Es geht um mehr als einen Tweet
Die Debatten um den Silvestereinsatz der Kölner Polizei hat sich auf den Begriff »Nafris«, den die Polizei in einem Tweet nutzte, verengt. Kritik am Polizeieinsatz ist unerwünscht. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter hatte lediglich ihre Zweifel am Einsatz der Kölner Polizei geäußert. Gegenüber der »Rheinischen Post« hinterfragte sie die Verhältnismäßigkeit von über 1000 Personenkontrollen in der Silvesternacht, die Aufgrund eines »nordafrikanischen Aussehens« durchgeführt wurden. Auch die Verwendung des Begriffs »Nafri« bemängelte die Spitzenpolitikerin. Dafür erntete sie viel Kritik. »Bild« bezeichnete Peter als »Grüfri«, was für »GRÜn-FundamentalistischRealitätsfremde Intensivschwätzerin« stehen sollte.
Die nordrhein-westfälische FDP bezeichnete die Grünen als »Sicherheitsrisiko«, das »die Augen vor der Realität« verschließe. Peter Tauber, Generalsekretär der CDU, warf Peter »MultikultiSchönfärberei und komplette Realitätsverweigerung« vor.
Aus der eigenen Partei erhielt Simone Peter nur wenig Rückendeckung. Der Bundesvorsitzende, Cem Özdemir, und die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Kathrin Göring-Eckardt, gingen auf Distanz zu Peter und lobten den Einsatz der Polizei. Am Montag noch ruderte auch Peter zurück und veröffentlichte eine Meldung auf Facebook, in der sie sich für den schnellen und präventiven Einsatz der Polizei bedankte.
Für den Einsatz bedankten sich nach Angaben des Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies auch Hunderte Bürger. Dies erklärte er bei einer Pressekonferenz am Montag. Dort entschuldigte er sich außerdem für die Verwendung des Begriffs »Nafri« in einem Tweet. Dies sei ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Arbeitsbegriff. Gemeint seien damit Nordafrikaner, die durch Straftaten oder Gewaltbereitschaft aufgefallen sind.
Welche Gefahr am Silvesterabend konkret bestand, bleibt weiterhin unklar. Die Bundespolizei spricht davon, dass Platzverweise und Einkesselungen einen »gefahrenerforschenden Charakter« gehabt hätten. Zu möglichen Verabredungen von nordafrikanischen Männern macht die Bundespolizei keine Angaben. Für sie bleibt aber noch zu klären, warum so viele junge Männer aus ganz Nordrhein-Westfalen den Silvesterabend in Köln verbringen wollten.
Kritik am Einsatz der Polizei kommt von Thomas Wüppesahl, dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten. Dem WDR und dem »Kölner Stadtanzeiger« sagte Wüppesahl, für den Einsatz in Köln hätten auch 500 Polizisten gereicht. Insgesamt sei der Einsatz wohl gut verlaufen. Die hohe Zahl der Beamten sei allerdings auf »Aktionismus« von Seiten der Politik zurückzuführen.
Auch Daniel Schwerd, der als einziges Mitglied der LINKEN im NRW-Landtag sitzt, bezweifelt, ob es sich nur um einen verunglückten Tweet der Polizei handelt. In einer Kleinen Anfrage will er von der Landesregierung wissen, wie sie den Begriff »Nafri« definiert und wie man diese Personengruppe erkennen kann. Schwerd fragt außerdem, wie die Landesregierung mit »racial profiling« umgeht und ob Polizeibeamte dafür sensibilisiert werden.
Dass dies nicht unbedingt der Fall ist, glaubt der Kriminologe Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum. Ein internes Hinweisblatt der Polizei NRW über ausländische Kriminelle bezeichnete der Wissenschaftler gegenüber der »Rheinischen Post« als »schlimmste Vulgärkriminologie« die den Eindruck vermittele, dass die »Polizeiführung in NRW nicht viel Wert auf Differenzierung« lege.