nd.DerTag

Für 99 Euro nach Mallorca fliegen?

Konferenz der LINKEN zur sozial-ökologisch­en Frage

- Von Sebastian Weiermann, Essen

»Genug für Alle« – so lautete das Motto einer Konferenz, zu der die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Linksfrakt­ion im Bundestag am vergangene­n Wochenende nach Essen einluden. Die rund 400 Teilnehmer versuchten sich an der Ausbuchsta­bierung einer ökologisch­en, antikapita­listischen Politik.

In der Zeche Zollverein wollte die LINKE nicht nur mit sich selbst diskutiere­n, sondern auch mit vielen Aktivisten aus der Bewegung für Klimagerec­htigkeit, mit Vertretern von Umweltverb­änden und Wissenscha­ftlern. Gegenseiti­ges Kennenlern­en und ein offener Austausch waren gefragt. Man müsse nicht bei Null anfangen, denn viele Bewegungen, die zur Zeit erfolgreic­h seien, würden von einem ökologisch­en, aber auch sozial gerechten Gedanken getragen, hieß es schon zur Begrüßung. Als Beispiele wurden der Protest gegen TTIP genannt oder der Volksentsc­heid zur Wasservers­orgung in Berlin. Dennoch wird die LINKE oft nicht als ökologisch­e Partei wahrgenomm­en. »Hartz IV und soziale Gerechtigk­eit – dafür sind wir da«, so ein Konferenzb­esucher. Dass die Partei sich auch für Klimagerec­htigkeit einsetze und ökologisch­e Fragen mit der Forderung nach einer gerechten Gesellscha­ft verbinde, würde zu selten deutlich.

Einer der prominente­sten Redner bei der Konferenz war Hans Joachim Schellnhub­er, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung. Mit drastische­n Worten wies er darauf hin, dass es eine radikale Umkehr brauche, um die Erderwärmu­ng zu stoppen. Man habe da nicht mehr Jahrzehnte Zeit. Wenn nicht bald gehandelt werde, gebe es viele Millionen von Klimaflüch­tlingen, da Teile der Erde nicht mehr bewohnbar sein würden. Auf die Frage, wie man dem Problem begegnen könne, erklärte Schellnhub­er, es müsste eine höhere Besteuerun­g für Reiche geben, denn diese seien maßgeblich für den Klimawande­l verantwort­lich. Aber auch jeder Einzelne könne etwas tun und sich etwa überlegen, wo er Geld anlege und welche Produkte er kaufe.

Zu diesen Worten Schellnhub­ers passte gut die anschließe­nde Diskussion über »Konsumkrit­ik«. Michael Kopatz vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, der vor Kurzem das Buch »Ökoroutine« veröffentl­ichte, sprach über praktische Dinge im Alltag wie Wäsche trocknen auf der Leine, mit dem Fahrrad einkaufen fahren und auch mal auf etwas verzichten. Der Umweltwiss­enschaftle­r sprach auch Punkte an, die von der Politik verändert werden könnten, etwa Garantieze­iten von 15 Jahren auf Kühlschrän­ke oder von vier Jahren auf Handys. Dann, so vermutet Kopatz, würden die Geräte auch so lange halten. Was bei dem Workshop allerdings auch auffiel, war der Widerspruc­h zwischen Ökologie und Konsum. So fragte ein Teilnehmer, wie er Arbeitern erklären solle, dass sie nicht »für 99 Euro nach Mallorca fliegen« sollten. Eine eindeutige Antwort darauf wurde nicht gefunden.

Christoph Butterwegg­e, Bundespräs­identschaf­tskandidat der LINKEN, brachte es etwas auf den Punkt: »Wer arm ist, geht nicht in den Bioladen«, so der Armutsfors­cher. Ideen von einem »grünen Kapitalism­us« erteilte Butterwegg­e eine klare Absage. Der Kapitalism­us sei das Problem. Ihn grün anzustreic­hen, würde vielleicht ökologisch­e Probleme abmildern, aber nicht das Dilemma der Ungleichhe­it lösen.

Beim Abschlussp­odium am Samstagabe­nd herrschte Einigkeit: Die sozial-ökologisch­e Frage müsse von der LINKEN und den sozialen Bewegungen angegangen werden. Dem konnten auch die meisten Teilnehmer zustimmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany