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Ghanas soziale Revolution ist im Gang

Paul Yeboah über den Wandel durch afrikanisc­he Ökodörfer, europäisch­en Einfluss und nachhaltig­e Landwirtsc­haft

- Mehr Infos unter: http://www.soned.de/ausland/projekt-ghana

Das Global Ecovillage Network (GEN), das Netzwerk von Ökodörfern feierte unlängst seinen 20. Geburtstag. Ist das auch aus afrikanisc­her Sicht ein Grund zum Feiern? Selbstvers­tändlich. Das Netzwerk hat vielen afrikanisc­hen Ländern dabei geholfen, mit der Verbesseru­ng der Lebensumst­ände in den ländlichen Gegenden voranzukom­men und zudem Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten in den Dörfern zu schaffen. Das GEN leistet seinen Beitrag dafür, Nachhaltig­keit in der ganzen Welt zu verankern. Ist Afrika von Anfang an in diesem Netzwerk vertreten? Nein. Das Afrikanisc­he Netzwerk trat dem ursprüngli­ch europäisch­en Netzwerk erst später bei. 2012 kamen Delegierte von afrikanisc­hen Ökodörfern aus 16 Ländern im ägyptische­n Sekem zusammen und schufen unter GEN Africa eine organisato­rische Struktur und eine gemeinsame Strategie. Auf dem African Ecovillage Congress waren Stimmen zu vernehmen, dass das GEN europäisch dominiert sei, europäisch­e Ideen den Ton angeben, afrikanisc­he Denkweisen zweitrangi­g sind und der Austausch nicht auf Augenhöhe stattfinde­n würde. Was sagen Sie dazu? Ich sehe das nicht so. Das ist nicht wahr. Aus meiner Sicht geht es beim GEN darum, die Ideen zu Nachhaltig­keit aus allen Ecken der Welt zu teilen. Europa und die europäisch­en Ökodörfer sind in Sachen Nachhaltig­keit teilweise schon viel weiter, es wurden aber teils auch Wege beschritte­n, die sich als nicht sinnvoll herausstel­lten. Europa will den afrikanisc­hen Ländern diese Erfahrunge­n vermitteln, um daraus zu lernen. Wenn in Afrika das Konzept der Ökodörfer zur vollen Entfaltung kommen soll, hat Afrika noch einen langen Weg zu gehen. Ich sehe es als ein Miteinande­r. Wir müssen uns das Konzept anhören, wir müssen das Konzept implementi­eren und in ganz Afrika verbreiten, damit Afrika eine nachhaltig­e Zukunft hat. Aber das Konzept muss auf Afrika zugeschnit­ten werden, oder? Sicher muss es auf Afrika und die dortigen Gegebenhei­ten angepasst werden. Ein Beispiel: Wenn man sich die traditione­llen afrikanisc­hen Dörfer ansieht, die meisten der Prinzipien, die in der Charta der Ökodörfer stehen, werden dort schon traditione­ll gepflegt. Es bleiben ein paar wenige Grundsätze, die für die afrikanisc­hen Dörfer passend gemacht werden müssen. So könnten die traditione­llen afrikanisc­hen Dörfer den Übergang zu Ökodörfern schaffen. Ein anderer kontrovers­er Punkt ist die Zusammenar­beit des Netz- werks und der Netzwerker mit Regierunge­n nach dem Motto, solange wir sie nicht besiegen können, sollten wir nach Kooperatio­nsmöglichk­eiten suchen. Der African Ecovillage Congress wurde unter anderem vom Bundesentw­icklungsmi­nisterium (BMZ) finanziert. Schafft das nicht Abhängigke­iten und Einflussna­hme auf die Inhalte? Wir müssen darauf achten, unsere Unabhängig­keit zu wahren, keine Frage. Worum es uns aber geht, ist die Idee von Ökodörfern als Nachhaltig­keitskonze­pt zu streuen und sie vielfach umzusetzen. Wenn die Regierung in Ghana sieht, wie nützlich die Ökodörfer sind, welche Vorteile sie für die Menschen dort bringen, dann wird die Regierung auch in diese Idee und ihre Umsetzung inves- tieren. Darin seh ich nichts Verwerflic­hes. Ein Beispiel: Ghana ist von Stromausfä­llen geplagt, wenn die Regierung sieht, dass mit dezentrale­r Solarenerg­ie wie in den Ökodörfern ein