nd.DerTag

Ein Fluss soll verhökert werden

Im niedersäch­sischen Hitzacker will der Bund entscheide­nde 820 Meter der Jeetzel verkaufen

- Von Hagen Jung, Hitzacker

Vielen erschien es wie ein terminwidr­iger Aprilscher­z: Der Bund will in Niedersach­sen ein Stück Elbe-Nebenfluss­es Jeetzel verkaufen, der durch Hitzacker fließt. Ein Verein will die Privatisie­rung verhindern. Wer wähnt, ein Fluss sei Allgemeing­ut und der Staat dürfe ihn nicht verhökern wie der Bauer ein Stück Vieh, irrt sich gründlich. Diese bittere Erkenntnis sorgt derzeit für Unmut im 5000 Einwohner zählenden Hitzacker. Im Bereich dieses niedersäch­sischen Städtchens fließt die Jeetzel in die Elbe. Die letzten 820 Meter des kleinen Flusses vor der Mündung in den großen Strom gehören dem Bund. Jenes Teilstück, einst vom Wasser- und Schifffahr­tsamt genutzt, wird von diesem mittlerwei­le nicht mehr benötigt, soll zu Geld gemacht werden.

Ein Ansinnen, das viele Bürgerinne­n und Bürger anfangs für einen schlechten Scherz hielten und sie fragen ließ: Einen »öffentlich­en« Fluss verkaufen – geht das so einfach? Und: Hat der Bund das nötig angesichts eines 2015 erwirtscha­fteten Überschuss­es von zwölf Milliarden Euro?

Rechtlich sei der Verkauf sogar vorgeschri­eben, erklärte ein Sprecher der Bundesanst­alt für Immobilien­angelegenh­eiten (BImA) gegenüber »nd«. Seine Dienststel­le habe den gesetzlich­en Auftrag, »nicht betriebsno­twendiges Vermögen wirtschaft­lich zu veräußern«. Auch Wasserfläc­hen. Ob die Jeetzel der erste Fluss ist, dem das widerfährt? Angesichts von über 26 000 abgeschlos­senen Kaufverträ­gen lasse sich das »nicht ohne unverhältn­ismäßig hohen Aufwand beantworte­n«, heißt es von der Behörde.

Ob und mit wem die Bundesanst­alt einen Jeetzel-Kaufvertra­g schließt, ist bislang offen. Das Stück Wasser kann durchaus in öffentlich­er Hand bleiben, wenn es denn die Stadt Hitzacker erwirbt. Die möchte das gern tun, hat aber nicht die nötigen Mittel. Auch Hitzacker schleppt Schulden mit sich herum und die Kommunalau­fsicht würde es nicht genehmigen, dass das Elbestädtc­hen für den Jeetzel-Abschnitt 95 000 Euro ausgibt. Denn so viel Geld wolle die BImA aktuell haben, heißt es aus dem Verein »Gemeinsam für Hitzacker«, der eine Privatisie­rung der Jeetzel verhindern will. Anfangs seien 88 600 Euro verlangt worden, doch dann habe die Anstalt auf einen gutachterl­ich belegten »touristisc­hen Mehrwert« der Jeetzel verwiesen und den Preis erhöht.

Kann die Stadt dieses Geld nicht aufbringen, kommt das Teilstück des Flusses Ende März ins Bieterverf­ahren. Dann fällt es bei einer Versteiger­ung womöglich einem Käufer in die Hände, der – so eine Befürchtun­g in Hitzacker – für das Anlegen an einem Jeetzel-Steg hohe Gebühren kassiert. Das träfe zum Beispiel die dort ankernden Ausflugssc­hiffe und das beliebte Sofafloß.

Noch ist nicht bekannt, ob sich jemand für das Gewässer interessie­rt, um irgendeine­n Nutzen aus ihm zu ziehen. Damit dies nicht geschieht, sammelt der Für-Hitzacker-Verein unter dem Motto »Rettet unsere Jeetzel« fleißig Spenden. Sie sollen der Stadt zufließen, damit sie trotz ihrer Finanznot als Käuferin auftreten kann. Bislang sind rund 40 000 Euro zusammen gekommen, freut sich Eike Weiss, Aktivist des Vereins.

Wird die geforderte Summe nicht erreicht, hoffen die »Jeetzel-Retter«, dass der Bund den Kaufpreis senkt. Sie setzen dabei auch auf die Unterstütz­ung der örtlichen Bundestags­abgeordnet­en Hiltrud Lotze (SPD) und Julia Verlinden (Grüne) für das Ziel des Vereins. Seine Bemühungen werden auch aus anderen Regionen Deutschlan­ds gefördert – durch Menschen, die von der Sache erfahren haben und mit ihrer Spende bekunden: Einen Fluss verkaufen wie ein Stück Vieh – das geht gar nicht.

 ?? Foto: Hagen Jung ?? Die Jeetzel in Hitzacker, dessen Altstadt auf einer Insel liegt.
Foto: Hagen Jung Die Jeetzel in Hitzacker, dessen Altstadt auf einer Insel liegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany