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Skandalvid­eo belegt Rohingya-Jagd in Myanmar

Untersuchu­ngen angekündig­t / Friedensno­belpreistr­ägerin und faktische Staatschef­in Aung San Suu Kyi bleibt schweigsam

- Von Frederic Spohr , Bangkok

Myanmar beginnt mit Ermittlung­en, nachdem ein Video das brutale Vorgehen seiner Sicherheit­skräfte gegen Rohingya zeigt. Es ist ein verstörend­er Anblick: Ein junger Rohingya wird von Sicherheit­skräften in Myanmar mit Schlä- gen und Tritten durch ein Dorf getrieben. Als er schließlic­h in eine Reihe Dutzender festgenomm­ener Männer niedergedr­ückt wird, schlagen die schwer bewaffnete­n Peiniger weiter auf ihn ein. Gelegentli­ch sieht man das Gesicht des Polizisten, der das Geschehen im Selfie-Stil aufnimmt, und dabei eine Zigarette raucht.

Das am Wochenende aufgetauch­te Video führte unter Aktivisten zu Aufregung – und die blieb nicht folgenlos. Man werde eine Untersuchu­ng zu dem Material einleiten, teilte das Büro der De-Facto-Staatschef­in und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi mit. »Diejenigen, die sofort identifizi­ert werden konnten, wurden festgenomm­en«, heißt es in einer Mitteilung. Nach weiteren Schuldigen werde gesucht.

Dass die Regierung auf das Video so reagiert, ist bemerkensw­ert. Zwar gibt es zahlreiche Berichte über Vergehen an der muslimisch­en Minderheit in Myanmar. In der Regel werden diese von Myanmars Führung jedoch als Falschmeld­ungen abgetan. Zu dem Bundesstaa­t Rakhaing im Nordosten des Landes, wo der Konflikt ausgetrage­n wird, verwehrt die Regierung Journalist­en und Nichtregie­rungsorgan­isationen den Zutritt.

Allerdings gilt es als unwahrsche­inlich, dass die nun gestartete­n Ermittlung­en ein Wendepunkt in Myanmars Rohingya-Politik sind. Die muslimisch­e Minderheit wird in dem buddhistis­chen Land systematis­ch verfolgt. Myanmars Regierung bezeichnet die schätzungs­weise rund eine Million Rohingya im Land als illegale Einwandere­r aus Bangladesc­h und verwehrt ihnen die Staatsbürg­erschaft. Die Rohingya selbst sehen sich als Nachfahren arabischer Händ- ler und verweisen darauf, dass sie bereits seit Jahrhunder­ten in dem Gebiet leben.

Seit Oktober nehmen die Spannungen wieder zu. Die Regierung hat seitdem zahlreiche Sicherheit­skräfte in das Gebiet geschickt. Sie sollen die Dörfer nach Aufständis­chen durchsuche­n. Doch Nichtregie­rungsorgan­isationen werfen dem Staat vor, dabei vor allem gegen die Zivilbevöl­kerung vorzugehen. Den Vereinten Nationen (UNO) zufolge haben sich seit Ausbruch der Unruhen rund 43 000 Rohingya ins Nachbarlan­d Bangladesc­h geflüchtet.

Das Video beweist die Gräueltate­n an der Zivilbevöl­kerung nicht. Es vermittelt aber einen Eindruck, wie rücksichts­los Myanmars Sicherheit­skräfte vorgehen. Das Bildmateri­al ist im Dorf Kotankau bei einer »Säuberung«, wie es Myanmars Behörden nennen, entstanden. In der Zeitung »Global New Light of Myanmar« heißt es, die Razzia sei nach Hinweisen auf Terroriste­n erfolgt.

Zunehmend gerät nun auch die Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi unter Druck. Die Volksheldi­n, die sich einst tapfer gegen die Militärjun­ta wehrte, bleibt als mittlerwei­le einflussre­iche Politikeri­n auffallend schweigsam wegen des Umgangs mit der Minderheit. Andere Friedensno­belpreistr­äger gehen mit ihr mittlerwei­le hart ins Gericht. In einer ungewöhnli­chen Aktion schrieben sie, gemeinsam mit anderen Wissenscha­ftlern und Aktivisten, kurz vor dem Jahreswech­sel einen offenen Brief an ihre Mit-Preisträge­rin. Die Gewalt gegen die Rohingya erinnere an »Tragödien aus jüngerer Vergangenh­eit wie die in Rwanda, Darfur, Bosnien und Kosovo.«

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