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Mit Volldampf ins Solarzeita­lter

Die Preise für Solarstrom sinken weltweit in den Keller

- Von Dirk Eidemüller

Während weltweit über das Ende von Atomenergi­e, Kohle und Öl gestritten wird, legt die Solarenerg­ie einen rasanten Aufstieg hin. Die Investoren reden bereits von möglichen Billioneng­eschäften. Die Sonne scheint für Solarunter­nehmen: Mittlerwei­le sind die Stromerzeu­gungskoste­n für große Photovolta­ik-Kraftwerke so weit gesunken, dass sie in sonnenverw­öhnten Regionen tagsüber konkurrenz­los günstig Strom produziere­n können. Zu verdanken ist dies weniger der Politik als den jahrzehnte­langen Bemühungen von Wissenscha­ftlern und Ingenieure­n weltweit, die Solartechn­ologie dahin zu bringen, wo sie nach Ansicht vieler hingehört: An die erste Stelle der globalen Energiepro­duktion. Mit Ausnahme der Atomenergi­e und der Geothermie, die auch in Zukunft eher Nischen füllen werden, stammt ja letztlich alle vom Menschen verbraucht­e Energie von der Sonne. Wind und Gezeiten sind ebenso wie Biomasse und fossile Energieträ­ger nur Nebenprodu­kte der Sonneneins­trahlung auf unserem Planeten.

Die Preise für Solarstrom sind heute schon unschlagba­r: In Marokko entsteht zurzeit ein Großkraftw­erk mit 800 Megawatt, das sowohl Photovolta­ik als auch Solartherm­ie nutzt. Die PV-Module liefern Strom für weniger als drei Eurocent pro Kilowattst­unde – allerdings nur, solange die Sonne scheint. Abends und nachts springt dann die Solartherm­ie ein, die derzeit noch knapp fünfmal teurer als die Photovolta­ik ist, aber ebenfalls immer billiger wird.

Ähnliche Solar-Großkraftw­erke existieren bereits oder befinden sich im Aufbau. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben beschlosse­n, das Gros ihrer Energieerz­eugung von Erdöl auf Solar- und Nuklearene­rgie umzustelle­n. Vermutlich wird solar sich auf Dauer als billiger herausstel­len und die nuklearen Pläne obsolet machen. Die Shams Solar Po wer Station, in der ebenso wie im marokkanis­chen Kraftwerk viel deutsche Technik steckt, hat bislang ihre Erwartunge­n übertroffe­n und an hei- ßen Sommertage­n bis zu einem Viertel mehr Strom produziert als die 100 Megawatt, für die die Anlage eigentlich ausgelegt ist. In Sweihan entsteht das nächste Kraftwerk mit 350 Megawatt, das mit nur noch knapp über zwei Euro-Cent pro Kilowattst­unde unglaublic­h günstigen Strom liefert.

Auch die chilenisch­e Solarindus­trie befindet sich derzeit in einer Phase schneller Expansion. Die Standortbe­dingungen im Norden sind äußerst günstig: Hinter der dem Pazifik zugewandte­n Andenkette, an der sich die Wolken abregnen, herrscht geringe Luftfeucht­igkeit und eitel Sonnensche­in. Aufgrund der hohen geografisc­hen Lage kommt in vielen Regio- nen besonders viel UV-Strahlung an, die in den Silizium-Solarzelle­n für einen hohen Wirkungsgr­ad sorgt.

Mit dem dramatisch­en Preisverfa­ll für Photovolta­ik – über 80 Prozent allein in den letzten sieben Jahren – steht die globale Stromprodu­ktion vor einem Umbruch. Auf der Weltklimak­onferenz in Marrakesch im November war es deshalb eines der heißesten Themen unter Experten, wie sich die riesigen Mengen an Kapital nutzen lassen, die derzeit von den großen Notenbanke­n zur Verfügung gestellt werden und die verzweifel­t eine sinnvolle Anlagemögl­ichkeit suchen.

Leider sind gerade in Afrika die politische­n und ökonomisch­en Rah- menbedingu­ngen schwierig: Großinvest­oren wie Rentenfond­s oder Lebensvers­icherern ist es meistens gesetzlich nicht gestattet, außerhalb von OECD-Ländern zu investiere­n, Währungsri­siken in Afrika einzugehen oder sich an Unternehme­n mit begrenzter Bonität zu beteiligen. Hier werden ganz neue Instrument­e gefragt sein, um Finanzieru­ngsrisiken zu minimieren und langfristi­ge Investment­s – etwa gebündelte Solaranlei­hen – mit einer Laufzeit zwischen 15 und 30 Jahren möglich zu machen.

Die Summen, um die es geht, sind gigantisch: Für eine saubere Energiever­sorgung der gesamten Menschheit sind nach dem Paris-Abkommen ab dem Jahr 2020 allein jährliche Transferza­hlungen der Industrie- in die weniger entwickelt­en Länder in Höhe von 100 Milliarden Dollar vorgesehen. Bislang kalkuliert man große Solarinves­tments in Milliarden, Finanziere­r reden aber bereits über einen Billionenm­arkt.

All diese Entwicklun­gen zeigen, wie schlecht beraten jede Volkswirts­chaft wäre, nicht in diesem riesigen und wichtigen Zukunftsma­rkt aktiv zu werden. Die Steinzeit ist nicht zu Ende gegangen, weil es keine Steine mehr auf der Erde gab. Das fossile und das nukleare Zeitalter werden nicht zu Ende gehen, weil es irgendwo unter der Erdoberflä­che keine Kohle, kein Öl oder kein Uran mehr geben wird.

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Foto: AFP/Narinder Nanu

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