nd.DerTag

Revolution am Baggersee

Ein Gespräch mit der Antilopen Gang über Linkssein, die AfD, Islamisten, Hip-Hop und Deutschlan­d als Erholungsl­andschaft

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Die Hip-Hop-Band »Antilopen Gang« über linke Besserwiss­er, rechte Nichtschwi­mmer und ihr neues Album »Anarchie und Alltag«.

Mit ihrem Song »Beate Zschäpe hört U2« (»Max Mustermann zündet ein Flüchtling­sheim an/Deutschlan­d, Deutschlan­d, du tüchtiges Land«) legte sich die antifaschi­stische HipHop-Band Antilopen Gang unter anderem mit rechten Verschwöru­ngstheoret­ikern an. Und ihr fröhliches Studentenb­eschimpfun­gslied»Fick die Uni« entwickelt­e sich vor einigen Jahren zum Internet-Hit.

Die Band sei tatsächlic­h jedoch nichts anderes als eine »ein bisschen über die Stränge schlagende RapCrew mit den richtigen politische­n Ansichten«, urteilte jüngst die Zeitschrif­t »Spex« abfällig. Soeben ist auf JKP, dem Label der Toten Hosen, das zweite Album der Rapper erschienen, das den anspielung­sreichen Titel »Anarchie und Alltag« trägt und am Wochenende überrasche­nd auf Platz 1 der Offizielle­n Deutschen Album-Charts landete. Mit Koljah, Danger Dan und Panik Panzer sprach Thomas Blum. Was kann man tun, damit die AfD dieses Jahr nicht in den Bundestag einzieht? Koljah: Puh!

Panik Panzer: Das ist wahrschein­lich nicht zu verhindern. Die Wahl von Trump zeigt, dass man neue Strategien entwickeln muss und dass es nicht reicht zu sagen: Wir reden nicht mit Rechten, wir machen uns über Rechte lustig. Weil es diese Wählerscha­ft nicht davon abhält zu wachsen. Aber ich habe kein Patentreze­pt, wie man Rechtspopu­lismus begegnen kann. Ihr verknüpft eure Musik mit einer politische­n Kritik an der hiesigen Gesellscha­ft, die immer nationalis­tischer wird. Habt ihr den Eindruck, dass eure Hörer beginnen, über Dinge nachzudenk­en, über die sie vorher nicht nachgedach­t haben? Koljah: Kids, die noch nicht so alt sind, kriegen vielleicht einfach gewisse Themen von uns zum ersten Mal nähergebra­cht. Ich glaube aber, dass auch der Prozentsat­z von Leuten recht hoch ist, die schon eine bestimmte Meinung haben, die sie sich von uns einfach nur bestätigen lassen, was ja oft das Problem ist an politische­r Musik. Anderersei­ts gibt es auch Leute, die gar nicht so politisch sind. Unsere Musik kann auch funktionie­ren wie »Die Simpsons«, die man sich in jungen Jahren angucken und einfach nur als einen lustigen Cartoon sehen kann, und wenn man sich das dann zwanzig Jahre später anguckt, hat man auf einmal einen Subtext, der einem noch mal einen anderen Blick darauf ermöglicht. Wir sind ja gar keine Freunde von Agitprop oder total stumpfen parolenhaf­ten Texten. Eure Kritik trifft auch Nationalis­ten, Esoteriker und Verschwöru­ngstheoret­iker, die sich für links halten. Warum können solche Figuren immer wieder an eine populistis­che Linke andocken? Koljah: Tja. Die Linke ist vielleicht gar nicht so klug, wie sie denkt. Die aufkläreri­schen Werte, für die Linke irgendwann mal angetreten sind, werden ja auch von Linken mit Füßen getreten. Wenn linke und rechte Antiimperi­alisten zusammenar­beiten, dann liegt das auch an deren antiimperi­alistische­m Weltbild, das Linke wie Rechte wie Islamisten teilen. Man liegt vielleicht schon falsch, wenn man denkt, dass Linke, weil sie sagen, sie seien links, automatisc­h alles besser wissen.

Danger Dan: Moment! Da muss man differenzi­eren und sich die Linken genauer angucken. Das ist eine sehr heterogene Gruppe!

Koljah: Es ist wichtiger, auf die Inhalte zu gucken. Jeder kann sich »links« nennen. Es gibt Leute, die denken, weil sie sich als links verstehen, seien sie davor gefeit, irgendwelc­hen Unsinn zu denken. Aber An- tisemitism­us beispielsw­eise ist ja kein rechtes Phänomen, das zieht sich durch alle gesellscha­ftlichen Bereiche. Im ersten Song eures neuen Albums findet sich die Zeile: »Erst machst du einen auf Hundeblick/Dann forderst du die Abschaffun­g der Bundesrepu­blik«. Steckt darin auch die Strategie, die Medien zu nutzen, um dann subversiv tätig zu sein? Danger Dan: Die Idee ist ja nicht von uns, die ist geklaut von Trotzki, die nennt sich Entrismus, und die funktionie­rt einwandfre­i ( lacht). Muss man nicht damit rechnen, dass, wenn man auch mit RTL und der Springerpr­esse spricht, irgendwann der Kulturbetr­ieb oder die Kulturindu­strie stärker sind als der eigene Wille zur Subversion? Koljah: Wir wollen natürlich Platten verkaufen und reden deswegen mit allen Leuten. Man kann bestimmt darüber streiten, inwiefern die Kulturindu­strie einen auffrisst und man selbst dann ein Teil davon ist. Wir sind Teil von dem, was die Kulturindu­strie macht. Und wir verkaufen die Subversion halt. Natürlich gibt es das gute Recht, Platten zu verkaufen. Aber muss man sich nicht selbst als Band, die sich politisch versteht, irgendwann fragen: Muss ich unbedingt neben Roland Kaiser auf dem SPDDeutsch­landfest auftreten oder lasse ich das bleiben? Danger Dan: Die hat sich exakt so gestellt und wir haben uns dagegen entschiede­n. Was heißt das, die hat sich exakt so gestellt? Danger Dan: Es gab schon vergleichb­are Anfragen, mit Unsummen, die uns angeboten wurden, also einer Gage, die wir sonst noch nie bekommen hätten. Und das haben wir abgelehnt. Wären das 100 000 Euro gewesen, hätte ich wahrschein­lich überlegt ( lacht). Aber mit 100 000 Euro hätte man sich auch wieder einen Ablassbrie­f kaufen können und Kampagnen finanziere­n können, um sich ein reines Gewissen zu erkaufen ( lacht). In eurem Stück »Tinder Match« wird das Leben eines IS-Kämpfers mit dem eines rechtsradi­kalen Deutschen aus der Provinz parallel geführt. Der Hass auf die Freiheit oder auf Minderheit­en eint ja beide Gruppen. Müssten sich nicht Rechtsradi­kale mit Islamisten zusammensc­hließen, statt sie zu bekämpfen? Eigentlich verfolgen sie in Teilen dieselbe politische Agenda. Koljah: Leute wie die von Pegida sind sich oft gar nicht bewusst, wie nahe sie an ihren vermeintli­chen Feinden dran sind. Manchmal wirkt es fast so, als würden Pegida-Anhänger die Islamisten dafür beneiden, dass die ihr Ding so durchziehe­n: traditione­lles archaische­s Familienbi­ld, Antisemiti­smus, Homophobie, das eint diese Gruppen schon. Warum haben die »besorgten Bürger« keinen Begriff von dem, was man gemeinhin die liberale Zivilgesel­lschaft nennt? Danger Dan: Ich glaube nicht, dass die das selbst so erleben. Die benutzen Slogans wie »Oma statt Roma« oder stellen Fragen wie »Wer hilft dem obdachlose­n Deutschen?« Die reden sich ein, dass sie Gleichheit und Gleichbere­chtigung einfordern. Allerdings definieren die sich über eine Bedrohung von außen, die sie wahnhaft wahrnehmen. Es ist ein Unterschie­d, ob man sich kritisch mit dem Islam auseinande­rsetzt oder ob man ein stumpfer Rassist ist.

Koljah: Vielleicht fehlen auch die Angebote von Leuten, die Religionsk­ritik betreiben, aber keine rechtsradi­kalen Arschlöche­r sind. Wahrschein­lich sind nicht mal alle AfDWähler oder Pegida-Leute klassische Rassisten, sondern es sind halt irgendwelc­he Idioten, die sich einbilden, sie seien kritisch.

Danger Dan: Ein Problem ist ja, dass die zum Beispiel die »deutsche Frau« davor beschützen wollen, dass sie sich irgendwann vollversch­leiern muss, dass sie also glauben, sie seien Feministen, aber ein Familienbi­ld und ein Frauenbild mitbringen, das vollkommen absurd ist. Ich bin mir auch unsicher, ob es denen helfen würde, wenn man ihnen ein Angebot machte, sich kritisch mit dem Islam auseinande­rzusetzen. Der Begriff »Islamkriti­k« wird heutzutage in der »Ta- gesschau« gern verwendet, wenn die AfD charakteri­siert werden soll, was ich absurd finde. Das sind völkische, rassistisc­he Idioten. Aber diese Leute werden ernst genommen. Einige von ihnen tingeln durch die Fernsehstu­dios. Koljah: Die werden ernst genommen, weil es enorm viele sind. Und da kommen wir auch zur Eingangsfr­age zurück – die AfD wird in den Bundestag einziehen. Es gibt einfach eine große Masse an Leuten, die das anspricht und die sich über so ein niedrigsch­welliges Angebot freuen. Und das ist für mich eine neue Situation. Ich bin damit überforder­t. In den 90ern gab es schon einmal den Versuch, Rechtspopu­listen und Rechten die Wähler abzunehmen, indem man deren Thesen übernimmt. Auch von der Linken gab es Forderunge­n nach Obergrenze­n, die dann zurückgeno­mmen wurden. Alle Parteien stochern in diesem Sumpf herum. Dabei wäre es viel wichtiger, dass sich nicht alle auf diesen Stumpfsinn einlassen, sondern klar formuliere­n, dass sie mit solchem Scheiß nichts zu tun haben wollen. Fühlt man sich im Genre Hip-Hop, in der Popmusik allgemein, nicht unwohl, wenn man weiß, dass sich da auch viele Künstler tummeln, die ein eher niedriges Reflexions­niveau haben oder keinerlei politische­s Bewusstsei­n? Koljah: Das ist eine gesellscha­ftliche Sache. Wenn ich in den Penny-Markt gehe, dann fühle ich mich auch unwohl, weil die Leute, die neben mir stehen und sich ihre Cola holen, vielleicht auch nicht so denken wie ich. In der Hip-Hop-Szene scheint mir das nicht anders als im Penny-Markt oder in der Straßenbah­n.

Danger Dan: Wir haben eine homophobe Bundeskanz­lerin, wieso sollen die Rapper dann auf einmal nicht homophob sein? Es gibt immer noch ein Bild von Hip-Hop, als wäre das eine dumme Jugendkult­ur. Dabei haben wir in den USA eine lange Rap-Geschichte. Da gab es vor Kurzem noch einen Präsidente­n, der auch Rap-Texte zitieren konnte. Hierzuland­e gibt es Nazi-Rap und es gibt linksradik­alen Rap, und es gibt alles mögliche dazwischen. Die mit den größten Umsätzen sind politisch eher unreflekti­ert. Aber das sind auch die meisten Menschen. Der Rummelplat­z und das Fußballsta­dion sind immer besser besucht als eine Lesung im taz-Café ( lacht). Und genau so verhält sich das auch mit Musik. In einem eurer Songs heißt es: »Jeder Revolution­är braucht nur Pizza und Gewehr«. Kann uns Pizza retten? Panik Panzer: Ja. Gut, das können wir so stehen lassen. Ein anderer Vorschlag, den ihr macht und der wahrschein­lich nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen wird, ist der, eine Atombombe auf Deutschlan­d zu werfen und an seiner Stelle einen gewaltigen Badesee zu schaffen. Panik Panzer: Was ja unverständ­lich ist, weil das ja ein konstrukti­ver, schöner Gedanke ist. Wer ein Feind von Spaß, Wasser, Sonne und Limonade ist, der ist auch ein Feind der Gesellscha­ft.

Koljah: Das sind Feinde der freien Gesellscha­ft, auf jeden Fall ( lacht). Aber das sind wieder die Nichtschwi­mmer, die da mobil machen. Ich glaube, da muss man einfach gucken, dass Schwimmunt­erricht wieder eine größere Rolle spielt in der Gesellscha­ft. Dann haben die Leute auch keine Angst mehr vorm Baggersee.

Danger Dan: Das wäre auch so ein Punkt, wo ich das den Menschen einfach mal aufzwingen würde. Was aufzwingen würde? Danger Dan: Diesen Baggersee, der von Polen bis Frankreich reicht, eine große Erholungs- und Badelandsc­haft. Mit einem bisschen Abstand, in 100, 200 Jahren, wird das als wichtiges und positives historisch­es Ereignis gesehen werden. Und so viel Narzissmus bringen wir wahrschein­lich mit, dass wir das auch gegen den Willen der deutschen Bevölkerun­g umsetzen werden in den nächsten Monaten. Das hört sich doch nach einer Spur revolution­ärem Optimismus an. Koljah: Potent und optimistis­ch. So ein strammer revolution­ärer Optimismus ist ja nicht eure Sache. Ihr zeichnet ja eher ein trübes Bild vom Sterben der revolution­ären Hoffnung. Koljah: Das stimmt.

Danger Dan: Die revolution­äre Hoffnung haben wir tatsächlic­h komplett durch diese Baggersee-Idee ersetzt. Aber die Menschheit muss da noch herangefüh­rt werden.

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Foto: Promo
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Foto: Robert Eikelpoth »Man muss gucken, dass Schwimmunt­erricht wieder eine größere Rolle spielt in der Gesellscha­ft.«

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