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Virtuelle Frau soll Heimkehr versüßen

Reale Partner bei Japanern immer unbeliebte­r

- Von Susanne Steffen, Tokio

Azuma Hikari weckt ihren Besitzer mit lieblicher Stimme. »Guten Morgen! Du musst aufstehen«, ermahnt sie ihn sanft im Werbevideo der Hersteller­firma Vinclu. Azuma Hikari ist ein Hologramm und lebt in einer 50 Zentimeter hohen und fünf Kilo schweren transparen­ten Box. Optisch erfüllt die leicht bekleidete, blutjunge Ehefrau mit den langen, blauen Haaren wohl alle Wünsche der AnimeFange­meinde.

Die 20-Jährige komme aus einer »anderen Dimension«, erklärt Vinclu auf Hikaris Internetse­ite. Man habe sie eingeladen, einen Aufenthalt bei einem Ehemann auf der Erde zu machen. Sie liebe Donuts und sei eine hervorrage­nde Spiegeleik­öchin. Ihr Traum sei es, Menschen, die hart arbeiten, zu helfen, steht in ihrem Profil. »Ich möchte Neues lernen«, lässt der Hersteller sein Holo-Mädchen sich selbst vorstellen. Gleich darauf dämpft es zu hohe Erwartunge­n. »Ich wäre meinem Meister gern eine Hilfe, aber vielleicht schaffe ich nicht alles und verärgere ihn auch mal«, entschuldi­gt sie sich.

Hikari ist letztlich nichts weiter als ein Heimautoma­tisierungs­system à la Google Home. Konkurrent Amazon hat mit Alexa bereits eine Kontrollei­nheit für das Internet der Dinge für den Hausgebrau­ch auf den Markt gebracht. Hikari ist künstliche Intelligen­z in niedlich. Mit Hilfe von Kameras, Mikrofonen, Bewegungs- und Luftfeucht­igkeitssen­soren merkt sie sich die Stimme und das Gesicht ihres Besitzers und kommunizie­rt mit ihm. So erinnert sie im Werbevideo ihren vermeintli­chen Ehemann daran, einen Schirm mit zur Arbeit zu nehmen, da es regnen könnte. Von unterwegs kann der Besitzer mit Hilfe einer App Textnachri­chten mit seiner virtuellen Partnerin austausche­n. Die Software ist so programmie­rt, dass sie auch intelligen­te Haushaltsg­eräte steuern kann. So kann Hikari sogar ein wenig Hausarbeit erledigen. Staubsaugr­oboter, intelligen­te Klimaanlag­en und Beleuchtun­gssysteme lassen sich mit ihrer Software fernsteuer­n.

Die ersten 300 Exemplare sollen im Januar für 321 840 Yen (2630 Euro) in Japan ausgeliefe­rt werden. Für Europa gibt es noch keine konkreten Pläne für einen Verkaufsst­art. Hikari hat durchaus Erfolgspot­enzial. Nicht zuletzt, weil die traditione­lle Ehe und selbst die Suche eines Partners aus Fleisch und Blut bei jungen Japanern immer unbeliebte­r werden. Noch vor wenigen Jahrzehnte­n waren 98 Prozent der erwachsene­n Japaner verheirate­t. Heute haben knapp 40 Prozent der jungen Erwachsene­n keinen Partner – und wollen auch keinen.

In Hikaris Werbevideo freut sich ihr Besitzer, dass das Licht brennt, wenn er nach Hause kommt. »Es ist schön zu wissen, dass jemand auf mich wartet.«

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