Sanitätshäuser dürfen Kassenpatienten die Zuzahlung erlassen
Wer ein Kassenrezept einlöst, muss einen gewissen Betrag aus eigener Tasche zahlen. Das Geld kassieren der Apotheker oder der Händler. Und wenn der nicht will? Ein BGH-Urteil könnte nun manche Produkte billiger machen. Krankenversicherte dürfen auf Preisnachlässe bei medizinischen Hilfsmitteln wie Schuheinlagen, Blutzuckertests, Hörgeräten oder bei anderen Hilfsmitteln wie Messgeräten, Prothesen und Rollstühlen hoffen.
Ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 143/15) vom 1. Dezember 2016 erlaubt es den Händlern solcher Produkte, ihren Kunden die Zuzahlung an die gesetzliche Krankenkas- se zu erlassen. Zwar seien die Versicherten prinzipiell zur Selbstbeteiligung verpflichtet, entschied der BGH. Dem Händler stehe es aber frei, von der Einziehung des fälligen Betrags auf eigene Kosten abzusehen. Für die Versicherten können sich nunmehr erhebliche Einsparungen ergeben. Auswirkungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel gibt es nicht.
Bei bewilligten Hilfsmitteln haben die Patienten in der Regel zwischen fünf und zehn Euro aus eigener Tasche zu zahlen. Bei Produkten zum Verbrauch wie Spritzen oder Inkontinenzhilfen sind es zehn Prozent der Kosten je Packung bei maximal zehn Euro im Mo- nat. Offen ist allerdings, wie viele Händler vom ermöglichten Zuzahlungsverzicht tatsächlich Gebrauch machen. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, die den Fall vor Gericht gebracht hatte, beobachtet solche Werbeaktionen bisher vorwiegend im Bereich der Diabetikerprodukte. Dort geht es nach Auskunft der verklagten Dr. Schweizer GmbH um kleine Beträge von zwei Euro für die Abgabe von Teststreifen oder Lanzetten.
Dafür extra eine Rechnung auszustellen und notfalls Mahnungen zu verschicken, sei unverhältnismäßig, sagte der Geschäftsführer der verklagten GmbH. Das Familienunternehmen aus der Nähe von Ulm ver- treibt über einen Online-Shop vorwiegend Diabetikerbedarf. Im Laden könne die Zuzahlung an der Kasse einfach abkassiert werden. Die Firma hatte deshalb 2013 mit dem Erlass der Zuzahlung geworben.
Die Wettbewerbsschützer hatten daraufhin das Unternehmen abgemahnt und verklagt, weil sie kleine Händler und Apotheken im Nachteil sehen. Laut BGH sind die Zuzahlungen aber nicht zum Schutz von Mitbewerbern gedacht. Ein Rabatt ist bei Hilfsmitteln möglich, weil die Forderungen hier auf den Händler übergehen. Er kann also verzichten. Zum Beispiel bei Arzneimitteln liegt der Anspruch auf das Geld bei der Krankenkasse. dpa/nd