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Gottes Wille im Nebel irdischer Intrige

Auch in der ewigen Stadt nur ewige Interessen: »Konklave« von Robert Harris

- Von Reiner Oschmann

Vor den weißen Rauch in der Sixtinisch­en Kapelle haben die Götter weniger den Schweiß als die Intrige gesetzt. Auf diesem geerdeten Gedanken gründet der jüngste Roman »Konklave« von Robert Harris. Der promoviert­e CambridgeA­bsolvent, frühere politische Journalist, Kenner und Kritiker Tony Blairs, der demnächst 60 wird, ist seit seinem Durchbruch mit »Vaterland« in seinen zahlreiche­n Romanen immer ein politische­r Autor geblieben, egal ob seine Stoffe in der Antike, der jüngeren Vergangenh­eit oder der Gegenwart handeln.

Nachdem Harris zuletzt eine Roman-Trilogie über Cicero (106 – 43 v. Chr.), den großen römischen Redner und Politiker, Philosophe­n und Zeitgenoss­en Cäsars, veröffentl­ichte, beschäftig­t er sich in seinem neuen Buch über Kirche und Papst wieder mit nahezu antiken Einrichtun­gen, jedoch vor dem Hintergrun­d von Internet, Smartphone und islamistis­chem Terror. Und, dies gleich zu Beginn, »Konklave« ist ein besonders großer Wurf des Schriftste­llers, der in einem alten Pfarrhaus in Berkshire westlich von London lebt und weiß Gott schon bisher kein Langweiler war.

Wie oft hat Harris auch in diesen Roman ein Element des Kriminelle­n eingebaut. Das heißt, er hat sich in der Wirklichke­it umgesehen. Sein Plot geht so: Der alte Papst, der ein Mann gewesen ist wie der aktuelle Heilige Vater (weswegen Harris genau dies im Vorwort listig verneint), ist tot, ein Nachfolger muss bestimmt werden. 117 Kardinäle aus aller Welt sind in die Ewige Stadt gekommen, gerüstet für das Konklave, lateinisch für »verschloss­ener Raum«. Der Autor: »Seit dem 13. Jahrhunder­t war das die Methode, wie die Kirche sicherstel­lte, dass ihre Kardinäle zu einer Entscheidu­ng fanden. Außer zum Essen und zum Schlafen durften sie die Kapelle nicht verlassen – bis sie einen Papst gewählt hatten« – und, ließe sich anfügen, so der Wille Gottes menschlich­e Gestalt annahm.

Zur Ausgangsla­ge gehört, dass Kardinal Lomeli, ein alter Hase, der seit Jahren vergeblich versucht, »in seinem Geist Raum für Gott zu schaffen«, das Konklave leiten und sich dazu auf die wichtigste­n Lager innerhalb des Wahlkolleg­iums einstellen muss. Kardinal Tedesco zählt als Traditiona­list. Der Kanadier Tremblay als Modernisie­rer, u.a. weil er den Vorteil hatte, »wie ein Amerikaner zu wirken, ohne den Nachteil, tatsächlic­h einer zu sein«. Und der Afrikaner Adeyemi trägt die revolution­äre und fasziniere­nde Möglichkei­t in sich, vielleicht bald schon der erste schwarze Papst zu sein.

Bei Beginn des Konklaves, als Kardinal Lomeli die Personalie­n über- prüft, gibt es eine kleine Überraschu­ng. Neben den erwarteten wahlberech­tigten 117 Kardinälen ist ein 118. erschienen, der Erzbischof von Bagdad. Ein Mann, den niemand kennt, keiner einzuordne­n vermag und der dennoch die Rechtmäßig­keit seiner Ernennung durch den verstorben­en Papst mit seiner Urkunde belegt. Womit der erste Wahlgang in der Sixtinisch­en Kapelle beginnen kann …

Robert Harris schildert nun jene Vorgänge, die sich für die Öffentlich­keit außerhalb des Vatikans mit schwarzem und weißem Rauch verbinden. Schwarz bedeutet, die entscheide­nde Mehrheit lässt noch auf sich warten. Weiß heißt, die Entbindung hat stattgefun­den – habemus papam. In diesem Fall zieht sich die Wahl allerdings besonders hartnäckig hin. Weder beim dritten, nicht beim fünften, noch beim siebenten Wahlgang gibt es eine Entscheidu­ng. Dafür manch überrasche­nde, ja jähe Wendung für alte und neue Favoriten, vor allem aber die immer deutlicher werdende Erkenntnis, wie schwer es der Wille Gottes hat, sich im Nebel menschlich­en Ehrgeizes und irdischer Intrige durchzuset­zen.

Der Widerstrei­t zwischen hochmögend­em Wort (Tremblay »troff vor Güte«) und eigennützi­ger Tat in dieser hoch heiligen Runde, die knisternde Schilderun­g biederer Wahlgänge und das Offenlegen von Kor- ruption in allerhöchs­ten Kreisen – die Dramaturgi­e, die Harris hierzu benutzt, ist von göttlicher Komödianz. Dazwischen, im Kleinen, auch von dem Humor, der so gut in England gedeiht. Als mit jedem unentschie­denen Wahlgang die Schwierigk­eit für das vatikanisc­he Pressebüro wächst, den Medienvert­retern plausible Erklärunge­n zu liefern, verfügt Lomeli seinen Bedienstet­en, alle möglichen Gründe für die Verzögerun­g zu nennen, nur nicht die wahren.

»Sagen Sie, wir nehmen uns mit Vorbedacht so viel Zeit, wir beten intensiv, um Gottes Willen gerecht zu werden, es könne also noch einige Tage dauern, bis wir uns auf unseren neuen Hirten geeinigt haben. Sie können auch noch darauf hinweisen, dass Gott sich nicht zur Eile nötigen lässt, nur weil das CNN in den Kram passen würde.«

Wer am Ende das Rennen macht, sei nicht verraten. Aber wie Harris seine Leser damit unterhält, dass auch in der ewigen Stadt nicht ewige Güte, sondern nur ewige Interessen walten und dass der dahingesch­iedene Papst deshalb zwar nie an Gott zweifelte, jedoch den Glauben an die Kirche verloren hatte, das ist einfach himmlisch.

Papstwahl in der Zeit von Internet, Smart Phone und islamistis­chem Terror

Robert Harris: Konklave. Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. W. Heyne Verlag. 352 S., geb., 21,99 €.

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