wendepunkt in Myanmars Rohingya-Politik sind. Die muslimische Minderheit wird in dem buddhistischen Land systematisch verfolgt. Myanmars Regierung bezeichnet die schätzungsweise rund eine Million Rohingya im Land als illegale Einwanderer aus Bangladesch und verwehrt ihnen die Staatsbürgerschaft. Die Rohingya selbst sehen sich als Nachfahren arabischer Händ- ler und verweisen darauf, dass sie bereits seit Jahrhunderten in dem Gebiet leben.
Seit Oktober nehmen die Spannungen wieder zu. Die Regierung hat seitdem zahlreiche Sicherheitskräfte in das Gebiet geschickt. Sie sollen die Dörfer nach Aufständischen durchsuchen. Doch Nichtregierungsorganisationen werfen dem Staat vor, dabei vor allem gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Den Vereinten Nationen (UNO) zufolge haben sich seit Ausbruch der Unruhen rund 43 000 Rohingya ins Nachbarland Bangladesch geflüchtet.
Das Video beweist die Gräueltaten an der Zivilbevölkerung nicht. Es vermittelt aber einen Eindruck, wie rücksichtslos Myanmars Sicherheitskräfte vorgehen. Das Bildmaterial ist im Dorf Kotankau bei einer »Säuberung«, wie es Myanmars Behörden nennen, entstanden. In der Zeitung »Global New Light of Myanmar« heißt es, die Razzia sei nach Hinweisen auf Terroristen erfolgt.
Zunehmend gerät nun auch die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unter Druck. Die Volksheldin, die sich einst tapfer gegen die Militärjunta wehrte, bleibt als mittlerweile einflussreiche Politikerin auffallend schweigsam wegen des Umgangs mit der Minderheit. Andere Friedensnobelpreisträger gehen mit ihr mittlerweile hart ins Gericht. In einer ungewöhnlichen Aktion schrieben sie, gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern und Aktivisten, kurz vor dem Jahreswechsel einen offenen Brief an ihre Mit-Preisträgerin. Die Gewalt gegen die Rohingya erinnere an »Tragödien aus jüngerer Vergangenheit wie die in Rwanda, Darfur, Bosnien und Kosovo.«