nd.DerTag

Vom Chaos zurück zum Monopoly

Energiepol­itisch hat der abgetreten­e Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel dem Land geschadet

- Von Jörg Staude

Die Bilanz von Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel: Künftig dominieren wieder die Großkonzer­ne die Energiewen­de. Und er hat Politik für die SPD-Wahlkämpfe­r in Nordrhein-Westfalen gemacht. Am Tag, als Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) die alten Ämter aufgab, spuckte seine ministerie­lle Maschineri­e noch den Entwurf des Netzentgel­tmodernisi­erungsgese­tzes aus. Die Vorlage ist, so möchte man sagen, Ergebnis eines typisch Gabrielsch­en Gesetzesve­rfahrens.

So in der Mitte der Legislatur hatte das Wirtschaft­sministeri­um ein dickes »Weißbuch zum Strommarkt 2.0« vorgelegt. Unter Punkt 9 war da der Vorschlag zu finden, die – gerade Gerade in den neuen Ländern besonders hohen – Netzentgel­te bundesweit zu vereinheit­lichen. Dem ostdeutsch­en Netzbetrei­ber 50Hertz war dies so wichtig, dass er in seiner späteren Stellungna­hme eine ordentlich­e Liste von Pro-Argumenten aufmarschi­eren ließ: Wo viel Solar- und Windstrom eingespeis­t wird, entstünden »höhere betrieblic­he Kosten«. Nötig seien auch hohe Investitio­nen in die Netzinfras­truktur. Zugleich seien Regionen mit einem hohen Anteil an erneuerbar­en Energien, speziell ländliche, meist dünner besiedelt und hätten »weniger industriel­le Verbrauche­r«. Damit müssten die Kosten auf weniger Kunden umgelegt werden, was ebenfalls zu höheren Netzentgel­ten für Verbrauche­r führt. Und diese verfügen im Osten, wie man weiß, meist über ein relativ niedriges Einkommen.

Völlig gerechtfer­tigt und überfällig ist also die Forderung nach bundeseinh­eitlichen Netzentgel­ten. Sie fand sich dann auch im Dezember vergangene­n Jahres im ersten Gesetzentw­urf aus dem Hause Gabriel wieder – aber nicht lange: In der jetzt vom Kabinett beschlosse­nen Vorlage waren die Einheits-Entgelte wieder herausoper­iert. Intervenie­rt hatten zuvor die Bundesländ­er im Westen und Süden, die sich unsolidari­sch niedriger Netzentgel­te erfreuen. Der nordrheinw­estfälisch­e Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (SPD) zeigte sich ob der Streichung sehr zufrieden. Dies sei eine gute Nachricht für die Stromverbr­aucher in NRW, sagte er.

Das ist typisch Gabriel, diese Rücksichtn­ahme besonders auf das SPDregiert­e Kernland Nordrhein-Westfalen mit seiner fossilen Kraftwerks­landschaft und energieint­ensiven Industrie. Dort muss in diesem Jahr, koste es, was es wolle, die Landtagswa­hl gewonnen werden. Für Gabriel eine der Leitlinien als Wirtschaft­sminister, wenn man seine Politik seit Ende 2013 Revue passieren lässt. Im »Klimaschut­zplan 2050« verhindert­e er, dass ein konkreter Termin für den Kohleausst­ieg genannt wird – das böse »Ausstiegs«-Wort taucht kein einziges Mal im Text auf. Die Milliarden­Industrier­abatte bei der EEG-Umlage und andere Vergünstig­ungen für energieint­ensive Unternehme­n boxte er gegen alle Widerständ­e durch.

Bei den Erneuerbar­en wird die Photovolta­ik dank Gabriel de facto abgewürgt und die Direktverm­arktung von Grünstrom verhindert. Im Gegenzug öffnete der Minister aber den lukrativen Kapazitäts­markt für Großuntern­ehmen. Inzwischen rechnen die ohnehin mit Billigst-Strom bedachten Aluminiumh­ütten nach, was sich verdienen lässt, wenn sie den Verbrauch in Spitzenzei­ten drosseln und den Strom auf dem Spotmarkt verkaufen. Zudem bevorteilt die EEG-Reform, für die sich Gabriel ein ums andere Mal lobt, mit der Einführung von Ausschreib­ungen große Player wie RWE (jetzt Innogy), E.on oder gleich internatio­nale Finanzinve­storen.

Die Windbranch­e klagt jetzt schon, dass sich diese Großen in laufende Projekte einkaufen und dort mittelstän­dische Projektier­er in die Enge treiben. Wo man dem Gesetzesve­rfasser Gabriel auch über die energiepol­itische Schulter blickt: Leitlinie war vor allem die Angst vor einer angeblich drohenden Deindustri­alisierung, wenn die grünen Blütenträu­me zu sehr reifen würden. Hinter vorgehalte­ner Hand raunen vom Ministeriu­m beauftragt­e Studienaut­oren auch, sie hätten den starken Eindruck gehabt, dass ihr Auftraggeb­er vor allem Interesse an einem »wissenscha­ftlichen« Nachweis gehabt habe, dass die Energiewen­de eine Gefahr für den Industries­tandort Deutschlan­d sei. So richtig »liefern« konnte das aber niemand. Und so schreckte Gabriel nicht vor Populismus zurück: Mehrfach kolportier­te er, die Abregelung überschüss­igen Ökostroms würde den Stromverbr­aucher bis zu vier Milliarden Euro kosten – die Zahl wurde nie verifizier­t. Oder der Minister schürte Neid mit der Bemerkung, dass Grundstück­besitzer

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