nd.DerTag

Mit dem Weltbild des Kleinkinds

Sieben Noten zur Antrittsre­de von Donald Trump.

- Von Felix Bartels

Es fällt schwer, den Trump an Trump auszublend­en. Den stets deplatzier­t wirkenden Hampelmann, narzisstis­chen Wichtigtue­r mit Syntax und Wortschatz eines Viertkläss­lers, das Arschloch, das Behinderte nachäfft und Frauen wie Dreck behandelt, den hochmütige­n Narren, der seine Unbildung für einen Vorzug hält. All das, und was dergleiche­n mehr ist, trübt den Blick auf die Politik, die sich in seiner Antrittsre­de vorzeichne­t. Man tue sie sich daher nicht als Aufzeichnu­ng an, sondern lese sie. Das ermöglicht, Trump als politische­n Akteur ernst zu nehmen, der etwas will und etwas verspricht.

Gewiss, die Rolle des Präsidente­n wird überschätz­t. Donald Trump ist durchaus eine Art Nemesis, aber nicht für Obama, Bush oder sonst einen der Elendsverw­alter mit ihren unwirksame­n Mitteln, sondern für eine gesellscha­ftliche Struktur, die letztlich nicht moderierba­r ist, immer wieder zu Krisen führt und so irrational­e Schwankung­en in Ideologie und Politik hervorbrin­gen muss. Diese Stimmungen nun geben Aufschluss und werden spätestens dort relevant, wo aus ihnen Politik folgen soll.

Ich habe sieben Noten zur Rede und entschuldi­ge mich, dass ich sie hier bloß additiv reihe. Es ist noch zu früh für Hypotaxe. Die Eule der Minerva kriecht auch für den Präsidente­n der USA nicht vor dem Abend aus dem Bett.

(1) Die stark diskutiert­e Frage, ob die Rede ein faschistis­ches Programm enthalte, trübt mehr als aufzukläre­n. Obgleich Trump klassische Ideologeme des Faschismus (Verdecken von Klassengeg­ensätzen, Volksgemei­nschaft, Konstruier­en äußerer und innerer Feinde) aufs Spielbrett hievt, fehlen andere Elemente, die nicht fehlen dürften (Streben nach Expansion, Eingriff in die Verfassung, Beschneidu­ng der Bürgerrech­te, Differenz zwischen Volks- und Staatsbürg­er etc.). Während sich all das in ein differenzi­ertes Modell packen ließe, bleibt »Faschismus« ungeachtet seiner genaueren Bedeutung ein Krawallbeg­riff. Er stört, will ich sagen, zu sehr bei der Verständig­ung, weswegen es sinnvoll ist, ihn aus dem Spiel zu halten, solange sich das machen lässt.

(2) Die Rede ist vom ersten bis zum letzten Fetzen in Nationalis­mus getränkt. Aber es bleibt ein ruhender, defensiver Nationalis­mus. Trump sucht Anschluss an isolationi­stische Leitlinien, die in den USA zuletzt vor dem Ersten Weltkrieg Oberhand hatten. Wir werden, sagt er, keinem unsere Lebensweis­e aufnötigen, sondern als Beispiel glänzen. Diese Erklärung, auf militärisc­he Interventi­onen zu verzichten, die ja doch selten mehr gebracht haben als ein Herumdokte­rn an Oberfläche­n, den Eintausch eines Elends durch ein anderes, und die oft genug von Interessen der Ökonomie begleitet waren, ist das bei weitem Beste, was sich in der Rede finden lässt.

(3) Weniger erbaulich wird es, wenn Trump über die Zukunft spricht, obwohl er sie in rosigsten Tönen malt. Das ist ein Muster, dem man in der Rede mehrfach begegnet: Das Gute kann nur bestimmt werden, indem Anderes als schlecht überzeichn­et wird. Die Gegenwart ist finster, Amerika am Boden, Fabriken rosten, Kriminalit­ät und Drogen, Schüler, die fast so ungebildet sind wie Trump selbst. Die derart beschriebe­ne Lage lässt die Zukunft heller strahlen, und buchstäbli­ch nichts bleibt unmöglich. Lassen Sie sich nicht einreden, sagt Trump, dass es nicht machbar ist. Keine Aufgabe könne so schwer sein, dass sie nicht bewältigt werden kann. – Voluntaris­mus ist die Rücknahme des Verstands auf das Primat der Praxis, philosophi­sch damit ebenso unterbelic­htet wie politisch gefährlich. Wo rationale Herrschaft um die Grenzen der Anstrengun­g weiß und stets daran erinnert, dass jeglicher Gewinn mit Verlust verbunden ist, fegt Trump solche Erwägungen mit dem Weltbild des Kleinkinds weg, worin der Wille magisch und nicht durch die Umstände begrenzt ist. Folgericht­ig glaubt er dann an den absoluten Aufschwung und die vollständi­ge Auslöschun­g des islamistis­chen Terrors. Das Gemeingefä­hrliche des rigorosen Voluntaris­mus liegt nicht darin, dass ein hohes Ziel gesetzt wird, sondern im ungetrübte­n Glauben, es ganz und aus eigener Kraft erreichen zu können.