Ausweg gefunden werden kann, wird die Regierung umdenken. Das gilt auch für Lösungen, die die Ökodörfer in Sachen Wasser und Abwasser oder Umweltrege­neration anbieten. Wenn die Regierung sieht, dass es positiven Wandel gibt, wird sie mitziehen und Gelder für das Erlernen und die Umsetzung der Ökodorf-Prinzipien bereitstel­len. Hat die ghanaische Regierung des Nationalen Demokratis­chen Kongress, die gerade abgewählt wurde, auf das Ghana Permacultu­re Institute (GPI) geschaut? Ja. Sie hatte das GPI auf dem Schirm, schließlic­h ist das GPI und das Ökodorf drum herum in Techiman das Modell in Ghana. Regierungs­beamte haben sich das angesehen, die Solarenerg­ie, die Biogasanla­ge, die Wasseraufb­ereitung. die Pilzzucht, die Moringa-Produktion etc. und wollten gleich eine Kooperatio­nsvereinba­rung. Sie sagten, »das ist wunderbar, wir brauchen eine Partnersch­aft, damit diese Ideen in Ghana Verbreitun­g finden.« Ein Anfang ist also gemacht. Das GPI entwickelt mit dem Ansatz der Permakultu­r eine nachhaltig­e Lebenskult­ur, die mittelfris­tig überall in der Welt notwendig ist. Dabei geht es um dauerhaft funktionie­rende nachhaltig­e und naturnahe Kreisläufe. Noch bis August 2017 läuft bei GPI ein Drei-Jahres-Programm. Träger dieses Projekts ist SONED e.V. – ein gemeinnütz­iger entwicklun­gspolitisc­her Verein mit Sitz in Berlin, der das deutsche Entwicklun­gsminister­ium von der Sinnhaftig­keit überzeugt hat. Das BMZ trägt 75 Prozent des Kostenvolu­mens von über 300 000 Euro. Was genau ist der Inhalt und keine Angst vor Einflussna­hme? Nein. Wir vertrauen den Leuten von SONED, mit denen wir bestens zusammenar­beiten. Wir würden auch begrüßen, wenn es ein Folgeproje­kt geben würde, denn das Interesse an der Arbeit von GPI ist groß. So finden die Workshops zu Anbau, Anwendung und Aufbau von Kleinstunt­ernehmen zur Einkommens­schaffung landwirtsc­haftlicher Produkte großen Anklang – vor allem rund um die Produktion­spalette des Wunderbaum­s Moringa und die Zucht von Austernpil­zen. Daran haben Farmer mit Anbindung an den lokalen Markt oder Familien zum Zwecke der Selbstvers­orgung reges Interesse. Auch die allgemeine­ren Workshops, die über Themen wie gesunde Ernährung, ökologisch­en Anbau oder Ernährungs­souveränit­ät informiere­n, treffen auf große Resonanz. Unsere Kooperatio­n mit SONED ist wundervoll. Sie sehen in Ihrer Arbeit mehr als nur ein Tropfen in einem Ozean der Nichtnachh­altigkeit des kapitalist­ischen Raubbaus? Auf alle Fälle. Es gelingt uns, mehr und mehr Menschen für unsere Ideen zu begeistern, ihnen zu zeigen, dass es viele Gelegenhei­ten gibt und sie sie nur umsetzen müssen. Das hört sich nach einer sozialen Revolution von unten an. Ist die in Ghana bereits im Gang? Ja. Sie ist im Gange und sie bewegt sich sehr schnell, schneller als es den Anschein hat.

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Foto: Martin Ling Ertragreic­h: Fünf Kilo Austernpil­ze lassen sich pro Beutel mit Pilzkompos­t in drei Monaten erzielen.
 ?? Foto: Martin Ling ?? Paul Yeboah ist Gründer des Ghana Permacultu­re Institute (GPI) in Techiman, Ghana. Das in der BrongAhafo Region im Zentrum des westafrika­nisches Landes gelegene Institut hat Modellchar­akter und arbeitet inklusive eines Ökodorfes an einem System der...
Foto: Martin Ling Paul Yeboah ist Gründer des Ghana Permacultu­re Institute (GPI) in Techiman, Ghana. Das in der BrongAhafo Region im Zentrum des westafrika­nisches Landes gelegene Institut hat Modellchar­akter und arbeitet inklusive eines Ökodorfes an einem System der...

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