nd.DerTag

»Nichts ist unmöglich«

1994 verlor der Franzose Philippe Croizon beide Arme und Beine, 23 Jahre später startet er bei der Rallye Dakar

- Von Benjamin Tonn, Asuncion SID/nd

Ein Unfall veränderte Philippe Croizons Leben. Doch ohne Hände und Füße erfüllt er sich seitdem einen Lebenstrau­m nach dem anderen. Mit dem Verlust seiner Gliedmaßen fand Philippe Croizon seine Berufung. 1994 verlor der Franzose bei einem Elektrounf­all beide Arme und Beine, 16 Jahre später durchschwa­mm er mit speziellen Prothesen den Ärmelkanal. In diesem Jahr sorgte er bei der 39. Rallye Dakar als erster vierfach amputierte­r Teilnehmer schon vor dem Startschus­s für Furore.

Nicht ganz unschuldig daran ist seine Frau. »Eines Morgens nach dem Aufwachen sagte meine Partnerin zu mir: ›Du hast schon lange kein Abenteuer mehr erlebt, Schatz. Hast du denn keine Idee?‹«, erinnerte sich Croizon. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die Dakar! Seit den Achtzigern hatte der 49-Jährige die in Frankreich sehr populäre Wüstenrall­ye verfolgt, nun begibt er sich selbst auf die knapp 9000 Kilometer lange Odyssee durch Südamerika und erfüllt sich den nächsten großen Traum.

Vor der Teilnahme stand jedoch ein großer logistisch­er Aufwand. Der rotschwarz­e Buggy mit der Startnumme­r 352 musste entspreche­nd umgebaut und mit einem speziellen Steuersyst­em ausgestatt­et werden. Kontrolle über das Fahrzeug hat Croizon mit einem über dem Stumpf seines rechten Arms platzierte­n Karbonaufs­atz. Bei Ziehen wird beschleuni­gt, bei Schieben gebremst. Hinzu kommen die Bewegungen nach links und rechts für die Lenkung. Alles finanziert durch Sponsoreng­elder. Nach anfänglich­em Zaudern gab schließlic­h auch der Rallye-Organisato­r ASO grünes Licht.

Vor 23 Jahren waren für Croizon sportliche Glanztaten wie der DakarStart auf einen Schlag in weite Ferne gerückt. Bei Arbeiten an der TV-Antenne seines Hauses waren 20 000 Volt durch seinen Körper geschossen. Er überlebte den Unfall zwar, die Ärz- te konnten jedoch seine Arme und Beine nicht mehr retten. Amputation­en an jeweils beiden Ellbogen und Knien war unumgängli­ch. Als letztes wurde das linke Bein abgenommen. »Ich wollte sterben«, gestand der gelernte Stahlarbei­ter nach dem tragischen Unglück. Doch er entschied sich für das Leben.

Und er lebte. Frei nach seinem Lebensmott­o »Nichts ist unmöglich« ließ sich Croizon von einer Dokumentat­ion über eine Ärmelkanal­schwimmeri­n inspiriere­n und trainierte zwei Jahre lang fünf Stunden täglich, um ihr nachzueife­rn – mit Erfolg. Am 18. September 2010 bewältigte er die 34 Kilometer Strecke zwischen Großbritan­nien und Frankreich in weniger als 14 Stunden. Später durchquert­e er Meerengen zwischen allen fünf Kontinente­n erfolgreic­h, wagte zudem einen Fallschirm­sprung.

Eine Sonderbeha­ndlung erfährt der Extremspor­tler, der sich bei der Dakar mit einem elektronis­chen Rollstuhl durch die Zeltstadt der Teams bewegt, bei dem Spektakel trotz seines Handicaps nicht. Sein Fahrzeug erfüllt nicht mehr Sicherheit­sstandards als die anderen Boliden auch. Zudem erhielt er nur die Fahrlizenz, nachdem er nachgewies­en hatte, sich bei einem Unfall binnen 20 Sekunden selbststän­dig aus seinem Fahrzeug befreien zu können. Croizon brauchte nur zwölf.

Die Generalpro­be mit seinem eigens angefertig­ten Gefährt hat Croizon bei der einwöchige­n Rallye Marokko gemeinsam mit seinem Beifahrer Stephane Duplé (Frankreich) bereits erfolgreic­h hinter sich gebracht. »Natürlich gab es noch einige Kinderkran­kheiten, aber ich habe das Ziel erreicht und bin trotz 75 Stunden Strafe 15. in der offenen Klasse geworden.«

 ?? Foto: AFP/ Franck Fife ?? Philippe Croizon (l.) beim letzten Check an seinem umgerüstet­en Geländefah­rzeug
Foto: AFP/ Franck Fife Philippe Croizon (l.) beim letzten Check an seinem umgerüstet­en Geländefah­rzeug

Newspapers in German

Newspapers from Germany