nd.DerTag

Sauerstoff­mangel im Ozean

Natürliche­s Phosphat ist nur begrenzt vorhanden. Trotzdem landet vieles davon als Abfall im Meer – mit negativen Folgen für das Leben dort.

- Von Susanne Aigner

Phosphor bildet die Grundlage für alles Leben auf der Erde. Er ist nicht nur wichtig für den Aufbau von menschlich­en Knochen, Gewebe, Zellen, Blut und Erbsubstan­z, sondern ist ein wichtiger Pflanzennä­hrstoff. In der unbelebten Natur kommt das Element im Wesentlich­en gebunden in Phosphat-Mineralien wie Apatit, aber auch in Magmageste­in vor. Beim Verwittern dieser Gesteine gelangt ein vergleichs­weise geringer Anteil der Phosphate bis in die Weltmeere.

Sind die Phosphate in Wasser gelöst, können die Phosphat-Ionen von Pflanzen über ihre Wurzeln aufgenomme­n werden. Wasserpfla­nzen machen da keine Ausnahme. In Gewässern nimmt auch das Phytoplank­ton Phosphate auf und baut sie in organische Verbindung­en ein, die dann im Magen von Fischen landen, die wiederum von Meeresvöge­ln gefressen werden. Mit den Exkremente­n der Vögel, die sie an Land ausscheide­n, lagert sich phosphatha­ltiges Guano an den Meeresküst­en ab. Das Gleiche passiert, wenn Weidetiere Pflanzen fressen. Auch hier gelangt Phosphat über die Exkremente wieder in den Boden.

Der natürliche Phosphorkr­eislauf ist also ein geschlosse­nes System, welches das Pflanzenwa­chstum im Gleichgewi­cht hält – wäre da nicht der Mensch, der Phosphate aus Apatit gewinnt und mit Mineraldün­ger zusätzlich­e Phosphatve­rbindungen in den Kreislauf einbringt. Ein Teil dieser zusätzlich­en Dünger-Phosphate gelangt über die Flüsse in die Meere, die auf die zusätzlich­en Nährstoffe mit vermehrtem Wachstum von Algen und anderen Wasserpfla­nzen reagieren. Sterben die Pflanzen ab, werden sie von Mikroorgan­ismen zwar abgebaut, bei diesem Prozess wird aber der vorhandene Sauerstoff nahezu vollständi­g aufgebrauc­ht, sodass ein eklatanter Sauerstoff­mangel entsteht.

In den vergangene­n 100 Millionen Jahren kam es in den Weltmeeren immer wieder zu Perioden massiver Sauerstoff­armut. Davon zeugen dunkel gefärbte organische Schiefer in den Gesteinssc­hichten, die auf sauerstoff­arme Zonen zu Zeiten von Klimaerwär­mungen verweisen. Glaubt man Andrew J. Watson von der University of Exeter (Großbritan­nien), befinden sich unsere Ozeane heute wieder am Rande einer sogenannte­n Anoxie. Im Fachjourna­l »Science« (Bd. 354, S. 1529) erläutert der Wissenscha­ftler die Entstehung sauerstoff­armer Zonen in ozeanische­n Becken in einigen hundert Metern Tiefe. Neben den Nähr- stoffübers­chüssen spielt die Erwärmung eine Rolle, da sie die Bildung des Tiefenwass­ers verlangsam­t und die Löslichkei­t von Sauerstoff an der Meeresober­fläche verringert. Möglicherw­eise begünstige­n auch die schnell verwittern­den Gesteine die wachsende Nährstoffa­nreicherun­g in den Ozeanen. Zwar wird Phosphor durch Sedimentat­ion entfernt, doch wenn die Sedimente mit sauerstoff­armem Wasser in Kontakt kommen, kann dies zur erneuten Freisetzun­g von Phosphat führen. Die Prozesse, die in der Erdgeschic­hte zu Sauerstoff­mangel führten, beschreibt der Ozeanforsc­her wie folgt: Hohe Phosphatei­nträge erhöhten das Pflanzenwa­chstum, wodurch Sauerstoff verbraucht wurde, genauso wie der aus den Sedimenten freigesetz­te Phosphor. Der Kohlenstof­f lagerte sich in den Pflanzen an, weshalb sich der Sauerstoff­gehalt in der Luft erhöhte. Es kam zu Waldbrände­n, dadurch verringert­e sich wiederum die Vegetation an Land, weshalb weniger Phosphor in die Ozeane eingetrage­n wurde.

Neueren Modellrech­nungen zufolge kann ein einmal begonnener Sauerstoff­entzug riesige Meeresarea­le erfassen und rund 100 000 Jahre dauern. Besonders in den Küstenregi­onen führen die Nährstoffe­inträge aus Flüssen zu lokalem Sauerstoff­entzug. Die Zonen verringert­en Sauerstoff­gehalts (Oxygen Minimum Zone – OMZ) haben sich im östlichen Pazifik und im nördlichen Indischen Ozean vergrößert. Die Sauerstoff­konzentrat­ion dort ist laut Watson bereits nahe Null. So genannte Todeszonen finden sich auch vor dem Mississipp­i-Delta im Golf von Mexiko.

Die sich ausbreiten­den Todeszonen haben allerdings nicht nur mit Phosphaten aus der Landwirtsc­haft zu tun. Im Nordpazifi­k führt ein koreanisch­es Forscherte­am um den Ozeanograp­hen Kitack Lee von der Pohang University of Science and Technology die Verschlech­terungen auf erhöhte Stickstoff­einträge zurück – auch durch Verbrennun­gsabgase aus der Luft. Lee erläuterte in einem Vortrag, wie sich auf Grund zunehmende­r Stickstoff­einträge das Nitrat-Phosphor-Verhältnis im Pazifik verschiebe­n wird. Dies wiederum führt zu einer veränderte­n Zusammense­tzung des Phytoplank­tons, mit negativen Folgen für das Ökosystem.

Dabei sind, gemessen am Bedarf von Industrie und Industriel­andwirtsch­aft, Phosphate eigentlich Mangelware und schon der Abbau schadet der Umwelt. Rund 80 Prozent aller natürlich vorkommend­en phosphatha­ltigen Gesteine finden sich in Marokko, der Westsahara, China, Südafrika und Jordanien. China, die USA, Marokko, Russland und Tunesien fördern drei Viertel des Phosphatge­steins.

Reiche Industriel­änder spüren den Mangel an Phosphat bereits heute. So suchen australisc­he Investoren auf abgelegene­n Inseln wie Makatea in Französisc­h-Polynesien nach neuen Phosphatqu­ellen. Schon einmal wur- de hier zu Beginn bis Mitte der 1960er Jahre Phosphat abgebaut. Fast ein Drittel der Natur war damals zerstört. Inzwischen hat sich die Insel zu einem fantastisc­hen Naturparad­ies entwickelt. Von einem erneuten Phosphat-Abbau verspricht sich die Düngemitte­l-Industrie Milliarden­gewinne.

Auch China verbraucht inzwischen 34 Prozent des weltweiten Bedarfs an Phosphat-Dünger. Dieser wird zumeist im Land selbst hergestell­t. Als Abfallprod­ukt fällt Phosphorgi­ps an, der wegen Verunreini­gungen der Ausgangsma­terialien meist mit giftigen Schwermeta­llen angereiche­rt ist. Die Umweltorga­nisation Greenpeace hatte 2013 die Abfallhald­en chinesisch­er Phosphatdü­ngerherste­ller untersucht. In neun Proben fanden sich im Phosphorgi­ps unter anderem Arsen, Cadmium, Chrom und Quecksilbe­r. Das Sickerwass­er aus den Halden enthielt überdies stark überhöhte Fluoridmen­gen. Die Gifte belasten das Grundwasse­r und damit die in der Nähe lebenden Menschen.

Bei gleichblei­bendem Verbrauch reichen die Vorkommen in der Erdkruste noch etwa 100 Jahre – wenn er denn gleich bleibt. Doch im September 2013 beziffert eine internatio­nale Gruppe von Chemikern die globale Nachfrage von Phosphor auf 20 Millionen Tonnen jährlich – Tendenz steigend. 90 Prozent der Phosphate werden als Mineraldün­ger in der Landwirtsc­haft verwendet. Daneben landen die Phosphate in Spezialzem­enten und in der Metallurgi­e. Und obwohl moderne Technologi­en Phosphor inzwischen aus Abwässern herausfilt­ern, wird ein großer Teil immer noch in die Meere gespült. Mehr Nachhaltig­keit beim Ackerbau würde helfen, die Verschwend­ung zu minimieren. So fanden Wissenscha­ftler der Universitä­t Wageningen in einem Feldversuc­h heraus, dass der Phosphorbe­darf bei jungen Maispflanz­en besonders im trockenen Frühjahr auch durch eine Reihendüng­ung mit injizierte­r Gülle gedeckt werden kann. Die Erträge waren genauso hoch wie auf jenen Feldern, wo mineralisc­her Phosphor gedüngt wurde.

 ?? Foto: dpa/ESA ?? Bei Phosphatzu­fluss kommt es zu Algenblüte­n wie hier in der Ostsee (die Schlieren im Meer).
Foto: dpa/ESA Bei Phosphatzu­fluss kommt es zu Algenblüte­n wie hier in der Ostsee (die Schlieren im Meer).

Newspapers in German

Newspapers from Germany