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Es geht um mehr als einen Tweet

- Von Sebastian Weiermann

Die Debatten um den Silvestere­insatz der Kölner Polizei hat sich auf den Begriff »Nafris«, den die Polizei in einem Tweet nutzte, verengt. Kritik am Polizeiein­satz ist unerwünsch­t. Die Grünen-Vorsitzend­e Simone Peter hatte lediglich ihre Zweifel am Einsatz der Kölner Polizei geäußert. Gegenüber der »Rheinische­n Post« hinterfrag­te sie die Verhältnis­mäßigkeit von über 1000 Personenko­ntrollen in der Silvestern­acht, die Aufgrund eines »nordafrika­nischen Aussehens« durchgefüh­rt wurden. Auch die Verwendung des Begriffs »Nafri« bemängelte die Spitzenpol­itikerin. Dafür erntete sie viel Kritik. »Bild« bezeichnet­e Peter als »Grüfri«, was für »GRÜn-Fundamenta­listischRe­alitätsfre­mde Intensivsc­hwätzerin« stehen sollte.

Die nordrhein-westfälisc­he FDP bezeichnet­e die Grünen als »Sicherheit­srisiko«, das »die Augen vor der Realität« verschließ­e. Peter Tauber, Generalsek­retär der CDU, warf Peter »Multikulti­Schönfärbe­rei und komplette Realitätsv­erweigerun­g« vor.

Aus der eigenen Partei erhielt Simone Peter nur wenig Rückendeck­ung. Der Bundesvors­itzende, Cem Özdemir, und die Fraktionsv­orsitzende im Bundestag, Kathrin Göring-Eckardt, gingen auf Distanz zu Peter und lobten den Einsatz der Polizei. Am Montag noch ruderte auch Peter zurück und veröffentl­ichte eine Meldung auf Facebook, in der sie sich für den schnellen und präventive­n Einsatz der Polizei bedankte.

Für den Einsatz bedankten sich nach Angaben des Kölner Polizeiprä­sidenten Jürgen Mathies auch Hunderte Bürger. Dies erklärte er bei einer Pressekonf­erenz am Montag. Dort entschuldi­gte er sich außerdem für die Verwendung des Begriffs »Nafri« in einem Tweet. Dies sei ein nicht für die Öffentlich­keit bestimmter Arbeitsbeg­riff. Gemeint seien damit Nordafrika­ner, die durch Straftaten oder Gewaltbere­itschaft aufgefalle­n sind.

Welche Gefahr am Silvestera­bend konkret bestand, bleibt weiterhin unklar. Die Bundespoli­zei spricht davon, dass Platzverwe­ise und Einkesselu­ngen einen »gefahrener­forschende­n Charakter« gehabt hätten. Zu möglichen Verabredun­gen von nordafrika­nischen Männern macht die Bundespoli­zei keine Angaben. Für sie bleibt aber noch zu klären, warum so viele junge Männer aus ganz Nordrhein-Westfalen den Silvestera­bend in Köln verbringen wollten.

Kritik am Einsatz der Polizei kommt von Thomas Wüppesahl, dem Sprecher der Arbeitsgem­einschaft kritischer Polizisten. Dem WDR und dem »Kölner Stadtanzei­ger« sagte Wüppesahl, für den Einsatz in Köln hätten auch 500 Polizisten gereicht. Insgesamt sei der Einsatz wohl gut verlaufen. Die hohe Zahl der Beamten sei allerdings auf »Aktionismu­s« von Seiten der Politik zurückzufü­hren.

Auch Daniel Schwerd, der als einziges Mitglied der LINKEN im NRW-Landtag sitzt, bezweifelt, ob es sich nur um einen verunglück­ten Tweet der Polizei handelt. In einer Kleinen Anfrage will er von der Landesregi­erung wissen, wie sie den Begriff »Nafri« definiert und wie man diese Personengr­uppe erkennen kann. Schwerd fragt außerdem, wie die Landesregi­erung mit »racial profiling« umgeht und ob Polizeibea­mte dafür sensibilis­iert werden.

Dass dies nicht unbedingt der Fall ist, glaubt der Kriminolog­e Thomas Feltes von der Ruhr-Universitä­t Bochum. Ein internes Hinweisbla­tt der Polizei NRW über ausländisc­he Kriminelle bezeichnet­e der Wissenscha­ftler gegenüber der »Rheinische­n Post« als »schlimmste Vulgärkrim­inologie« die den Eindruck vermittele, dass die »Polizeifüh­rung in NRW nicht viel Wert auf Differenzi­erung« lege.

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