Unauffällig und effizient
Brigitte Zypries hat als Justizministerin Maßstäbe gesetzt – jetzt leitet sie für kurze Zeit das Wirtschaftsressort
Im Herbst will Brigitte Zypries ihre politische Karriere beenden. Doch bevor sie in Rente gehen kann, muss sie nun das Wirtschaftsressort bis zur Bundestagswahl möglichst geräuschlos führen. Brigitte Zypries gehört sicher nicht zu der Sorte Politiker, die ihre Karriere dem eigenen Charisma verdanken. Die 63-jährige Juristin gilt als unauffällig und effizient. Die gebürtige Hessin machte stets den Eindruck, sich in der zweiten Reihe wohler zu fühlen. Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bezeichnete seine Parteifreundin einmal als »Hidden Champion«. So nennt man in Wirtschaftskreisen jene Firmen, die keiner kennt und die trotzdem in ihrer Branche die Maßstäbe setzen.
Tatsächlich setzte sie als Bundesjustizministerin Maßstäbe, ohne dass man die von ihr umgesetzten Neuerungen, wie etwa das Antidiskriminierungsgesetz oder die Einführung des Straftatbestandes Stalking, mit ihr in Verbindung bringt. Dass sie, die jahrelang als Staatssekretärin tätig war – erst in Niedersachsen, dann im Bundesinnenministerium – überhaupt in die erste Reihe aufrückte, war einer unbedachten Äußerung ihrer Vorgängerin geschuldet. Die damalige Ressortleiterin Herta Däubler-Gmelin war in den Augen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) untragbar geworden, nachdem sie im Sommer 2002 die Methoden von US-Präsident George W. Bush mit denen Hitlers verglichen hatte. So kam Zypries zum Zuge, die die notwendigen Kompetenzen mitbrachte. Schließlich war sie in den 80er Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesverfassungsgericht tätig.
In ihrem Amt als Ministerin überstand Zypries das Ende der rot-grünen Bundesregierung und leitete auch unter der neuen Kanzlerin An- gela Merkel das Justizressort. Dort geriet sie dann mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble aneinander, der die allgemeine Terrorhysterie nutzen wollte, um Grundrechte zu schleifen.
Nach einer vierjährigen exekutiven Auszeit arbeitete Zypries ab 2013 wieder in der zweiten Reihe als Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und war dort für Luft- und Raumfahrt sowie IT zuständig. Somit ist ihr das Ressort, das sie nun übernimmt, bereits vertraut. Allerdings hatte Zypries selbst nicht damit gerechnet, noch einmal in die erste Reihe vorzumüssen. Ihre unspektakuläre Karriere sollte in diesem Herbst ein ruhiges Ende finden. Eine erneute Kandidatur für ihren Wahlkreis 186 im hessischen Darmstadt hatte sie ausgeschlossen. Dass sie jetzt noch einmal ran muss, hat auch viel mit ihrer Persönlichkeit zu tun. Denn Gabriel braucht eine Nachfolgerin, die das Ministerium im Wahljahr möglichst geräuschlos leitet und so viel Kompetenz besitzt, dass ihr der Laden nicht um die Ohren fliegt.