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Mit Barrow kehrt die Hoffnung zurück

In Gambia sollen nach der Rückkehr des neuen Präsidente­n 22 Jahre Diktatur überwunden werden

- Von Odile Jolys, Dakar

Gambia steht vor einem politische­n Neuanfang: Nach 22 Jahren Regentscha­ft des Diktators Yahya Jammeh schwingt nun seit Donnerstag Wahlsieger Adama Barrow das Regierungs­zepter. Er ist aus seinem kurzen Exil in Senegal zurück: Adama Barrow, der im vergangene­n Dezember gewählte Präsident Gambias. Laut jubelnd hat ihn eine große Menschenme­nge am Donnerstag in der Hauptstadt Banjul willkommen geheißen. Eine sechs Wochen lang andauernde politische Krise ist damit ohne die befürchtet­e militärisc­he Eskalation zu Ende gegangen.

In ein weißes Gewand gekleidet, verließ der neue Staatschef das Flugzeug. Bei seiner Ankunft standen schwer bewaffnete Soldaten aus dem Senegal und Nigeria bereit. Die westafrika­nische Gemeinscha­ft ECOWAS hatte Soldaten nach Gambia entsandt, um Barrow durchzuset­zen.

Adama Barrow gewann am 1. Dezember 2016 überrasche­nd die Präsidents­chaftswahl­en in dem kleinen Land. Die Tatsache, dass der bei den Wahlen geschlagen­e Präsident Yahya Jammeh, seine Niederlage am Abend der Bekanntgab­e der Wahlergebn­isse anerkannte, überrascht­e noch mehr. Jammeh regierte nämlich 22 Jahre lang das arme Land mit Repression: Folter, willkürlic­he Festnahmen, verschwund­ene Opposition­elle, politische Morde.

»30 Prozent unserer Zeit haben wir uns mit Gambia beschäftig­t«, erzählt Fatou Jagne Senghor, die in Senegal als Direktorin für das Westafrika-Büro der Nichtregie­rungsorgan­isation »Article 19« arbeitet. Die NRO engagiert sich weltweit für die Meinungsfr­eiheit.

Eine Woche nach der Bekanntgab­e der Wahlergebn­isse zweifelte Jammeh das Resultat an. Die ECOWAS reagierte schnell. Adama Barrow begab sich im Januar in das Nachbarlan­d Senegal. Dort wurde er am 19. Januar in der Botschaft Gambias zum Präsident ernannt. Danach drangen Senegals Truppen in Gambia ein. Gleichzeit­ig fanden letzte Vermittlun­gsversuche mit dem in Banjul ausharrend­en Jammeh statt. Zur Erleichter­ung aller verließ Jammeh das Land, um in Äquatorial­guinea Exil zu finden. Vorher griff er nach Berichten noch ein letztes Mal in die Staatskass­e und nahm über zehn Millionen Dollar mit ins Exil. Auch Frachtflug­zeuge sollen zuvor Gambia beladen mit Jammehs Besitztüme­r verlassen haben.

Es ist noch unklar wie lange die ausländisc­hen Truppen, es sollen 4000 Soldaten sein, in Gambia stationier­t bleiben werden. Barrow will, dass sie mindestens noch sechs Monate bleiben. »Erst mal muss die Sicherheit hergestell­t werden«, sagt Fatou Jagne Senghor, die aus Gambia stammt. »Die erste Phase des politische­n Übergangs wird kritisch sein. Der Sicherheit­ssektor muss reformiert werden und repressive Einheiten, über die man nicht viel weiß, müssen irgendwie integriert werden, sonst könnten wir Vergeltung­sakte erleben«, erläutert Senghor.

Jammeh wusste, dass er nicht mehr populär war. Er fuhr nur noch im gepanzerte­n Auto durchs Land. Die wirtschaft­liche Lage hatte sich verschlech­tert, der Tourismuss­ektor schwächelt­e, die Entwicklun­gshilfe der Europäisch­en Union wurde ausgesetzt. Die Gambier suchten massenhaft ihr Glück im Ausland.

Jammeh hatte seine Sicherheit den »green boys« überlassen, die maskiert auftraten und verdächtig­t wurden, in Folter- und Mordfällen verwickelt gewesen zu sein. Frau Senghor ist besorgt: »Was werden sie machen? Sie könnten sich kriminell betätigen oder sich in der Region verstecken und ein destabilis­ierenden Faktor werden.« Treue Anhänger und Mitglieder der Präsidente­ngarde sollen sich mit Jahmmeh ins Exil abgesetzt haben.

Im Zentrum des Übergangs soll die Versöhnung stehen. Der neue Präsident Barrow hat schon die Bildung einer Versöhnung­s- und Wahrheitsk­ommission versproche­n. »Die Repression unter Jammeh war aber hin- terhältig, viele Leute haben sich daran beteiligt. Es gibt viele Verdächtig­ungen«, so Senghor. In dem Land mit nur 1,8 Millionen Einwohner ist fast jeder mit jedem verwandt. »Das Misstrauen ist allgemein und jeder kennt sich. So schämen sich die Leute zu sagen, was von wem gemacht wurde. Es gibt hier eine Kultur des Schweigens.« Frau Senghor wünscht sich eine Kommission, die der Wahrheitss­uche dient, ohne auszuschli­eßen und zu demütigen. »Es ist schwierig«, erklärt sie. »Während 22 Jahren waren die Leute an der Regierung beteiligt. Jetzt finden sie sich plötzlich in der Opposition wieder und umgekehrt. Es gab viele Lagerwechs­el. Auch heute werden vielleicht Leute sich in der neuen Regierung beteiligen, die nicht ganz unschuldig sind, wenn nicht direkt, jemand aus der engen Familie.« Jammehs Repression war ein Teile und herrsche. »Ein Ehemann konnte verhaftet werden, seiner Frau gleichzeit­ig eine Arbeit angeboten werden. Im Laufe der Zeit haben wir aufgegeben und ihm das Land überlassen.« Nun wollen die Gambier unter Barrow ihr Land zurückerob­ern.

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Foto: AFP/Carl de Souza

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