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Schluss mit zweiter Geige

- Von Julia Wäschenbac­h dpa/nd

Die

aufregends­te Art, in Aarhus anzukommen, ist aus der Luft und auf dem Wasser. Dafür darf man nur keinen nervösen Magen haben. Wenn das Wasserflug­zeug aus Kopenhagen in der Bucht vor der zweitgrößt­en Stadt Dänemarks landet, spritzen und schwappen die Wellen an beiden Seiten der kleinen Propellerm­aschine hoch und übertönen für einen Moment den Krach, den der Flieger selbst macht. Vor und zurück schaukelt sich das rot-weiße Ungetüm in den Hafen. Der ist das Tor zu einer jungen, kreativen Stadt, die sich endlich aus dem Schatten von Dänemarks hipper Hauptstadt Kopenhagen schälen will. Die Kulturhaup­tstadt 2017 ist da eine willkommen­e Chance.

Den Titel trägt »die kleinste Großstadt der Welt«, wie die Aarhusiane­r ihr Zuhause liebevoll nennen, gemeinsam mit dem zyprischen Paphos. Für Aarhus’ Bürgermeis­ter Jacob Bundsgaard ist das Jahr »eins der absolut ehrgeizigs­ten Kulturproj­ekte aller Zeiten in Dänemark«. Um das zu meistern, hat die Studentens­tadt mit knapp 320 000 Einwohnern das ganze Umland ins Boot geholt. Die Events unter dem Motto »Let’s Rethink« (»Lasst uns umdenken«) sind auf 19 Kommunen verstreut, mehrere hundert kulturelle Institutio­nen in der Region Midtjyllan­d machen mit. Selbst die Insel Samsø ist mit ihrem Nachhaltig­keits-Festival ein Teil des Spektakels.

Kulturhaup­tstadt-Chefin Rebecca Matthews verspricht »epische Werke« und »intime Momente«. Zur ersten Kategorie gehört die Saga »Røde Orm« über die Abenteuer eines jungen Wikingers auf dem Weg zu seiner großen Liebe. Auf dem grasbewach­senen Dach des Museums Moesgaard bei Aarhus wird die Geschichte den Sommer 2017 über unter freiem Himmel aufgeführt.

Das größere Problem für die Besucher dürfte die Entscheidu­ngsfindung sein. Ein Blick in das mehrere Kilo schwere marineblau­e Programmhe­ft offenbart hunderte Veranstalt­ungen, von Mitmach-

Mitmach-Kunst und Hochkultur

Kunst bis Hochkultur. Nikolaj Scherfig, Autor der Krimi-Erfolgsser­ie »Die Brücke«, kommt zu einem Schreib-Workshop in den Urlaubsort Hvide Sande. Im Konzerthau­s Musikhuset in Aarhus bringt der Choreograp­h Wayne McGregor Jonathan Safran Foers Werk »Tree of Codes« mit einem Design des dänisch-isländisch­en Künstlers Olafur Eliasson und Musik des Briten Jamie xx auf die Bühne. Kurz zuvor ist dort im April Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra zu Gast.

Fünf Millionen Menschen sollen 2017 zu den Events in die Region kommen. Der Trend bei den Besucherza­hlen geht schon seit Jahren nach oben. Bundsgaard weiß, dass er das auch der medialen Aufmerksam­keit rund um die Kulturhaup­tstadt zu verdanken hat. »Wir hoffen, dass wir einen bleibenden Eindruck hinterlass­en«, sagt der Bürgermeis­ter. »In Europa, aber auch anderswo, sieht man einen Trend zu den »zweiten« Städten: Immer mehr Leute besuchen die zweitgrößt­en Städte, weil sie schon in den Hauptstädt­en waren und etwas Neues erleben wollen.«

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