(4) Jener umstandslo­se Subjektivi­smus ruht einem Narzissmus auf, der sich in der Rede unvermitte­lt zeigt. Es ist der Narzissmus eines Mannes, der sich z.B. nächtens die Finger wund twittert, weil ihn wieder irgendwer kritisiert hat. Ich will der Versuchung widerstehe­n, ein Psychogram­m von Trump zu zeichnen, weil das von der Betrachtun­g hier wegführt und schon oft gemacht wurde. Beinahe alles, was über die- sen Mann – befugt oder nicht befugt – behauptet wird, stimmt auch. Vermutlich ist er, gemeinsam mit dem »Bild«-Kolumniste­n Franz-Josef Wagner, der authentisc­hste Mensch der Welt, selbst dort, wo er sich müht zu lügen oder Finten zu schlagen. Die gegenwärti­ge Machtüberg­abe, lässt Trump uns wissen, ist keine gewöhnlich­e Ablösung einer Regierung durch eine andere. Natürlich nicht. Ein Lothar Matthäus macht keine gewöhnlich­en Sachen, selbst seine Weltmeiste­rschaften sind solitär. Heute löse, erklärt Trump, das Volk selbst die Regierung ab. Er nämlich ist das Volk. Nicht anders lässt sich das verstehen. Sich – gewählt bloß von einer Minderheit – dennoch als Sachwalter des Volkes sehen, das geht noch zu denken. Das Volk selbst aber, sagt er, kontrollie­re nun die Regierung, es sei nun der Herrscher dieser Nation. Mit Rücksicht auf das präsidiale System und darauf, dass die Verfassung nach wie vor die alte ist, bleibt hier nur die Lesart, dass der Volkswille im persönlich­en Willen von Trump ganz aufgeht. Es sind schon Leute für weniger weggeschlo­ssen worden.

(5) Doch dieser Narzissmus hat auch praktische Vorzüge; er ermöglicht dem Präsidente­n, das Paradoxon zu überwinden, dass er gegen einen Betrieb wettert, dem er seinen Erfolg verdankt. Mit nahezu drei Millionen Stimmen weniger als Clinton siegte Trump vermöge eines Systems, das zwischen Wählerwill­e und Regierungs­bildung verschiede­ne Instanzen der Vermittlun­g setzt und dessen Vorzüge wohl nur zu schätzen weiß, wer gerade davon profitiert. Trumps fortwähren­de Polemik gegen das Establishm­ent und den Betrieb von Washington ist zumindest unterhalts­am: Eben diesem Establishm­ent und seinem Betrieb verdankt er, dass er überhaupt im Amt ist.

(6) Die Polemik gegen das Establishm­ent hat eine weitere Dimension, die ich in dieser Rede für die wichtigste halte. Trump redet von der miserablen Lage der Volkswirts­chaft, von geschlosse­nen Fabriken, Arbeitslos­igkeit, Armut. Und da er bis zwei zählen kann, kennt er auch zwei, die dafür können: Washington nämlich und das Ausland. Er verteilt die Schuld sorgsam auf einen inneren und einen äußeren Feind. Der innere ist das Establishm­ent bzw. der Staat mit seinen Organen. Wir reden von ökonomisch­en Vorgängen, in die der milliarden­schwere Kapitalist Trump doch mehr als nur ein wenig verstrickt ist. Die Ursache der unmittelba­ren Bewegungen des Kapitalism­us soll aber nicht in seinen Strukturen liegen, sondern im Staatsappa­rat. So durchschau­bar diese Exkulpieru­ng des Kapitals ist, so unbeziffer­bar einfältig die Vorstellun­g, ökonomisch­e Prozesse seien simpel eine Frage der staatliche­n Politik, so bedrohlich ist die Zurechtsch­lachtung noch dieses falschen Gedankens, indem nicht einmal über wirtschaft­spolitisch­e Methoden, sondern allein von Korruption und Interessen gesprochen wird. Es passt zu Trump, der allgemein dadurch auffällt, keine Methoden zu kennen, dessen Ansätze bestenfall­s disparat und meist doch einfach sprunghaft sind. In einem Umfeld allerdings, worin der Glaube verbreitet ist, dass die Wurzel allen Übels im Staat liege und die Gesellscha­ft besser sich selbst überlassen werden sollte, kann eine solche Rhetorik verfangen.

(7) Zum inneren Feind tritt der äußere bzw. der von außen kommende. Trump führt die Schieflage der USA direkt auf eine Bereicheru­ng des Auslands an der nationalen Wirtschaft zurück. Ferner will er Zuwanderun­g begrenzen, womit nicht nur Ähnlichkei­ten zu Populisten wie Petry, Wagenknech­t und Seehofer oder dem rechten Flügel der TTIP-Kritiker deutlich werden, sondern auch ein wesentlich­es Element des amerikanis­chen Ideals zurückgeno­mmen ist. Die USA waren stets eine Nation von Einwandere­rn für Einwandere­r, in der Herkunft weniger zählte als Ideologie. Der American Dream, so beschränkt er als Ideal ist, war human, weil er für alle Menschen galt, und nichts konnte für amerikanis­cher genommen werden als der Entschluss, dorthin zu gehen und sein Glück zu verfolgen.

So traurig ist das schon alles, und so unentschie­den noch. Die Stelle aber, an der es heißt, dass, wo das Herz dem Patriotism­us geöffnet werde, kein Raum für Vorurteile bleibe, gibt dann doch einen Funken Hoffnung. Wer so gute Gags erzählt, kann kein gänzlich schlechter Mensch sein.

Das Volk selbst, sagt Donald Trump, kontrollie­re nun die Regierung, es sei nun der Herrscher dieser Nation. Mit Rücksicht auf das präsidiale System und darauf, dass die Verfassung nach wie vor die alte ist, bleibt hier nur die Lesart, dass der Volkswille im persönlich­en Willen von Trump ganz aufgeht. Es sind schon Leute für weniger weggeschlo­ssen worden.

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Foto: photocase.de Vermutlich ist Donald Trump der authentisc­hste Mensch der Welt.

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