Messerstecherei mit Folgen für Polen
Tödlicher Zwischenfall von Elk löste Unruhen und eine Diskussion über Fremdenfeindlichkeit aus
Ein tödlicher Zwischenfall in der polnischen Provinz hat im ganzen Land eine Debatte über den Umgang mit Migranten ausgelöst. Polen wird nur selten zur Wahlheimat für Muslime. Schätzungen zufolge leben an der Weichsel höchstens 25 000 Ausländer, die sich zum islamischen Glauben bekennen. Was in Westeuropa als kulinarische Folge massiver Einwanderung entstand, stößt bei den Polen trotz islamophober Stimmung dennoch auf Anklang: Das Land ist übersät mit türkischen und arabischen Schnellrestaurants.
Die Betreiber haben sich vornehmlich in Großstädten angesiedelt, doch auch in den strukturschwachen Masuren stößt man oft auf die Döner-Buden. Hier kam es am Silvesterabend zu einem folgenschweren Zwischenfall, der tagelange Unruhen auslöste.
In der 60 000 Einwohner zählenden Stadt Elk kam es vor einem Schnellimbiss zu einer Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang. Ei- ner der Besitzer des Lokals, ein 26jähriger Tunesier, zückte ein Messer und stach auf einen 21-jährigen Polen ein, der kurze Zeit später seinen Verletzungen erlag.
Das Opfer, Daniel R., habe nach den Informationen der Elker Polizei sein Getränk nicht bezahlen wollen. Nach einer zunächst verbalen Attacke warf sein Begleiter anschließend einen Böller in das Lokal, woraufhin es zu einer Rangelei kam. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen, zu Wochenbeginn wurde gegen ihn Anklage wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung erhoben.
Wären in den Vorfall zwei Polen verwickelt, bliebe er wohl Gegenstand der lokalen Presse. Die Herkunft des Täters erhitzte jedoch fremdenfeindliche Gemüter. Bereits am Neujahrstag versammelten sich mehrere hundert Menschen aus Protest gegen den Todesfall vor dem »Prince Kebab«, das von jungen polnischen Randalierern attackiert wurde. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei, 28 Personen wurden vorläufig festgenommen.
Dass der Tat kein islamistisches Motiv zugrunde lag, dürfte den Einwohnern von Elk gleichgültig sein. Nach den Anschlägen von Nizza und Berlin, an denen tunesische Staatsangehörige beteiligt waren, haben sich antiislamische Stimmungen in Polen verstärkt. Der Terrorakt in der deutschen Hauptstadt, bei dem auch der polnische Lkw-Fahrer Lukasz Urban ums Leben kam, sorgte landesweit für Bestürzung.
Indessen mühte sich der Elker Bischof um Worte ohne jede politische Brisanz. »Wir wollen im Gebet Barmherzigkeit für den Toten und seine Familie erbitten und versuchen, das Problem der Migration besser zu begreifen. Ohne Gewalt!«, appellierte Jerzy Mazur im Rundfunk.
Trotz dieses besonnenen Aufrufs und des Fehlens jeglicher Hinweise auf eine Tat mit terroristischem Hintergrund wird sich die Regierung in ihrer harten Linie gegenüber Migranten bestätigt fühlen. »Wir werden den Druck jener, die eine Krise vom Zaun brechen wollen, nicht nachgeben. Polens Grenze bleibt geschlos- sen«, sagte Innenminister Mariusz Blaszczak nach den Ereignissen in Masuren.
Flüchtlinge aus Nordafrika oder den Krisengebieten im Nahen Osten bekommen die verschärften Maßnahmen kaum zu spüren, da für viele von ihnen Polen allenfalls als Transitland eine Rolle spielt. Zum Problem wird der polnische Antiislamismus vorwiegend für Tschetschenen aus Russland, die vom Osten her in die EU gelangen wollen. Laut polnischen Behörden seien Ende Dezember im belarussischen Brest erneut Hunderte Flüchtlinge aus der Kaukasus-Region eingetroffen, die auf eine Weiterfahrt nach Polen hofften. Etwa 90 Prozent von ihnen werden aber in der polnischen Grenzstadt Terespol zurückgewiesen, was nach der Genfer Flüchtlingskonvention gar nicht erlaubt ist. Vor zehn Jahren sah die Situation noch anders aus: Wie kein anderes EU-Land hat Polen seinerzeit Zehntausende muslimische Tschetschenen aufgenommen. Doch auch damals haben die meisten ein westeuropäisches Land vorgezogen.