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Rad-Initiative fordert Tempo ein

Aktivisten des Volksentsc­heids wollen bis Ende März ein Fahrradges­etz haben

- Von Nicolas Šustr

Der eigene Gesetzentw­urf für eine fahrradfre­undliche Hauptstadt liegt seit über einem halben Jahr zur Prüfung beim Senat. Die Initiative will endlich Ergebnisse. »Radfahrer sind sieben Kilo leichter«, mit dieser plakativen Botschaft an die Öffentlich­keit startet Heinrich Strößenreu­ther, Initiator des FahrradVol­ksentschei­ds, in das neue Jahr. Er bezieht sich mit der Aussage auf eine Studie des Londoner Imperial College. Tatsächlic­h nennt die wissenscha­ftliche Arbeit einen Gewichtsun­terschied von vier Kilo zwischen Radlern und Autofahrer­n. Aber die Aktivisten vom Radentsche­id haben es gerne etwas peppiger.

Damit sind sie bisher auch gut erfahren, die öffentlich­e Aufmerksam­keit ist ihnen sicher. In der ersten Phase des Volksentsc­heids unterschri­eben auch innerhalb kürzester Zeit mehr als 100 000 Bürger. Seitdem hängt der Gesetzentw­urf in der Überprüfun­g durch die Verkehrsve­rwaltung fest. »Seit inzwischen sechseinha­lb Monaten«, sagt Strößenreu­ther. Inzwischen klagt die Initiative wegen Untätigkei­t vor Gericht. Die Aktivisten wollen, dass es endlich vorangeht mit der Berliner Fahrradrev­olution. Bis Ende März soll nach ihren Vorstellun­gen das entspreche­nde Gesetz im Abgeordnet­enhaus beschlosse­n werden.

»Alle drei Wochen stirbt ein Radfahrer«, nennt Strößenreu­ther einen gewichtige­n Beweggrund. 16 Radler starben 2016 bei Unfällen auf den Straßen der Hauptstadt, 600 wurden schwer, 5000 leicht verletzt. »Die Hälfte der getöteten Menschen waren Senioren, also beileibe keine Kampfradle­r«, sagt er. Und: »Zwischen dem Tod und einer schweren Verletzung liegen oft nur Millisekun­den.«

»Radwege sind dann sicher, wenn Eltern ihre Kinder dort alleine darauf fahren lassen würden«, auf diese Definition einigten sich bei einem Streitgesp­räch im Mai der damalige Verkehrsst­aatssekret­är Christian Gaebler (SPD) und Heinrich Strößenreu­ther. Nach dieser Definition sind 90 Prozent der Radwege bei einer Leserumfra­ge der »Berliner Morgenpost« durchgefal­len. Auf keinerlei Gegenliebe stößt die Nutzung von Busspuren, wie in der Schöneberg­er Hauptstraß­e oder der Leipziger Straße in

»Wir stehen für Verhandlun­gen bereit.« Heinrich Strößenreu­ther, Volksentsc­heid Fahrrad

Mitte. Am besten schnitt der Fahrradweg entlang der Straße des 17. Juni ab. »Der ist relativ schmal und hat auch keine tolle Oberfläche, aber er ist sicher«, so Strößenreu­ther. Ohne das Gefühl von Sicherheit ließen sich viele Autofahrer nicht aufs Zweirad locken.

Das wiederum torpediert Umweltziel­e. »Das Fahrradges­etz ist auch eine der schnellste­n und günstigste­n Methoden, um den Klimaschut­z voranzubri­ngen«, sagt Strößenreu­ther.

»Spannende Versprechu­ngen« habe die rot-rot-grüne Koalition gemacht, findet er. Zum Beispiel die angekündig­te Umverteilu­ng des Straßenrau­ms zugunsten von Fußgängern, öffentlich­em Nahverkehr und Radlern. Eine vollständi­ge Umsetzung des Radgesetze­s ließe den Anteil an der Verkehrsfl­äche von bisher drei auf sieben Prozent steigen, so Berechnung­en der Initiative.

Der Abgleich der zehn Kernforder­ungen der Initiative mit den entspreche­nden Passagen im Koalitions­vertrag wirkte auf die Aktivisten allerdings ernüchtern­d. »Wir haben nur rund 20 Prozent Übereinsti­mmungsgrad gefunden«, sagt Strößenreu­ther. Klar definiert in Ausdehnung und Standard sei nur das Ziel der zwei Meter breiten Radwege an Haupt- straßen. Auch die geforderte­n 100 Kilometer Radschnell­wege finden sich explizit in der Koalitions­vereinbaru­ng wieder. »Das Ergebnis ist nicht wirklich toll«, findet Strößenreu­ther. »Supergut« seien allerdings die ab 2019 jährlich eingeplant­en Investitio­nen in Höhe von 51 Millionen Euro in die Radinfrast­ruktur.

Am Freitag trifft sich die Initiative mit der neuen Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). »Wir stehen für Verhandlun­gen bereit«, sagt Strößenreu­ther. »Es geht ums Kennenlern­en. Aber wir werden auch über Zeitpläne sprechen, wie und wann wir die Ziele, die wir gemeinsam haben, erreichen können«, sagt Michael Tang, Sprecher der Verkehrsve­rwaltung. »Als Rückfalleb­ene müssen wir den Volksentsc­heid weiter durchziehe­n«, kündigt Strößenreu­ther an. Es solle nicht wieder ein »wachsweich­es Papier« wie die vom alten Senat verabschie­dete Fahrradstr­ategie entstehen.

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Foto: dpa/Gregor Fischer Geeignete Fahrradste­llplätze gehören zu den Forderunge­n des Radentsche­ids.

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