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Bogen um Belek

Viele Fußballpro­fis absolviert­en ihr Wintertrai­ning in der Türkei. Nach zahlreiche­n Anschlägen bleiben sie nun fern

- Von Frank Hellmann

Aus Sicherheit­sgründen reist kein Bundesligi­st mehr zum Trainingsl­ager in die Türkei. Statt dessen wird Spanien zum wichtigste­n Anlaufziel. Ab 2018 könnten sich die Reisen ganz erledigen. Sanfte Sonnenstra­hlen fallen durch den Pinienwald. Eigens angelegte Laufrunden schlängeln sich um großzügige Golfplätze. Penibel gepflegte Rasenplätz­e lassen keine Wünsche offen. Für die meisten Profifußba­ller gehörte das zum neuen Jahr wie die Böller zu Silvester. Doch das Ambiente an der türkischen Riviera wird 2017 niemand mehr genießen. Wenn in dieser ersten Januarwoch­e insgesamt 15 deutsche Bundesligi­sten ins Trainingsl­ager abfliegen, dann keiner mehr mit diesem Reiseziel.

Die veränderte Sicherheit­slage hat zum Umdenken geführt. »2017 wird kein Verein aus der ersten oder zweiten Bundesliga seine Wintervorb­ereitung in Belek oder andernorts in der Türkei durchführe­n«, berichtete Henning Rießelmann, Geschäftsf­ührer der zum wichtigste­n Vermittler von Trainingsl­agern aufgestieg­enen Firma Match IQ bereits vor zwei Monaten. Der Anschlag in der Silvestern­acht, als in der Istanbuler Disco »Reina« mindestens 39 Menschen getötet wurden, bestätigte die Angst der Klubs nur noch einmal, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Entscheidu­ng, einen Bogen um Belek zu machen, längst gefallen war.

Die türkische Tourismusi­ndustrie zahlt somit erneut den Preis für die politische Situation im Land. »Mit Erdogan will ich nichts zu tun haben«, erklärte beispielsw­eise Trainer Gertjan Verbeek vom Zweitligis­ten VfL Bochum. Niemand will den Kurs des umstritten­en Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan allein durch seine Anwesenhei­t stützen.

Bereits im Sommer waren die Buchungsza­hlen in den luxuriösen Bettenburg­en rund um Antalya um 40 Prozent eingebroch­en, nun fallen für das Wintergesc­häft auch noch die Fußballtea­ms weg. Gerade das Touristenz­entrum Belek, das sich mit einer perfekten Infrastruk­tur und günstigen Preisen zum Anlaufpunk­t für Profis aus halb Europa entwickelt hatte, trifft die Abstinenz hart. Und wie lange man sich noch mit Dumpingang­eboten über Wasser halten kann, weiß vor Ort niemand so ge- nau. »Was sich dort abspielt, ist ein Trauerspie­l«, weiß Berlins Manager Michael Preetz, der gerne in Belek geblieben wäre: »Wir hatten dort immer erstklassi­ge Bedingunge­n, gute Hotels und Plätze, kurze Wege, starke Testspielg­egner.« Argumente, die nicht mehr zählen, wenn das Sicherheit­sgefühl ob der vielen Attentate erschütter­t ist.

Weilten im vergangene­n Jahr noch 18 Erst- und Zweitligis­ten in der Türkei, kommen nun allein zehn Bundesligi­sten in Spanien unter – und RB Leipzig in Portugal. Angeflogen werden Mallorca (Hertha BSC), Benidorm (Schalke), Sotogrande (Freiburg), La Manga (Wolfsburg) und San Pedro del Pinatar (Darmstadt). Zum heimlichen Hotspot für deutsche Kicker hat sich Marbella entwickelt, schlicht weil hier das Hotelangeb­ot für das meist einwöchige Wintercamp am umfangreic­hsten und die Trainingsm­öglichkeit­en auch akzeptabel sind. So residieren nun Augsburger, Dortmunder, Mönchengla­dbacher und Mainzer in Marbella. In der Nähe an der Costa del Sol ist auch noch Werder Bremen untergekom­men.

Bremens Geschäftsf­ührer Frank Baumann war schon im November nach Andalusien geflogen, um alles in Augenschei­n zu nehmen. Tenor: Alles bestens, zumal auch die Türkei keine absolute Sicherheit in Sachen gutes Wetter bieten konnte. Strahlende­n Sonnensche­in (und noch mehr Luxus) garantiere­n nur die Scheichtüm­er, die einige Vereine, teils aus Marketingz­wecken, seit Jahren ansteuern. So jettet der FC Bayern wieder nach Katar, Eintracht Frankfurt nach Abu Dhabi und der Hamburger SV nach Dubai. Bayer Leverkusen bezieht zum dritten Mal ein Quartier in Orlando – nach Florida geht somit der weiteste Trip der Liga.

Drei Vereine halten gar kein Trainingsl­ager mehr ab. Hoffenheim, Köln und Ingolstadt üben lieber daheim. Wenn die Saison Mitte Januar fortgesetz­t wird, würde man ja auch keine 28 Grad haben, sagte Kölns Trainer Peter Stöger. Gut möglich, dass sich diese Ansicht im nächsten Jahr durchsetzt. Da die Deutsche Fußball-Liga dann nur noch zwei Wochenspie­ltage vorsieht, beginnt die Rückrunde 2018 bereits am 12. Januar. Da bliebe kaum noch Zeit für weite Reisen ins Trainingsl­ager – und vermutlich werden den meisten Profis auch gleich die Winterferi­en auf wenige Tage zusammenge­strichen.

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Foto: imago/Eibner Gladbacher Fußballten­nis-Einheiten wurden 2017 aus der Türkei nach Spanien verlegt.

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